"Ich bin begeistert von Löws Arbeit"

Von Für SPOX in Eppan: Stefan Rommel
Arne Friedrich (l., mit Jogi Löw) gab im August 2002 gegen Bulgarien sein Debüt im Nationalteam
© Getty

Arne Friedrich gilt als erster Kandidat für den Posten des zweiten Innenverteidigers neben Per Mertesacker. Im SPOX-Interview spricht der Noch-Berliner über Stinkstiefel, sein angekratztes Image, schmerzhafte Stunden mit der Hertha und seinen möglichen Wechsel nach der WM.

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SPOX: Herr Friedrich, können Sie eigentlich auch im defensiven Mittelfeld spielen?

Arne Friedrich: Ich habe die Position noch nie gespielt. Die Frage kann ich so also nicht beantworten. Aber wir haben noch Spieler, die auf der Position zu Hause sind. Die Verletzung von Christian Träsch ist unglaublich bitter, gerade für ihn persönlich. Ich habe ihn Montagabend noch kurz gesehen, da war er schon sehr niedergeschlagen. Das ist für einen jungen Spieler wie ihn kurz vor seinem ersten großen Turnier sehr schwer. Es tut mir sehr leid für ihn. Ich hoffe, dass er das gut verkraftet.

SPOX: Diese Woche soll der Nachfolger von Michael Ballack als Kapitän bestimmt werden. Kommen Sie dafür in Frage?

Friedrich: Davon gehe ich nicht aus. Spieler wie Philipp Lahm oder Bastian Schweinsteiger, die ähnlich viele Länderspiele gespielt haben wie ich und mit den Bayern unheimlich viel internationale Erfahrung gesammelt haben, oder eben Miro Klose als Routinier im Team, kommen dafür in erster Linie in Frage. Auf der anderen Seite muss man nicht unbedingt die Kapitänsbinde tragen, um Verantwortung zu übernehmen. Wir haben eine sehr junge Mannschaft, da ist es gerade an den älteren Spielern, voranzugehen.

SPOX: Wie sieht das in der Praxis aus?

Friedrich: Man muss Präsenz auf dem Platz zeigen, außerdem verbal aktiv sein, auch außerhalb des Platzes mit Mitspielern sprechen. Das sind die Aufgaben, die ein Kapitän zu erledigen hat. Da versuche ich, meine Aufgaben zu erfüllen.

SPOX: Sie sind zusammen mit Miro Klose der einzige Feldspieler aus den 70er Jahrgängen. Wie nehmen Sie diese andere, deutlich jüngere Generation in der Mannschaft wahr?

Friedrich: Es ist der Lauf der Zeit, dass man älter wird. Auf der einen Seite ist das natürlich schade für einen persönlich. Auf der anderen Seite aber auch eine Herausforderung. Man übernimmt Verantwortung und das macht auch Spaß. Wir haben zwar eine junge, aber eben auch sehr talentierte Mannschaft. Ich hoffe, dass wir das bei der WM schon zeigen können.

SPOX: Was glauben Sie, wie viele Hiobsbotschaften diese junge Mannschaft noch vertragen kann?

Friedrich: Wir hoffen, dass es damit endgültig vorbei ist. Wir brauchen die Qualität in der Mannschaft. Aber es gibt auch andere Nationen, die die gleichen Probleme haben. Letztlich können wir das nicht beeinflussen. Es kann in jedem Training und in jedem Spiel etwas passieren. Wir können aus den Verletzungen aber auch etwas Positives ziehen: Wir sind eine eingeschworene Truppe und werden jetzt noch enger zusammenrücken. Ich bin überzeugt, dass wir trotz der Ausfälle ein super Turnier spielen.

SPOX: Sie haben sehr lange rechter Verteidiger gespielt, obwohl Sie sich eher als Innenverteidiger sehen. Wie schafft man es, dass man auch auf einer eher ungeliebten Position trotzdem immer Stammspieler bleibt?

Friedrich: Ich denke, dass mir die Position des Innenverteidigers eher entgegenkommt. Ich bin ein Spieler, der seine Stärken in der Defensive hat. Das Spiel des Außenverteidigers hat sich auch sehr verändert. Schauen Sie sich Philipp Lahm oder Ashley Cole an - das sind kleine, wendige Spieler, die immer hoch und runter marschieren können. Das ist nicht mein Spiel. Ich habe als Rechtsverteidiger meine besten Spiele gemacht, wenn ich einen direkten Gegenspieler hatte, zum Beispiel gegen Portugal oder Argentinien. Ich fühle mich in der Innenverteidigung mittlerweile sehr wohl und bei der Nationalmannschaft auch als einer der Kandidaten, die um die Plätze dort kämpfen.

SPOX: Ist es ein Problem, sich immer wieder auf eine andere Position umzustellen?

