Das Leben der Street Walker

Von Für SPOX in Südafrika: Stefan Rommel
Das Hoffen auf jedes Auto: Ein Street Walker bei der Arbeit
© Getty

Sie sind ein Nebenprodukt des World Cup, das ebenfalls nicht so funktioniert, wie es erhofft wurde. Die Straßenverkäufer und ihr Kampf gegen die Supermarktketten.

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Sie heißen Vela, Simbala und Kabaila und sie sitzen die ganze Nacht in diesem Irgendwas vor unserem Hotel vor einem kleinen Feuer. Eigentlich sollte es wohl mal ein Garten sein, gebaut direkt an der Straße. Oder ein Kinderspielplatz.

Jetzt liegt nur noch Unrat herum. Ziegelsteine, leere Plastikeimer, Tüten, Kleidungsfetzen, abgewetzte Schuhe. Es ist ihr Zuhause, zumindest nachts.

Auf einem Stahlgestell steht ein kleiner Topf, darin wird Wasser gekocht. Wenn es ein guter Tag ist, können die drei sich eine Tütensuppe basteln. An schlechten Tagen wärmt der Topf lediglich ihre klammen Hände.

Die drei Jungs sind vielleicht Mitte zwanzig, ohne Chance auf ein anderes Leben, einfach ausgespuckt von der Gesellschaft und hier zurückgelassen. Nachts fristen sie ihr Dasein auf einer besseren Müllhalde. Aber die Tage: Die sollten eigentlich das große Geschäft bringen.

"Come on man, a vuvzela!"

Wenn  die ersten Autos durch die Straßen von Pretoria rollen, sind sie längst da: Vela, Simbala und Kabaila sind Street Walker. Dann stehen sie da und patroulieren durch den dichten Verkehr. Jede Ampel ist willkommen, jedes Auto wird abgeklopft.

In ihrer Hand tragen sie Vuvuzela und Perücken, diese überdimensionalen Brillen, die aussehen wie zwei aneinander geklebte Autoreifen und die Fähnchen, die seit der WM vor vier Jahren an den Fenstern der Autos flattern.

Es ist ein gefährlicher Job. Sobald die Ampel auf Gelb schaltet, rennen sie auf die Straße, wie die Klischee behafteten Autoputzer, die für ein paar Cent die Windschutzscheibe saubermachen. "Tötö-tötö, need a flag? Glasses? Sticker? Come on man, a vuvzela!"

Oft sagen sie auch gar nichts und laufen einfach an den Wagen vorbei. Es gilt, so viele Autos wie möglich während einer Rot-Phase abzuklappern. Da bleibt keine Zeit für unnötigen Small Talk.

Der Kampf um 40 Rand

15 Rand kostet eine Flagge für die Karre, 40 Rand eine Plastik-Vuvuzela. Das sind circa 1,50 bzw. vier Euro. Leider verkaufen sie davon nicht mehr allzu viele.

Die WM sollte eigentlich ihre Zeit werden. 40 Rand sind für einen Südafrikaner aus der Unterschicht eine Menge Holz, unser Shuttle-Fahrer Edward verdient zum Beispiel 3500 Rand im Monat. Ein Wert, der dem durchschnittlichen Monatsverdienst hier sehr nahe kommen dürfte.

Aber die WM ist bei den Street Walker nie so richtig angekommen. Die meisten haben sich ihre Fan-Utensilien längst gekauft, in den großen Supermarktketten wie Checkers zum Beispiel. Und die meisten ausländischen Fans fahren in großen Gruppen mit großen Vehikeln. Der Straßenverkauf ist da keine Option.

Nebenprodukt der WM

Jetzt ist auch noch Bafana Bafana ausgeschieden. Eine Katastrophe für die Jungs von der Straße. Man sieht sie auch schon lange nicht mehr so zahlreich wie noch zu Beginn des Turniers. Das schaltet zwar wieder eine nicht unerhebliche Gefahrenquelle im Straßenverkehr aus - beraubt die Street Walkers aber auch ihrer Nahrungsgrundlage.

Sie sind ein kleines Nebenprodukt des World Cup, das wie seine großen Brüder auch nicht so funktioniert hat, wie sie es sich eigentlich erwartet oder zumindest erhofft hatten.

Eine kleine Geschichte am Rande des großen Trubels.

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