"Die Mannschaft hätte Unterstützung gebraucht"

Von Für SPOX in Hamburg: Stefan Rommel
Michael Ballack spielt seit 1999 in der deutschen Nationalmannschaft. Er erzielte bisher 42 Tore
© Imago

Nach dem 1:1 gegen Finnland war Kapitän Michael Ballack in der Mixed Zone der HSH Nordbank Arena durchaus angefressen.

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Zum einen, weil die Mannschaft gegen die Skandinavier eine ganz schwache Vorstellung geboten hatte - und zum anderen, weil Ballack genau wie seine Mitspieler enttäuscht von den eigenen Fans war.

Frage: Sind gegen Finnland von den durch das Russland-Spiel erworbenen Sympathien bei den Fans schon wieder viele verspielt worden?

Michael Ballack: Man muss das schon auch relativieren. Es war klar, dass etwas Druck abfällt, und das hat man auch gesehen. Die Mannschaft hat im Kopf nicht frisch gewirkt. Vor allem an den Zweikämpfen hat man das gesehen, die in der ersten Halbzeit quasi nicht stattgefunden haben. Trotzdem hat die Mannschaft dann nochmal angezogen und ein Unentschieden rausgeholt. Im Großen und Ganzen - also wenn man die beiden letzten Spiele zusammen sieht - können wir zufrieden sein.

Frage: Aber die Spieler, die reingekommen sind, konnten sich nicht aufdrängen. Dabei geht es ab sofort um die Stammplätze...

Ballack: Dem einen oder anderen ist es sicherlich nicht gelungen. Aber es ist auch schwer, wenn den Stammspielern Druck und Spannung fehlen. Das soll aber keine Ausrede sein.

Frage: Die Fans haben teilweise richtig wütend gepfiffen. Tut Ihnen diese Reaktion weh?

Ballack: Natürlich tut es jedem Spieler weh, wenn die eigenen Fans pfeifen. Aber ich konnte das ehrlich gesagt auch nicht verstehen. Es ging ja schon nach 20 Minuten los - dafür habe ich, wie meisten anderen Spieler auch, kein Verständnis. Das hat die Mannschaft nicht verdient. Wir wussten selbst, dass wir nicht gut gespielt haben. Aber die Mannschaft hat sich in der gesamten Qualifikation gut präsentiert und sich deshalb mehr Applaus und Geduld der Fans verdient. Das war leider in Hamburg nicht so und das ist ein bisschen schade.

Frage: Waren die Pfiffe ein Thema in der Kabine?

Ballack: Sicherlich war das ein Thema, die Mannschaft war deswegen in der Kabine schon enttäuscht. Die Fans sind für uns als Spieler wichtig - gerade, wenn es mal nicht so gut läuft. Wer auf der Tribüne Fingerspitzengefühl gehabt hätte, hätte auch bemerkt, dass die Mannschaft diese Unterstützung gebraucht hätte, um vielleicht nochmal einen Schub zu bekommen. Leider war es genau andersherum. Aber wie gesagt, das soll keine Ausrede sein. Eigentlich ist es so: Wir sind ein Team und wir halten zusammen. Die 2500 Fans, die nach Russland mitgefahren sind, haben auch ihr Letztes gegeben. Dass es jetzt vor 50.000 zu so einem Abschluss der Qualifikation kommt, ist schon schade. Aber wir sind Profis, wir müssen das wegstecken.

Frage: Für alle Spieler geht es am Wochenende wieder um wichtige Punkte in den Ligen. Ist das auch mit ein Grund für so eine Leistung?

Ballack: Jeder schaut natürlich auf seinen Verein, muss da Leistung bringen. Aber wir stehen auch vor einer WM. Wir haben noch einige Freundschaftsspiele, der Trainer wird sicherlich noch einiges ausprobieren.

Frage: Wie haben Sie die letzte Woche erlebt?

Ballack: Es war eine sehr schwierige Woche, die Mannschaft stand enorm unter Druck. Nach der erfolgten Qualifikation fällt die Spannung natürlich ein bisschen ab. Wir haben versucht, die letzten Tage nochmal hochzufahren, aber es ist uns leider nicht so gut gelungen. Aber die Umstände nach dem Spiel in Russland haben zu den Nachlässigkeiten geführt.

Frage: Es stehen jetzt bis zur WM nur noch Freundschafts- oder Testspiele an. Müssen wir noch mehrere solcher Spiele wie gegen Finnland erwarten?

Ballack: Ab jetzt beginnt die Vorbereitung, der Trainer wird dem einen oder anderen Spieler noch die Zeit geben, sich zu präsentieren. Es kann immer mal passieren, dass man so ein Spiel drin hat wie gegen Finnland - aber dann muss das nächste auch wieder dementsprechend besser werden.

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