Team 2006 - Fluch oder Segen?

Von Sebastian Schramm
Das Team 2006: 49 von 73 Spielern spielten nie in der A-Nationalmannschaft
© Getty
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Die Gescheiterten:

Benjamin Auer (Team 2006: 3 Einsätze, A-Team: Fehlanzeige): Javier Saviola, Adriano, Djibril Cisse, Benjamin Auer. Heute passt ein Name nicht in diese Reihe. Doch im Jahr 2001 befanden sich alle auf Augenhöhe. Sie waren bei der U-20-WM in Argentinien die besten Torschützen des Turniers. Auch in der U 21 und dem Team 2006 kam Auer in 26 Spielen auf starke 19 Tore. Zusammen mit Marcel Kettelaer und Sebastian Deisler sollte Auer bei Borussia Mönchengladbach eine neue goldene Ära einleiten. Geschafft hat es keiner. Deisler litt unter Depressionen, Kettelaer und Auer konnten nie auf Dauer das bestätigen, was man sich von ihnen versprach. Auer wurde zudem immer von Verletzungen zurückgeworfen.

Albert Streit (Team 2006: 4 Einsätze, A-Team: Fehlanzeige): "Früher oder später führt in der Nationalmannschaft kein Weg an mir vorbei." Ein Zitat von Albert Streit, einem sehr talentierten, technisch starken Fußballer. Doch Streit stand sich im Laufe seiner Karriere immer wieder selbst im Weg. Sei es medienwirksames Nachtreten gegen seine zahlreichen Ex-Klubs, oder seine, von den Trainern oft monierte, mangelhafte Einstellung. 2007 war er nah dran am A-Team, derzeit kämpft er vor dem Arbeitsgericht gegen seine Kündigung bei Schalke 04.

Enrico Kern (Team 2006: 2 Einsätze, A-Team: Fehlanzeige): Waldhof Mannheim, Hansa Rostock, Jahn Regensburg, Erzgebirge Aue. Stationen eines Spielers, der die meiste Zeit seiner Karriere in den Niederungen der Zweit-und Drittklassigkeit des deutschen Fußballs verbracht hat. Heute scheint es verwunderlich, dass der 32-Jährige Ende der neunziger Jahre als eines der größten Sturmtalente in Deutschland gehandelt wurde. Zwischen 1999 und 2000 lief Kern elf Mal für die U 21 auf und erzielte dabei sechs Tore. Im Perspektivteam für die WM 2006 wurde er zwei Mal eingesetzt. Danach war seine DFB-Karriere aber schlagartig zu Ende.

Die Vergessenen:

Tobias Rau (Team 2006: 1 Einsatz, A-Team: 7 Einsätze): Er spielte beim FC Bayern Champions League und in der Nationalmannschaft. Doch so rasch er nach oben kam, so rasch stürzte Tobias Rau sportlich ab. Nach vier Jahren bei Arminia Bielefeld machte er im Juli 2009 Schluss und begann ein Lehramts-Studium. "Das Fußballgeschäft", erklärt Rau, "ist ein Monatsgeschäft. Fast sogar ein Wochengeschäft. Es geht ratzfatz, dann fliegst du aus deinem Verein. Da habe ich einen anderen Lebensentwurf."

Thomas Broich (Team 2006: 2 Einsätze, A-Team: Fehlanzeige): Entspannt sitzt Broich im "ZDF"-Sportstudio. Johannes B. Kerner lächelt und holt ohne große Vorrede zur ersten Frage aus: "Ist es Ihnen eigentlich zu viel, ein Hoffnungsträger für die WM 2006 zu sein oder haben Sie einfach keinen Bock darauf?" Lapidar und für ihn auf den Punkt gebracht entgegnet Broich, "dass er keine Lust habe", der nächste Schweini oder Poldi zu werden. Lahm, Schweinsteiger und Podolski liefen neben ihm in der U 21 auf und haben es geschafft. Mittlerweile spielt Broich in Australien bei Brisbane Roar und hat dort sein Glück gefunden. Er habe viel zu wenig aus seinem Talent gemacht, sagt Broich.

Bernd Korzynietz (Team 2006: 5 Einsätze, A-Team: Fehlanzeige): "Wenn ein Nationalspieler ausfällt, ist das Eure Chance, Euch zu beweisen. Genau dazu ist das Team 2006 da." Ein Zitat von Joachim Löw nach seinem Amtsantritt als Co-Trainer der Nationalmannschaft. Und in der Tat: Im Vorfeld der Partie des A-Teams gegen Kamerun 2004 fielen die beiden etatmäßigen Rechtsverteidiger Arne Friedrich und Andreas Hinkel aus. Die Chance für Korzynietz schien gekommen, doch der heute 32-Jährige wurde nicht nominiert. Das Kapitel einer möglichen WM-Teilnahme war bereits geschlossen, bevor es überhaupt beginnen konnte. Und auch für das Team 2006 wurde er danach nicht mehr berufen. Enttäuscht war er deshalb nicht. Während der WM 2006 sagte Korzynietz, dass es "mich gar nicht so sehr stört, nicht dabei zu sein. Ich sitze halt auf der Couch und drücke den Jungs die Daumen und wenn meine Tochter ruft, gehe wieder raus. Es gibt Wichtigeres." Nach Stationen in Bielefeld, Wolfsburg und Duisburg wanderte er eher ungewollt ins Camp für vertragslose Fußballer. Heute trainiert Korzynietz die U 7 der SG Wattenscheid 09.

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