Warschauer Pakt mit Unstimmigkeiten

SID
Im Zentrum der Kritik, aber weiter angriffslustig: Oliver Bierhoff (l.) und Joachim Löw
© Getty

123 Tage vor dem WM-Start haben DFB-Präsident Theo Zwanziger und Bundestrainer Joachim Löw den Warschauer Pakt geschlossen, doch das Säbelrasseln nach den abgebrochenen Vertragsverhandlungen geht weiter.

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"Ich bin über den ganzen Ablauf stark verärgert", sagte Löw nach der Gruppenauslosung der Fußball-EM in der polnischen Hauptstadt. "Wir haben insgesamt ein schlechtes Bild abgegeben. Es stört mich ungemein, dass gewisse Dinge in die Öffentlichkeit gekommen sind."

Am Vorabend hatte der 50-Jährige nach einem Friedensgipfel mit Zwanziger beim gemeinsamen Besuch des feierlichen UEFA-Banketts in Warschau noch Eintracht demonstriert.

Bierhoff verteidigt sich: Die Highlighs von Sky90 im Video

Doch die Verstimmung beim Bundestrainer blieb. "Ich habe kein Verständnis dafür, dass mir der DFB mit dem Vertragsangebot in der vergangenen Woche ein Ultimatum gesetzt hat", sagte Löw am Sonntag.

"Ich bin seit sechs Jahren leitender Angestellter, und wir haben mit unserem Team alles für den Erfolg der Nationalmannschaft und die Reputation des deutschen Fußballs getan. Da kann es nicht sein, dass ich ein Angebot innerhalb von 48 Stunden annehmen soll."

"Es geht auch um die Form"

Auch Teammanager Oliver Bierhoff kritisierte am Sonntag in Warschau die DFB-Spitze. "So sollte man nicht mit dem Bundestrainer und seinem Team umgehen. Da geht es auch um die Form", sagte Bierhoff in der ARD.

Zudem stellte er die Zukunft der sportlichen Führung nach der WM in Südafrika in Frage: "Wir müssen mit der Situation professionell umgehen, auch wenn es im Sommer nicht weitergeht, egal von welcher Seite. Wir werden aber auf jeden Fall so planen, als würden wir weitermachen."

Vor dem Abflug nach Warschau waren in der DFB-Zentrale in Frankfurt/Main nach dem Hauen und Stechen der vergangenen Tage die Weichen noch auf Deeskalation gestellt worden.

"Ich habe gespürt, dass dem Präsidenten daran liegt, die WM-Vorbereitung in dem engen Vertrauensverhältnis fortzuführen, das uns seit Jahren verbindet, auch wenn es noch nicht zu der beabsichtigten Vertragsverlängerung über die WM 2010 hinaus gekommen ist", sagte Löw nach dem Friedensgipfel mit Zwanziger.

Löw duldet keine Ausreden

Von den gescheiterten Verhandlungen will sich Löw in der Vorbereitung auf die WM nicht stören lassen. "Es wird bei mir keine Ablenkung, keine Ausreden geben", sagte der Bundestrainer. "Wir sind alle Profis. Wir haben jetzt den Auftrag, uns ganz auf die WM zu konzentrieren und sie mit aller Kraft und Dynamik vorzubereiten. Vor der WM werde es "auf keinen Fall" neue Gespräche über eine Vertragsverlängerung geben, betonte Löw.

Der Bundestrainer hatte sich zuvor auch dafür entschuldigt, dass er mit seinem verbreiteten Statement unter anderem den Eindruck erweckt hatte, Zwanziger hätte bei seinen Ausführungen gelogen.

"Ich habe gespürt, dass meine Stellungnahme vom Freitag bei Dr. Zwanziger große Irritationen ausgelöst hat, weil dadurch in der Öffentlichkeit die Diskussion aufgekommen ist, er habe Unwahrheiten verbreitet oder sei daran beteiligt gewesen. Dies war von mir zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt", sagte der Bundestrainer.

