Im warmen Nest der Bundesliga

Von Für SPOX bei der Nationalmannschaft: Stefan Rommel
Lukas Podolski und Bastian Schweinsteiger haben sich gegen den Schritt ins Ausland entschieden
© Getty

Mit Michael Ballack und Andreas Hinkel stehen aktuell nur zwei Legionäre im Kader der deutschen Nationalmannschaft. Zu wenig, um in der Weltspitze mit Weltmeister Italien oder Europameister Spanien mitzuhalten? Noch trauen sich Bastian Schweinsteiger, Philipp Lahm oder Lukas Podolski nicht den Schritt in die weite Fußball-Welt hinaus. 

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Und plötzlich hatte Paul Breitner ein Problem. Vor ein paar Wochen hatte er den zweiten Weltmeistertitel für Deutschland geholt, im Finale von München gegen die Niederlande.

Jetzt lockte den gerade erst 22-Jährigen das große Real Madrid. Breitner hatte im zarten Erwachsenenalter schon alles gewonnen, was man gewinnen kann, der Schritt in eine neue Umgebung, in eine neue Kultur und natürlich in eine neue Liga lag nahe.

Breitners Rücktritt in den 70ern

Die Sache war nur: Mitte der 70er Jahre wurden deutsche Spieler, die im Ausland ihr Geld verdienten, bei der Nationalmannschaft nicht berücksichtigt.

Ein Relikt aus uralten Vorzeiten, das so manch einen hoffnungsvollen Spieler von der süßen Versuchung der Lira- und Pesetas-Paradiese abschreckte.

Für Breitner traf es sich da fast schon vorzüglich, dass er sich vor dem Titelgewinn mit Helmut Schön überworfen hatte und letztlich einem Rauswurf durch den Bundestrainer zuvorkam. Breitner erklärte einfach selbst seinen Rücktritt.

Deutschlands Elite tanzt aus der Reihe

Drei Dekaden später hat sich das Fußballgeschäft komplett gewandelt. Spielern aus aller Welt stehen bei entsprechender Qualifikation alle Ligen der Welt offen. Die Globalisierung hat längst Einzug gehalten und alle spielen mit.

Nur Deutschlands Elite tanzt ein wenig aus der Reihe. Vor zwei Wochen legte Bundestrainer Joachim Löw zum wiederholten Mal den Finger in die Wunde.

Er sehe in elementaren Teilbereichen immer noch erhebliche Defizite der Bundesliga im Vergleich zur europäischen Spitze.

"Wir machen seit der WM 2006 umfangreiche Untersuchungen über die läuferischen Elemente und vergleichen die Bundesliga mit anderen Ligen. Da gibt es Unterschiede und eindeutige Erkenntnisse: Die Anzahl der Sprints lässt zu wünschen übrig, da müssen wir an Intensität zulegen. Müssen! Nicht sollen! Es ist keine optische Täuschung, dass in England schneller gespielt wird", mahnte Löw an.

Ballack und Hinkel: die einzigen Legionäre

Man muss den Bundestrainer verstehen, denn das Problem der Bundesliga ist insofern auch sein Problem, dass beinahe alle seiner Spieler ihr Geld im warmen Nest der Bundesliga verdienen.

Im Kader der DFB-Auswahl für die WM-Qualifikationsspiele gegen Liechtenstein (4:0) und Wales (Mittwoch, 20.30 Uhr im LIVE-TICKER) stehen mit Michael Ballack (FC Chelsea) und Andreas Hinkel (Celtic Glasgow) nur zwei Legionäre, von den Stammspielern ist Kapitän Ballack der einzige.

Alle wünschen sich schnelleren, attraktiveren, zielstrebigeren Fußball. Nicht nur Löw, auch die meisten Vereine der Bundesliga.

Rekordmeister Bayern München hat sich zu diesem Zweck den völlig unerfahrenen Jürgen Klinsmann vor der Saison ins Boot geholt. Aber der Umbruch dauert. Auch beim Rekordmeister.

Kahn: "Weltklasse holt man sich nicht im Training"

Also stellt sich die grundsätzliche Frage: Wenn der erwünschte Fußball (noch) nicht zu den Spielern kommt - in Form besserer Ausbildungskonzepte, neuer Trainingsmethodik und -steuerung, größerer Betreuerstäbe -, warum gehen die Spieler dann nicht dorthin, wo er schon praktiziert wird? Und holen sich dort die Aus- und Fortbildung, die sie in der Bundesliga offenbar nicht bekommen?

Letzten Samstag hat Oliver Kahn, der Ex-Weltklasse-Torhüter, ebenso simple, wie einleuchtende Sätze von sich gegeben.

