Große Chance - oder Muster ohne Wert?

Von Stefan Rommel
Deutliches Bekenntnis: Die chinesischen Fans sind offenbar große Jogi-Fans
© Getty

Vor dem Testspiel gegen China plagen Joachim Löw einige Verletzungssorgen - und die Sorge, das eigentliche Ziel der Expedition nicht zu erreichen. Für den Bundestrainer ist die Asienreise nämlich die letzte Gelegenheit, geeignete Spieler für den vorläufigen WM-Kader zu sichten, der dieses Mal deutlich kleiner ausfallen soll als noch vor der EM 2008.

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Manchmal kann es ziemlich schnell gehen, dass sich Joachim Löws Laune merklich verschlechtert. Am Donnerstagmorgen war der Bundestrainer vor dem öffentlichen Training seiner Mannschaft im Shanghai Stadium noch guter Dinge.

Nur Stunden später aber verdunkelte sich Löws Miene. Zum einen, weil sich nur rund 1000 schaulustige Chinesen zur Übungsstunde verlaufen hatten - was angesichts der angestrebten Imagekampagne des DFB eine reichlich bescheidene Zahl zu sein scheint.

Zwei Innenverteidiger fraglich

Und zum anderen, weil sich quasi binnen weniger Stunden sein 17-köpfiger Kader erste Ausfallerscheinungen genehmigte. Heiko Westermann und Arne Friedrich drohen vor dem ersten von zwei Testspielen auf der Asienreise gegen China (Freitag, 13.45 Uhr im LIVE-TICKER) auszufallen.

Beides Innenverteidiger und im Rumpfkader eine besondere Spezies. Denn als Ersatz hat Löw nur noch Rückkehrer Robert Huth in der Hinterhand. Die von vielen kritisch beäugte Reise am Ende der langen Saison droht einen unangenehmen Verlauf zu nehmen.

Denn Löw wurde in den letzten Tagen nicht müde zu betonen, dass die Veranstaltung für sein Trainerteam und ihn einen enorm hohen sportlichen Stellenwert habe - weshalb der Bundestrainer zumindest im ersten Spiel gegen die Chinesen bis auf den Wolfsburger Neuling Christian Gentner nur bewährtes Personal einsetzen wollte.

"Keine Ferienreise"

Die Reise gen Osten sollte schließlich mehr sein als eine reine Marketingmaßnahme oder eine bessere Ferienreise, wie Spötter sie missmutig nannten. Löw erwartet sich davon Aufschlussreiches. "Ich sage ja nicht, dass dies der WM-Countdown ist. Aber es ist auch keine Ferienreise. Es sind viele neue Spieler dabei, und ich werde aus dieser Reise wichtige Erkenntnisse ziehen."

Die wichtigste: Wie soll der Kader aussehen, mit dem Löw in die vom DFB als "heißer Herbst" titulierte Entscheidung in der WM-Qualifikation geht und der danach das Gerüst bis zur Entscheidungsfindung über den endgültigen Kader im Mai 2010 bilden soll?

Ein wenig hatte Löw ja schon aussortiert. Die Nichtnominierung der beiden Dortmunder Sebastian Kehl und Roman Weidenfeller, sowie des Schalkers Jermaine Jones sind ein deutliches Signal - auf dem Asientrip selbst wollte Löw eigentlich noch weitere Anhaltspunkte sammeln.

Kleinerer Kader als Ausgangsbasis

Denn anders als vor der EM 2008 in Österreich und der Schweiz, Löws erstem Turnier als Bundestrainer und somit auch eine Art Experimentierfeld, wird der Weg nach Südafrika ein anderer sein als der zur Europameisterschaft im letzten Jahr - vor allem, was den Umgang mit dem Kader anbelangt.

"Es ist schon so, dass wir uns im August auf einen erweiterten WM-Kader festlegen werden, und der wird nicht so groß sein wie der vor der EM. Diesmal beschränken wir uns auf einen kleineren Kreis, den wir aber noch intensiver begleiten wollen", schildert Löw seinen Plan.

Obwohl er auch dem einen oder anderen Nachzügler noch eine Hintertür offen halten will und wird. "Ausschließen möchte ich das nicht, weil es immer mal wieder vorkommt, dass ein zuvor nicht beachteter Spieler eine überragende Saison spielt."

Insofern sind die Spiele gegen China und am kommenden Dienstag gegen die Vereinigten Arabischen Emirate schon richtungweisend für den einen oder anderen Spieler.

Huth unter besonderer Beobachtung

Für Robert Huth etwa. Fast drei Jahre war der Verteidiger nicht mehr beim DFB-Team. Jetzt bietet sich ihm eine sehr große Chance, sich wieder eindrucksvoll in Erinnerung zu rufen. "Er hat bei uns immer gute Leistungen gezeigt und macht zudem einen sehr austrainierten Eindruck", lobte Löw den 24-Jährigen.

Und Manuel Neuer kann sich auf mittelfristige Sicht zumindest als vierter Kandidat im Rennen um die WM-Tickets etablieren. Denn nach seinem Gastspiel bei der U-21-Europameisterschaft wird der Schalker sich voll und ganz auf die A-Nationalmannschaft konzentrieren können - und dürfte auf Grund seiner Nominierung für die Asienreise mittendrin stecken im Konkurrenzkampf mit Robert Enke, Rene Adler und Tim Wiese.

Träsch als Innenverteidiger?

Aber trotz Huths Comeback und trotz des Fingerzeigs für Neuer ist Löws eigentliches Ziel in Gefahr. Die 90 Minuten gegen China drohen zum Muster ohne Wert zu werden, wenn der Bundestrainer seine Kandidaten nicht wie gewünscht testen kann. So musste sich Löw im Training damit behelfen, den Stuttgarter Rechtsverteidiger Christian Träsch in der Innenverteidigung einem Test zu unterziehen.

Die beiden Testspiele sind die letzte Gelegenheit, sich unter Wettkampfbedingungen auf die Endphase in der Qualifikation einzustimmen und neue Spieler ohne Druck an die Mannschaft heranzuführen. Anfang August - mitten im Start der Bundesliga - steht dann nämlich schon das unangenehme Auswärtsspiel in Aserbaidschan an. Dann ist die Zeit des Testens definitiv vorbei.

Gomez und die Torflaute

Spätestens dann gilt es auch wieder für Mario Gomez. Seit über acht Stunden, genau seit 733 Minuten, ist der Bald-Bayer für den DFB ohne Tor.

Jetzt, nach der Bekanntgabe seines Wechsels, ohne Druck in einem Testspiel und fern der Heimat, ist die Gelegenheit günstig wie nie, den Knoten endlich platzen zu lassen.

"Es ist sicher kein Nachteil, dass die Entscheidung  für meinen Wechsel jetzt gefallen ist", erklärte Gomez - und fügt lächelnd hinzu: "Beim DFB wird ja alles getan, dass ich wieder treffe - jetzt haben sie sogar meinen Stuttgarter Sturmpartner Cacau nominiert."

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