Matchwinner Kopplin: "Ein unglaubliches Gefühl"

Von Torsten Adams
Björn Kopplin vom FC Bayern bestritt gegen Nigeria sein viertes Spiel für die deutsche U 20
© Getty

Die deutsche U-20-Nationalmannschaft steht nach dem 3:2-Sieg gegen Nigeria im Viertelfinale der WM in Ägypten und hält den Traum vom ersten Titel seit 28 Jahren am Leben. Bayerns Björn Kopplin avancierte zum Mann des Abends uns steht stellvertretend für die Moral im Team und den Charakter, den Trainer Horst Hrubesch seinen Schützlingen eingeimpft hat. Im Viertelfinale wartet Brasilien auf die DFB-Elf.

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Es läuft die dritte Minute der Nachspielzeit in Suez. Jeder im Mubarak-Stadion stellt sich bereits auf eine Verlängerung ein, als Deutschlands Nummer 13 dem Nigerianer Lukman Haruna den Ball im Mittelfeld abjagt und zum Sturmlauf ansetzt.

"Ich habe ein wenig spekuliert, weil wir zu zweit auf einen Verteidiger losgelaufen sind. Deshalb habe ich den direkten Weg zum Tor gesucht. Sven Bender hat mich super unterstützt und überlaufen, so war der Verteidiger verwirrt und konnte mir letztlich nicht mehr folgen. Ich habe mir den Ball ein klein wenig zu weit nach außen gelegt, konnte ihn aber dennoch ins lange Eck schieben. Ein unglaubliches Gefühl", schildert Kopplin seinen zweiten Treffer bei "dfb.de".

Sein energisches Nachsetzen, der Sprint über 70 Meter und der eiskalte Abschluss steht stellvertretend für die Entschlossenheit und den Willen, mit der das Team die Aufgaben im Land der Pharaonen angeht.

Die Nigerianer dürfen noch kurz anstoßen. Abpfiff. Der Rest ist überschwänglicher Jubel. Kopplin und Co. liegen sich entkräftet in den Armen, die Flying Eagles sind am Boden zerstört, einzelne Spieler weinen.

Das Spiel im Re-Live zum Nachlesen

Hrubesch: Riesenkompliment an die Jungs

Auch den deutschen Jungs stehen die Tränen in den Augen. Es sind Freudentränen über einen Sieg des Willens. Zweimal lagen Horst Hrubeschs Schützlinge in Rückstand, zweimal schlugen sie blitzschnell zurück. Eine knappe halbe Stunde spielten sie nach der Roten Karte für Tobias Kempe in Unterzahl. Und dennoch ließen sich die DFB-Youngster nicht aus dem Konzept bringen und rissen das Ruder rum.

"Ich habe immer daran geglaubt, dass wir noch eine Konterchance bekommen würden. So war es auch, und die hat Björn Kopplin dann super genutzt. Solche Duelle gewinnt man nur, wenn man sie unbedingt gewinnen will. Ich muss den Jungs ein Riesenkompliment machen", sagte Hrubesch nach der Partie und spricht dabei ein herausragendes Merkmal der deutschen U 20 an: ihren einzigartigen Charakter.

Trotz der knapp 30 Absagen im Vorfeld des Turniers aufgrund der nicht bestehenden Abstellungspflicht der Vereine seien die Jungs im Training mit Spaß und Freude bei der Sache. Vielerorts waren sie nach der Absagenflut belächelt und als B- oder gar C-Team bezeichnet worden.

Hrubesch sorgt für die Extraportion Selbstbewusstsein

Doch Hrubesch hat seinen Jungs innerhalb kürzester Zeit eine große Portion Selbstbewusstsein eingeimpft: "Die Spieler haben verstanden, dass sie ihre Berechtigung haben, diese WM zu spielen", sagt der 58-Jährige. "Ich habe ihnen erklärt, dass sie nicht der zweite Anzug sind. Und sie haben sich in dieses Turnier richtig reingebissen."

Reingebissen hat sich auch Kopplin, ins Turnier und in seine neue Rolle in der zweiten Halbzeit gegen Nigeria. Denn zumeist wird der 20-Jährige vom FC Bayern als Innen- oder Linksverteidiger eingesetzt.

