Der Harmonie verpflichtet

Von Für SPOX in Südafrika: Stefan Rommel
Die neuen Führungsfiguren des DFB-Teams: Bastian Schweinsteiger (l.) und Philipp Lahm
© Getty

Bastian Schweinsteiger machte vor gut einer Woche in Frankfurt den Anfang. "Diese Mannschaft", sagte der neue Vize-Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, "ist spielerisch besser als die vor vier Jahren." Damals erlag Deutschland einem Team, das spritzigen Konter-Fußball zu spielen vermochte. Das das ganz große Ziel aber trotz aller Sommermärchen-Romantik verpasste.

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Mit Heroen wie Jens Lehmann, Michael Ballack oder Torsten Frings. Die waren selbst beim Vize-Europameistertitel vor zwei Jahren noch dabei. Jetzt aber aus den unterschiedlichsten Gründen nicht mehr dabei.

Und wenn man ein Milchmädchen ist und einfach mal rechnen will, dann könnte man ganz schnell zu dem Schluss kommen, dass die DFB-Auswahl vor dem ersten Gruppenspiel gegen Australien (So., 20.15 Uhr im LIVE-TICKERund auf SKY) eigentlich mit einem zumindest mulmigen oder unsicheren Gefühl in das WM-Turnier starten müsste.

Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Deutschland ist seit Beginn des Jahres durch viele Rückschläge gebeutelt worden. Zuerst das Theater um die Vertragsverlängerungen der sportlichen Leitung, die bis heute nicht geklärt sind. Danach fielen während der Vorbereitung im Wochenrhythmus wichtige Spieler aus.

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Zerrissene Vorbereitung

Die Vorbereitung selbst war auseinandergerissen durch die Termine vieler Spieler im Endspurt der Saison. Nach Ballacks Absage machte die Sorge die Runde, das Team könne nicht schnell genug eine neue Hierarchie und die nötigen Anführer finden.

Die Testspiele gegen Malta (ohne zwölf Spieler) und drittklassige Ungarn waren ein Muster ohne Wert. Lediglich der Test gegen Bosnien darf als kleine Standortbestimmung gelten. Aber selbst der Gegner vor einer Woche kam ohne jede Vorbereitung und quasi aus dem Sommerurlaub nach Frankfurt.

Andere Mannschaften testeten da deutlich intensiver, gegen stärkere Gegner und mit weniger hausgemachten Problemen. Und trotzdem scheint das Vertrauen in die eigene Stärke ungeheuer groß.

Spaß bei den Pressekonferenzen

"Das ist die beste Nationalmannschaft, in der ich je gespielt habe. Es gibt mehr Qualität als noch vor der WM 2006 und der EM 2008", sagt der neue Kapitän Philipp Lahm voller Überzeugung.

Sein Trainer Joachim Löw erlaubte sich neulich im Zusammenspiel mit Franz Beckenbauer eine äußerst amüsante Pressekonferenz, einen Tag später feixte Lukas Podolski, als hätte es die Tage bei den Bayern und die letzte Saison in Köln nie gegeben.

Podolski gilt als guter Indikator für die Stimmung innerhalb der Mannschaft. Er trägt die Gefühlslage oft ungewollt nach außen. Und die ist derzeit fast schon zu gut. Zweifel am Auftaktsieg gibt es kaum, dafür scheint Deutschland den Socceroos vor allem spielerisch zu überlegen.

Lahm: "Nicht mehr typisch deutsch"

"Wir haben viel mehr spielerische Typen und spielen nicht mehr typisch deutsch. Wir wollen mit einem Sieg starten. Man spürt, dass die junge Mannschaft sehr hungrig und gut drauf ist", sagt Lahm. In der Tat hat sich das deutsche Spiel gewandelt und daran berauscht sich die Mannschaft schon jetzt, bevor auch nur eine Minute gespielt ist.

Die Überzeugung fußt aber auch darauf, dass Löw es geschafft hat, den Unwägbarkeiten der Vorbereitung zu trotzen. "Wir hätten nicht mehr tun können. Meine Vorstellungen wurden sehr gut umgesetzt. Ich habe ein gutes Gefühl und bin sehr optimistisch", sagt der Bundestrainer.

Er weiß aber auch ganz genau, dass in der jugendlichen Unbekümmertheit bei entsprechendem Spielverlauf eine Gefahr liegen kann. Löw schickt eine Mannschaft in die WM, die mit einem Durchschnittsalter von 24,96 Jahren die zweitjüngste der DFB-Historie ist und die drittjüngste aller 32 WM-Teilnehmer. Nur Ghana (24,43) und Nordkorea (24,78) stellen ein noch jüngeres Team.

Der Kapitän ist die Mannschaft

Auf der anderen Seite steht die Tatsache, dass sich vor allem die "neuen" Spieler bereits aus der U 21 kennen und von den etablierten in der Hierarchie längst nicht mehr so weit entfernt sind, wie das früher noch der Fall war.

Manuel Neuer, fünf Länderspiele leicht aber trotzdem schon Stammtorhüter bei einer WM-Endrunde, formuliert es entsprechend. "Wir sind frech, aggressiv und haben eine gute Fitness. Viele haben schon den Begriff 'Die erste Elf ist der ganze Kapitän' geprägt. Hoffentlich wird man das auch bei dieser WM sehen. Wir haben viele Spieler, die in ihren Vereinen schon in jungen Jahren sehr viel zu sagen haben. Keiner von uns hat hier Angst, den Mund aufzumachen. Damals bei der WM 2006 war das für die Jungen noch anders. Da gehörten einige Platzhirsche zur Nationalmannschaft. Jetzt verteilen sich die Kräfte mehr über die ganze Mannschaft."

Ballack: Sieg mit mehreren Toren

Die Unerfahrenheit galt als Problem. Jetzt dreht die Mannschaft den Spieß um und deklariert ihr neues Gefüge als große Chance. Selbst der verhinderte (Ex-)Kapitän sieht das aus der Ferne so.

"Die Jungs brennen, aber sie sind ruhig. Sie sind einfach gut drauf, das haben auch die Vorbereitungsspiele gezeigt. Ich glaube, dass wir Australien schlagen. Ich traue der Mannschaft sogar einen Sieg mit mehreren Toren zu. Diesen Eindruck macht das Team auf mich", sagt Michael Ballack.

Vielleicht sind deutsche Mannschaften schon generalstabsmäßiger vorbereitet in ein großes Turnier gestartet. Besser aufeinander eingestimmt dürfte noch kein Team gewesen sein. Dieser Harmonie ist die deutsche Mannschaft aber auch verpflichtet.

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