Den FC Tegernsee gibt es gar nicht

Von Stefan Rommel
Die deutsche Elf bei ihrem letzten Auftritt vor der Sommerpause gegen die VAE
© Getty

Der Deutsche Fußball-Bund hat sich in seiner jüngeren Vergangenheit schon zu so manch ungewöhnlicher Expedition hinreißen lassen. Unvergessen sind die Auftritte mit den Herren Berti Vogts und Erich Ribbeck beim Gold Cup 1993 und beim Confed-Cup 1999.

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Beide Dienstreisen sollten mehr oder weniger sinnvolle Erkenntnisse liefern im Hinblick auf ein Jahr später stattfindende Großereignisse - wobei man der Fairness halber sagen muss, dass die Reise zum Confed-Cup als amtierender Europameister unumgänglich war.

Der sportliche Wert jedenfalls hielt sich auf beiden Reisen in Grenzen. Der Gold Cup führte Bertis Mannschaft innerhalb von zehn Tagen kurz vor Weihnachten durch die Spielorte Miami, San Francisco und Mexiko Stadt über mehrere Zeit- und Klimazonen hinweg. 25.000 Kilometer wurden auf den Miles-and-More-Konten des DFB verbucht.

Und der Confed-Cup unmittelbar vor Beginn der Bundesliga-Saison gebar verdiente Nationalspieler wie Ronny Maul, Michael Preetz oder Heiko Gerber. Insofern war die Skepsis, die den DFB-Tross aus der sicheren Entfernung in der Heimat bis nach China und Dubai verfolgte, durchaus verständlich.

Werbetour für den DFB

Und diesmal? Eine lange, kräftezehrende Saison lag hinter den Nationalspielern und solchen, die es werden sollten. Und dann noch diese Gegner: China, Nummer 97 der Weltrangliste und die Vereinigten Arabischen Emirate, auf Rang 120 geführt.

Der sportliche Wert rückte als Daseinsberechtigung von Beginn an in den Hintergrund, der DFB deklarierte die Reise offensiv als Werbetour. Also sah sich auch Bayern-Manager Uli Hoeneß bemüßigt, den Ausflug spöttisch abzukanzeln.

"Liechtenstein, Andorra, Färöer Inseln, Abu Dhabi und Dubai - das sind nicht die Gegner, die auf der Welt eine Rolle spielen. Da gibt man den Spielern das Gefühl, sie sind die Größten. Dabei haben sie gegen Leute gespielt, die auch teilweise gegen den FC Tegernsee spielen können."

Nächste Gegner: Chile und Ägypten?

Es war ein durchaus akzeptabler Kritikpunkt, zumal der Verband mitten in der umstrittenen Reise auch noch zwei Testspielgegner für das Jahresende bekannt gab. Sollte sich die DFB-Elf als Gruppensieger direkt für die WM in Südafrika qualifizieren, kommt es in Deutschland noch zu zwei Testspielen gegen Chile und Ägypten.

Hoeneß darf sich in seiner Kritik deshalb bestätigt fühlen, weil es in der Tat keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die beiden Gegner einen näheren Testzweck erfüllen könnten. Zumal zum Zeitpunkt der beiden Spiele die möglichen Gegner in der WM-Gruppenphase noch gar nicht feststehen werden.

Es bleibt unterm Strich aber der einzige griffige Aufhänger für die Gegner der Asienreise. Denn auch wenn eine stattliche Zahl an Leistungsträgern die Reise erst gar nicht angetreten hatte, durfte Joachim Löw doch einige sinnvolle Erfahrungswerte mit nach Hause nehmen.

"Die Reise hat sich gelohnt"

"Wir haben die wichtigen Erkenntnisse mitgenommen, die wir uns erwartet hatten. Die Reise hat sich gelohnt", sagte der Bundestrainer nach dem abschließenden 7:2 gegen die VAE. Löw legte in den Tagen von Shanghai und Dubai eine zu diesem frühen Zeitpunkt erstaunliche Geradlinigkeit an den Tag, was personelle Entscheidungen anbelangt.

In ungewohnter Klarheit gab er Spielern wie Jermaine Jones von Schalke 04 oder Dortmunds Sebastian Kehl im Hinblick auf die WM quasi jetzt schon den Laufpass.

"Wir werden den vorläufigen Kader verkleinern und mit wenigen Spielern konzentrierter arbeiten. Einige Spieler werden nicht mehr zum erweiterten Kreis gehören", sagte der Bundestrainer und fügte an: "Wir laden nur noch Spieler ein, die Perspektive haben und keine, die wir nicht mehr auf der Rechnung haben. Die hatten wir letztes Jahr noch auf der Rechnung - dieses Jahr nicht mehr. Auf der Sechserposition haben wir keine Vakanzen und keine Probleme im Moment. Wir haben Rolfes, Hitzlsperger, Frings und darüber hinaus Khedira. Da sehen wir keine Probleme auf dieser Position."

Mosaiksteinchen für die Detailarbeit

Ähnlich gelagert dürfte der Fall bei den Torhütern liegen. Dort hat sich Manuel Neuer mit einem überzeugenden Debüt neben dem Lob des Bundestrainers auch die Gewissheit gesichert, in den Dreier-Zirkel mit Robert Enke, Rene Adler und Tim Wiese eingedrungen zu sein und Kontrahenten wie Timo Hildebrand oder Roman Weidenfeller klar hinter sich gelassen zu haben.

Der Bundestrainer geht die Findungsphase seines Kaders energisch an. "Wir werden im Juni und Juli konzeptionell arbeiten. Deshalb wird es im August und September wichtige Gespräche geben und Dinge, die eingeleitet werden müssen", sagte Löw. Wichtige Mosaiksteinchen für die anstehende Detailarbeit holte er sich im Fernen und Mittleren Osten.

Sehr wahrscheinlich wird auch die Asienreise neue Gerbers oder Mauls geschaffen haben, Spieler wie Stuttgarts Christian Träsch oder dem Hoffenheimer Tobias Weis werden kaum Chancen eingeräumt, in naher Zukunft noch einmal das DFB-Trikot überstreifen zu dürfen.

"Die Reise war absolut positiv"

Aber andere Akteure wie Robert Huth, der in Abwesenheit von Per Mertesacker, Serdar Tasci oder Christoph Metzelder mit zwei dürftigen Leistungen eine große Chance verspielt hat, geben dem Bundestrainer eine Richtung vor - wenn auch in diesem Fall eine negative.

Der sportliche Wert war also durchaus gegeben. Und wirtschaftlich? Da konnte Teammanager Oliver Bierhoff ein durchaus positives Fazit ziehen. "Wir wollten den deutschen Fußball im Ausland präsentieren. Das ist uns sehr gut gelungen. Wir hatten auch die Zeit mit anderen Wirtschaftspartnern, um uns hier vorzustellen. Die Reise war absolut positiv."

Denn während die deutschen Nationalspieler in Asien weilten, mussten viele ihrer Mannschaftskollegen über die Dörfer tingeln, um in Freundschaftsspielen ein paar Euro zusätzlich einzuspielen.

Nicht Tegernsee, aber Kaufbeuren

Und wenn die Nationalspieler jetzt in den wohl verdienten Sommerurlaub fahren, müssen ihre Vereinskollegen in der anstehenden Länderspielwoche erst noch ran und quasi eine Woche zusätzlich obendrauf legen.

Einer, der seine Angestellten übrigens nach Magdeburg, Sittard oder Kaufbeuren schickte, war Uli Hoeneß. Gegen den FC Tegernsee war leider kein Freundschaftsspiel auszumachen. Den FC Tegernsee gibt es gar nicht.

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