Friedrich: Überhaupt nicht. Jeder weiß, welche Position welche Anforderungen hat. Theoretisch weiß man, was man zu tun hat. Das Einspielen ist da von entscheidender Bedeutung. Gerade in der Abwehrkette muss man immer schauen, was der andere macht. Man darf nicht nur nach dem Ball oder dem Gegenspieler schauen, sondern muss  eben auch darauf achten, dass die Räume eng sind und die Abstände stimmen, dass auf die Kommandos alle reagieren. Das ist das Entscheidende.

SPOX: Zum Einspielen bleibt nun aber nur noch sehr wenig Zeit.

Friedrich: Das können wir nicht ändern. Aber andererseits sieht man bei der Nationalmannschaft schon immer sehr viele Fortschritte, wenn wir über einen längeren Zeitraum zusammen sind und viel trainieren können. Das ist das, was uns bei einigen Freundschaftsspielen fehlt. Wenn man nur ein-, zweimal trainieren kann, fehlt uns die Konstanz, dann fehlt das ständige Wiederholen. Wir merken jetzt in den Einheiten, dass es schon sehr gut läuft.

SPOX: Einige Spieler haben nur eine mittelmäßige Saison gespielt, Sie mit der Hertha letztlich vergebens gegen den Abstieg gekämpft. Warum mussten Sie oder Lukas Podolski nie um ihre WM-Teilnahme zittern?

Friedrich: Es ist nicht so, dass wir mit hundertprozentiger Sicherheit davon ausgehen konnten, auf jeden Fall dabei zu sein. Ich hatte jedoch immer ein positives Gefühl. Außerdem sind wir Spieler, die auch schon lange dabei sind und drei Turniere gespielt haben. Klar hätte man auch andere Spieler nominieren können. Aber der Bundestrainer weiß, was er an uns hat. Wir wollen das mit guten Leistungen zurückzahlen. Natürlich hatte jeder auch seine eigenen Probleme und schwierige Situationen, aber man kann daraus auch lernen. Ich glaube, dass ich aus diesem Jahr sehr viel gelernt habe und dass es manchmal gar nicht so schlecht ist, wenn man Gegenwind bekommt. Das macht einen sehr viel stärker.

SPOX: Können Sie versprechen, dass Sie kein Stinkstiefel werden, wenn Sie nicht spielen?

Friedrich: Ich habe bei der letzten EM gezeigt, dass ich kein Stinkstiefel bin, sondern mich absolut in den Dienst der Mannschaft gestellt habe. Das werde ich auch diesmal wieder tun. Ich musste zuletzt im Zusammenhang mit Hertha sehr viel über mich lesen, auch, dass ich eine Ich-AG wäre. Das finde ich ziemlich enttäuschend. Keine Ahnung, wie so etwas immer in die Welt kommt. Da wird so getan, als wäre ich ein Stinkstiefel. Da können Sie andere Leute fragen, gerade hier bei der Nationalmannschaft, die können Ihnen dann dazu etwas erzählen.

SPOX: Sie kennen den Bundestrainer seit knapp sechs Jahren. Wie erleben Sie ihn derzeit, nach all den Tiefschlägen zuletzt?

Friedrich: Er ist im Laufe der Zeit, vom ersten Turnier an bis heute, immer souveräner geworden. Er ist sehr fokussiert und hat eine sehr gute Ausstrahlung, das Training ist perfekt abgestimmt, seine Ansprachen sind super. Er ist definitiv nicht ängstlich, weil einige Spieler ausfallen. Natürlich ist es für ihn auch nicht einfach, er hätte die Spieler gerne dabei. Aber er ist kämpferisch und das zeigt er uns auch. Er ist davon überzeugt, dass wir ein gutes Turnier spielen und wir sind es auch.

SPOX: Das klingt fast nach einem kleinen Plädoyer.

Friedrich: Ich bin begeistert von der Arbeit, die er leistet. Das Training und das ganze Drumherum sind einfach unglaublich professionell, es macht riesig Spaß, hier zu arbeiten. Und da bin ich nicht der einzige, der das sagt.

SPOX: Stichwort soziale Kompetenz: Das WM-Quartier in Pretoria ist sehr abgelegen. Wie wichtig wird es sein, dass man da keinen Lagerkoller bekommt?

Friedrich: Das wird sehr wichtig. Vor vier Jahren in Berlin hatten wir ganz andere Möglichkeiten, auch wenn wir nicht immer raus sind. In Südafrika wird das schon anders sein und mit Sicherheit nicht einfach. Natürlich kommen Phasen, die auch zäh sind. Aber man hat auch eine gewisse Grundspannung, man spielt alle vier Tage, dann kommen vielleicht die Frauen und Kinder mal dazu. Dann hat man schon Abwechslung. Wir sind ein eingeschworenes Team, sitzen auch außerhalb viel zusammen, trinken etwas, man redet, macht Quatsch. Ich habe nicht das Gefühl, dass wir einen Lagerkoller bekommen.

Teil 2: Friedrich über seinen Rekord im DFB-Dress, das verkorkste Jahr bei der Hertha und seine Zukunft