"Der Trainer hat mich ins linke Mittelfeld beordert. Dort konnte ich die Defensive etwas vernachlässigen und mir meine Kraft für die Offensive einteilen. Schließlich waren wir nur noch drei Angriffsspieler. So hat es dann auch für den letzten Sprint durch die gegnerische Hälfte gereicht", erklärt Kopplin.

Von Berlin über Gerland und Scholl zu Hrubesch

Wann er zuletzt zwei Treffer in einem Spiel erzielt hat, daran kann sich der Blondschopf nicht mehr so genau erinnern: "Das könnte vielleicht in der C-Jugend bei meinem alten Verein Union Berlin gewesen sein."

Von der U 19 der Eisernen führte ihn sein Weg 2005 nach München. Über die U 19 kam er 2007 zu den kleinen Bayern, wo er sich schon in der vergangenen Spielzeit unter Hermann Gerland zum Stammspieler mauserte. Mittlerweile hat er sich im Team von Mehmet Scholl vollends etabliert, bestritt vor seiner Reise nach Ägypten acht von zehn Spielen der kleinen Bayern.

Doch Kopplins Karriere lief nicht immer nur stramm geradeaus. Nach den ersten Monaten beim FC Bayern wollte er bereits zurück nach Berlin. Er fühlte sich in München nicht wohl und erntete Hohn und Spott statt Schulterklopfen ob seiner sportlichen Leistungen. "Es war richtig schwer", erinnert sich Kopplin, "als Preuße hat man es hier nicht immer einfach. Jeden Tag kam ein Ossi-Spruch."

Tiefschlag für Kopplin: Syndesmoseband- und Außenbandriss

Ende 2008 dann der tiefste Schlag: Ein Syndesmoseband- und Außenbandriss zwang ihn zu einer mehrmonatigen Pause. "Das war sehr ärgerlich, ich hatte gerade alle meine Ziele erreicht", sagt Kopplin. Das größte seiner Ziele: der Titel bei der U-19-EM im Juli 2008.

Registriert hat das jedoch kaum einer, im Mittelpunkt standen die Bender-Zwillinge vom Erzrivalen 1860 München. Immerhin beschenkte ihn der FC Bayern: Kopplin bekam ein neues Notebook.

Auf den Spuren von Agüero, Adriano und Messi

Ob der FCB für seinen Nachwuchsspieler bei einem ähnlich erfolgreichen Verlauf der U-20-WM erneut ein Präsent in petto hat, dürfte Kopplin aktuell gleichgültig sein. Zu sehr hat er sich ins Rampenlicht gespielt, zu geschichtsträchtig wäre ein zweiter Triumph nach dem U-19-Titel, als dass ihn ein Notebook momentan interessieren würde.

Erst zum vierten Mal in der WM-Geschichte steht eine deutsche U-20-Nationalmannschaft im Viertelfinale und darf weiter vom ersten Titel seit 28 Jahren träumen, das weltweit eines der prestigereichsten im Fußballzirkus ist.

Nach den olympischen Spielen, Welt- und Kontinentalmeisterschaften im Seniorenbereich ist die U-20-WM der bedeutendste Event im Terminkalender der Landesverbände. Die Scouts der großen Klubs sitzen auf den Tribünen und suchen nach den Agüeros, Adrianos und Messis der Zukunft. Ihr Stern ging vor Jahren ebenfalls bei der U-20-WM auf. Heute sind sie Stars im internationalen Fußball.

Sammer: "Brasilien wird ein harter Brocken"

Drauf und dran, in diese großen Fußstapfen zu treten, ist Alex Teixeira. Der Brasilianer führte die Selecao durch sein Doppelpack gegen Uruguay in das Viertelfinale der U-20-WM. Gegner am Samstag in Kairo: Deutschland.

"Brasilien wird ein harter Brocken, aber ich traue den Jungs nach dieser Leistung heute noch einiges zu", blickt DFB-Sportdirektor Matthias Sammer auf das Duell mit den Südamerikanern voraus.

Und auch Kopplin strotzt nach seinem Galaauftritt gegen Nigeria nur so vor Selbstvertrauen: "Viel habe ich von den Brasilianern noch nicht gesehen, weil ich mich zumeist auf unsere Gegner konzentriert habe. Natürlich haben sie wie alle südamerikanischen Teams viele gute Einzelspieler und bisher ein gutes Turnier gespielt. Aber auch Brasilien ist zu knacken."

Das Viertelfinale der U-20-WM im Überblick