Holtby: "Habe mir einen Kindheitstraum erfüllt"

Von Interview: Torsten Adams
Lewis Holtby (l.) erzielte bei der U-20-WM zwei Tore in fünf Spielen
© Getty

Lewis Holtby war einer von Deutschlands herausragenden Akteuren bei der U-20-WM in Ägypten. Trotz des Ausscheidens im Viertelfinale nimmt der Schalke-Spieler auch viele positive Aspekte mit auf die Heimreise.

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Bei SPOX spricht der 19-Jährige über die Grausamkeit des Fußballs, Horst Hrubeschs Umgang mit dem Team, die Veränderung der Seele eines Spielers und seinen Neustart auf Schalke.

SPOX: Herr Holtby, Sie haben Deutschland gegen Brasilien in Führung gebracht, zum Sieg hat es aber nicht gereicht. Ist die Enttäuschung nach dem Ausscheiden schon wieder verflogen?

Lewis Holtby: Wenn uns vor dem Turnier jemand gesagt hätte, dass wir Gruppensieger werden, im Viertelfinale gegen Brasilien spielen und sie an den Rand einer Niederlage bringen, dann hätten wir das alle gerne angenommen. Dass unser Traum vom Weiterkommen so kurz vor dem Ziel zerrissen wurde, ist allerdings sehr bitter.

SPOX: Das Team ist mittlerweile wieder in Deutschland angekommen, die Spieler kehren zu ihren Klubs zurück. Was überwiegt in der Nachbetrachtung: Stolz oder Frust?

Holtby: Je nach Sichtweise von jedem ein bisschen. Die Dramatik, wie das Aus zustande kam, war grausam. Das war eine Lehrstunde für uns. Aber diese Erfahrung bringt auch jeden Einzelnen in seiner Entwicklung weiter. Das Team ist binnen kürzester Zeit zusammengewachsen und hat richtig gut Fußball gespielt. Darauf sind wir stolz. Es ist schade, dass die Mannschaft in dieser Formation wohl nicht mehr auflaufen wird.

SPOX: Nach den zahlreichen Absagen im Vorfeld des Turniers war schnell die Rede vom "Rumpfteam". Entstand dadurch in der Mannschaft eine Stimmung nach dem Motto: "Jetzt erst recht"?

Holtby: Auf jeden Fall. Jeder von uns war heiß, jeder hat für den anderen gekämpft und jeder trug den Siegeswillen in sich. Die Stimmung und der Zusammenhalt im Team waren einfach überragend. Sie haben uns in den Spielen nach vorne gepusht und letztendlich bis ins Viertelfinale getragen.

SPOX: Horst Hrubesch nannte Charakter und Ehrlichkeit als die Tugenden, die er seinen Spielern versucht zu vermitteln. Beschreiben Sie doch mal das Verhältnis zwischen Trainer und Mannschaft.

Holtby: Horst Hrubesch beherrscht die Mischung zwischen Konzentration auf das Wesentliche und Lockerheit. Das ist bei ihm optimal. Er weiß ganz genau, wann er anziehen muss, und wann er die Zügel wieder entspannen kann. Er geht respektvoll mit uns um und hat es geschafft, jedem den Spaß am Fußball zu vermitteln und die einzelnen Spieler in Topform zu bringen. Auch diejenigen, die vor dem Turnier vielleicht einen kleinen Durchhänger hatten.

SPOX: Gilt das auch für Sie speziell?

Holtby: Absolut. Das Training unter ihm hat Spaß gemacht, und meine beiden Tore haben mir das Selbstvertrauen wiedergegeben, das ich in letzter Zeit nicht hatte. Ich denke, dass der Trainer in den letzten vier bis sechs Wochen viele von uns aufgebaut hat.

SPOX: Nach dem Aus gegen Brasilien sagte Hrubesch, die Spieler würden sich bei solchen Turnieren sportlich besonders schnell entwickeln, und eine EM oder WM sei auch immer besonders wichtig für die Persönlichkeitsentwicklung. Was sind die Gründe für diese Tatsache?

Holtby: Man misst sich mit anderen großen Nationen, lernt neue Leute und neue Länder kennen. Es ist eine große Erfahrung, zu solch einem wichtigen Turnier zu fliegen, von einem Ort zum anderen zu reisen und sich unter wechselnden Bedingungen zurechtzufinden.

SPOX: Welche Erkenntnisse nehmen Sie persönlich mit? Was haben Sie bei der WM gelernt?

Holtby: Ich denke mir, dass man auf diese Erfahrungen in anderen Situationen zurückgreifen kann. Sei es bei Champions-League-Spielen oder in der Nationalmannschaft. Wenn du einmal eine gute WM gespielt hast, bleibt dir das immer im Gedächtnis haften. Es bestärkt dich im weiteren Verlauf deiner Karriere.

SPOX: Sind diese Erfahrungen genau das, was Matthias Sammer meint, wenn er sagt, in der Seele eines Spielers verändere sich etwas bei solch einem Turnier?

Holtby: Absolut. Ich persönlich habe mir mit der WM einen Kindheitstraum erfüllt. Jeder Einzelne unseres Teams kann ein weiteres Erfolgserlebnis, auf das er stolz sein kann, auf seiner Autogrammkarte verzeichnen.

SPOX: Stolz sein können Sie auch darauf, mit der Fritz-Walter-Medaille als bester Spieler des Jahrgangs 1990 ausgezeichnet worden zu sein. Wie war es, sich mit den Besten der Welt zu messen? Hatten Sie das Gefühl, mithalten zu können?

Holtby: In erster Linie war es wichtig zu sehen, dass wir mit der kompletten Mannschaft mithalten konnten. Ich denke nicht zuerst an meine eigene Leistung, sondern schaue, dass ich mich optimal in das Team integriere und die beste Leistung für den Mannschaftsverbund erbringe. Dennoch glaube ich, dass ich mit meinen Vorstellungen während der WM ganz zufrieden sein kann.

SPOX: Aus Ihrer subjektiven Sicht: Hat Ihnen die Teilnahme an der WM mehr gebracht, als in der gleichen Zeit vielleicht ein oder zwei Bundesliga-Spiele mit Schalke zu absolvieren?

Holtby: Für mich persönlich hat die WM sehr viel gebracht. Ich habe in Ägypten meine Einsätze bekommen, jedes Spiel von Beginn an bestritten und fühle mich nun vom Kopf her wieder viel besser. Ich fahre mit großem Selbstbewusstsein und einem guten Gefühl zurück nach Schalke.

SPOX: Für Sie lief der Saisonbeginn bei Königsblau alles andere als rund. Dass Felix Magath Ihnen die Freigabe für die WM erteilte, war zugleich ein Zeichen, dass er in der Bundesliga auf Sie noch verzichten kann.

Holtby: Ich habe in der vergangenen Saison noch in der 2. Liga gespielt, bin von Aachen zu Schalke gekommen und ich weiß, dass es nicht gleich von Null auf Hundert geht. Aber gerade nach den tollen Eindrücken bei der WM will ich nun im Verein wieder voll angreifen und mich ins Team zurückspielen.

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