"Weltklasse holt man sich nicht im Training. Man holt sie sich, indem man sich wöchentlich mit den Besten der Welt misst. Man braucht dieses permanent hohe Niveau, um irgendwann in die Weltklasse vorzudringen."

Ballacks Schritt nach vorne  

Kahn bezog sich dabei auf den Vorstoß von Bundestorwarttrainer Andreas Köpke, der seinen drei Keepern Rene Adler, Robert Enke und Tim Wiese jene Weltklasse nicht attestieren kann. Im Prinzip gilt das nicht nur für die Torhüter, sondern für jeden deutschen Nationalspieler.

Bis auf Ballack - und der spielt erwiesenermaßen im Ausland. Zwar war der 32-Jährige schon ein Spieler von Weltklasseformat, als er die Bayern 2006 verließ, in der Premier League konnte Ballack sein Spiel aber im Laufe der Zeit weiter vervollständigen, schneller und präziser machen.

Kaum einen Ball spielt Ballack in der kritischen Zone vor dem gegnerischen Tor mit mehr als einem Kontakt. Im Gegensatz zu den teilweise immer noch zu verschnörkelten Piotr Trochowski oder Bastian Schweinsteiger.

Antizipation und Handlungsschnelligkeit hat sich der Kapitän nach holprigem Start in England mittlerweile erarbeitet.

Poldi, Lahm und Schweini bleiben Bundesliga treu

Es sind die Dinge, die sich Löw von allen seinen Spielern wünscht, aber nur von den wenigsten bekommt. Das 4:0 gegen Liechtenstein war phasenweise ganz nett anzusehen, aber eben auch noch Welten von dem entfernt, was Löw als Idealbild der DFB-Auswahl sieht.

Schweinsteiger und Philipp Lahm standen vor der Saison vor einem Wechsel ins Ausland. Beide ließen sich von Klinsmann aber doch noch überreden, bei den Bayern den Weg mitzugestalten, der woanders längst geebnet wurde.

Deutschland zu Gast in Wales: Jetzt auch unterwegs top-informiert sein!

Lukas Podolski zieht es im Sommer vor, wieder zurück zum 1. FC Köln zu gehen. Dem derzeitigen Tabellen-Elften der Bundesliga. Trotz einiger Angebote aus dem Ausland.

Beim letzten deutschen WM-Triumph 1990 standen im Finale von Rom übrigens sechs Spieler mit Auslandserfahrung in der Startelf...

Lahm: "Qualitative Unterschiede zu den Spaniern"

Lahm kokettierte lange mit einem Wechsel zum FC Barcelona. Wie oft wird er darüber nachdenken, wie er sich beim derzeit besten Team der Welt wohl entwickelt hätte? So bleibt Lahm vorerst nur Bewunderung für den Fußball des Europameisters.

"Wenn wir das Spiel der Spanier mit unserem vergleichen, dann gibt es einfach qualitative Unterschiede, die nicht wegdiskutiert werden können", sagte Lahm der "Welt".

"Auch im Defensivverhalten sehe ich bei uns noch Potenzial. Wenn wir uns Spanien anschauen, auf welcher Höhe sie bereits die Gegner angreifen, mit wieviel Mann sie bei Ballverlust sofort hinter dem Ball stehen, dann ist das eben ein Unterschied."

Nur England hinkt Deutschland hinterher

Weltmeister Italien hat sechs Nationalspieler außerhalb der Serie A, Europameister Spanien genau so viele, die ihr Geld nicht in der Primera Division verdienen und in der WM-Qualifikation am Ball sind.

Von allen Teams, die in Europa die WM-Teilnehmer ausspielen, sind nur bei den Engländern weniger Spieler im Ausland aktiv als für Deutschland - David Beckham steht noch immer bei LA Galaxy unter Vertrag.

Im krassen Gegensatz dazu stellt sich der nächste Gegner der Deutschen dar. In John Toshacks Team steht nicht ein einziger Spieler, der sein Geld in der Welsh League verdient. Selbst die vierte englische Liga wird der heimischen vorgezogen.

Wales deutlich vor Deutschland

Das hat mit den amateurhaften Strukturen in Wales zu tun, mit dem sagenhaft miesen Schnitt von 287 Zuschauern pro Erstligaspiel und natürlich mit dem Vielfachen an Gehalt, das man drüben in England verdienen kann.

Aber es hat auch damit zu tun, dass die beste Liga der Welt vor der Haustür ihre Tore weit geöffnet hat - und die Bellamys, Ricketts, Ramseys oder Bales schon im Jugendalter einfach durch gehen.

In der Beziehung hat Wales dem großen Deutschland tatsächlich etwas voraus.

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