Kein Handschlag-Vertrag

Löw hatte entgegen früherer Aussagen des DFB-Bosses erklärt, es habe keine Einigung per Handschlag über eine Vertragsverlängerung gegeben. Zwanziger hatte einen normalen Händedruck nach einer erfolgreichen Gesprächsrunde im vergangenen Dezember offenbar als Einigung interpretiert und das Verhandlungsergebnis vorschnell veröffentlicht.

Zwanziger verdeutlichte in Warschau noch einmal, dass er trotz der aktuellen Differenzen, unter anderem wegen überzogener finanzieller Forderungen von Löw und Bierhoff, an einer Fortsetzug der Zusammenarbeit interessiert sei.

"Ich will Joachim Löw als Bundestrainer behalten. Wenn wir die WM erfolgreich spielen, werde ich mit ihm sprechen. Und wenn wir sie nicht so erfolgreich spielen, dann auch. Er ist mein erster Ansprechpartner", sagte der DFB-Boss.

Kein Bekenntnis zu Bierhoff

Kein klares Bekenntnis gab der 64-Jährige dagegen zu Bierhoff ab. Der umstrittene Teammanager wurde stattdessen von Zwanziger und auch von Fußball-Kaiser und DFB-Präsidiumsmitglied Franz Beckenbauer für seinen Verhandlungsstil scharf attackiert.

"Es war absolut richtig, die Forderungen von Bierhoff nicht zu akzeptieren. Auch in Zukunft darf nur das DFB-Präsidium über den Bundestrainer entscheiden und nicht ein Nationalelf-Manager. Ein Vetorecht war nicht akzeptabel. Meine Meinung: Der Übernahme-Versuch ist gescheitert", sagte Beckenbauer der "Bild".

Bierhoff verteidigte sich in Warschau: "Da sind viele Dinge durcheinandergeworfen worden, die veröffentlichten Zahlen stimmen so nicht", sagte der frühere DFB-Kapitän, der sich einmal mehr zu Unrecht kritisiert fühlt: "Ich bin es ja gewohnt, dass man versucht, mich in die Ecke zu drängen."

Keine Signing Fee geplant

In der Sendung "Sky90" des Pay-TV-Senders Sky sagte Bierhoff am Sonntagabend, dass er und Löw nie eine Bonuszahlung für die Unterschrift unter einen neuen Vertrag gefordert hätten.

"Die Forderung einer Signing Fee hat es nie gegeben. Es ist von einer einmaligen Zahlung die Rede gewesen, die aber erst im Nachhinein während der Laufzeit gezahlt werden sollte", sagte Bierhoff und sprach von einer "Gehaltserhöhung in einer Einmalzahlung".

Einen solchen Vertragsbestandteil habe auch der DFB-Vorschlag enthalten, sagte Bierhoff. Er räumte ein, dass die Höhe der vorgeschlagenen Beträge unterschiedlich gewesen seien. Bierhoff gab auch zu, dass er ein Veto-Recht gefordert habe, "dass ohne meine Zustimmung kein Bundestrainer ausgewählt werden kann, aber nur im Zeitraum von 2010 bis 2012."

Bierhoff habe neue Fakten geschaffen

Zwanziger hatte am Donnerstag die Vertragsgespräche mit der sportlichen Leitung der Nationalmannschaft wegen unterschiedlicher Auffassungen überraschend abgebrochen und auf die Zeit nach der WM in Südafrika (11. Juni bis 11. Juli) vertagt.

Zwanziger machte Bierhoff für die gescheiterten Vertragsgespräche verantwortlich. Es habe beim ersten Gespräch mit Löw Mitte Dezember keine Anzeichen für gravierende Unterschiede gegeben, "die gab es erst, als Bierhoff in einem Gespräch Mitte Januar neue Fakten geschaffen hat, indem er uns Entwürfe für völlig neue Verträge präsentiert hat. Wir wollten verlängern - doch wir wollten keinen neuen Vertrag machen."