Nur der Bundestrainer entscheidet

Von Für SPOX bei der Nationalmannschaft: Stefan Rommel
Im Nationalteam verschieben sich die Machtverhältnisse
© Imago

Im DFB-Team verschieben sich vor dem ersten Länderspiel des Jahres die Machtverhältnisse. Einige Spieler streben auf, für andere wird es eng. Der Bundestrainer ist darüber glücklich.

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Eigentlich ist das leidige Thema längst vom Tisch. Der als Burgfrieden in die jüngere Vergangenheit der deutschen Nationalmannschaft eingegangene Konsens zwischen Kapitän Michael Ballack auf der einen und Bundestrainer Joachim Löw und Teammanager Oliver Bierhoff auf der anderen Seite.

Letzten Oktober wurde der öffentlich ausgetragene Konflikt offiziell begraben. Seitdem herrscht offenbar wieder jene Harmonie, die eine auf die Insignien Teamgeist und Zusammenhalt eingeschworene Einheit auszeichnet.

Platzhirsche im Sog

Ballacks Kritik war aber auch der Anstoß für eine neue Entwicklung innerhalb der Mannschaft, die vor dem ersten Länderspiel des Jahres 2009 gegen Norwegen in Düsseldorf (Mi., ab 20.15 Uhr im LIVE-TICKER) ihre ersten Strahlen an die Öffentlichkeit wirft.

Ballack gilt als voll rehabilitiert und aus seinem Exil befreit, in das sich der Kapitän mit seinen beherzten Aussagen selbst manövriert hatte. Die Nachwehen des kleinen Bebens damals treten aber erst jetzt zu Tage.

Im inneren Fluss der Nationalmannschaft verschieben sich momentan die Machtverhältnisse wie große Erdplatten. Einige Platzhirsche sind mittendrin im Sog und kämpfen um ihr altes Revier - so sie denn dürfen.

Allen voran Torsten Frings. Der Bremer hat in seinem Standing gelitten. Frings war nach der Europameisterschaft zunächst außer Form und aus der ersten Elf und sprang dann seinem Kompagnon Ballack bei dessen Kritik am Bundestrainer helfend zur Seite.

Metzelder im Abseits

Gleich nach der EM hatten Frings' Kronprinzen Thomas Hitzlsperger und Simon Rolfes ihre gewohnt reservierte Haltung aufgegeben und in einer Art Staatsstreich selbst den Konkurrenzkampf um den Platz im zentralen Mittelfeld neben Ballack ausgerufen.

Frings konterte mit Worten - und handelte sich damit einen ordentlichen Rüffel von Löw und Präsident Dr. Theo Zwanziger ein. Seitdem steht der ehemals sakrosankte Frings auf der Kippe, sowohl sportlich als auch in der teaminternen Hierarchie holt die Konkurrenz zum Bremer auf. Oder hat ihn schon überholt.

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Gleiches gilt für Christoph Metzelder. Der Innenverteidiger spielt im Moment auf Grund seiner unbefriedigenden Situation bei Real Madrid in Löws Planungen keine Rolle und scheint so weit entfernt von der Mannschaft wie noch nie. Obwohl Metze entgegen seiner Gewohnheit jetzt schon längere Zeit am Stück verletzungsfrei ist.

Die Nachrücker für Frings oder Metzelder im internen Ranking stehen schon bereit. Natürlich hat deren Wort immer noch Gewicht, neben den beiden Granden spült der Prozess aber auch eine ganze Reihe von Spielern an die Oberfläche, die an der Schwelle zum Führungsspieler stehen. Und 2009 den endgültigen Schritt in die oberste Kaste des DFB-Teams machen sollen.

Schweini: "Ballack wird unser Spiel weiter prägen"

"Nach einem großen Turnier wie einer Europameisterschaft gibt es immer Veränderungen innerhalb der Struktur einer Mannschaft. Das ist ein ganz normaler Prozess", sagte Löw auf der Pressekonferenz am Dienstag in der Mercedes-Benz-Niederlassung Rhein-Ruhr in Düsseldorf.

"Spieler wie Philipp Lahm, Per Mertesacker oder Bastian Schweinsteiger streben auf und lernen immer mehr, Verantwortung zu übernehmen. Das zeigen sie mir auf und neben dem Platz." So richtig öffentlich wird die angeblich typisch deutsche Diskussion über Hierarchien und Führungsspieler nicht geführt. Dafür hat der Konflikt zwischen dem Bundestrainer und seinem ersten Ansprechpartner Ballack zu viel verbrannte Erde hinterlassen.

"Ich erwarte keine Hierarchieprobleme oder -änderungen in der Nationalmannschaft. Michael Ballack und Torsten Frings sind für uns sehr wichtig. Ballack ist Stammspieler bei Chelsea. Er wird unser Spiel weiter prägen", sagt etwa Bastian Schweinsteiger im Gespräch mit SPOX. "Ich habe vollstes Vertrauen in den Bundestrainer, dass er die richtigen personellen Entscheidungen treffen wird."

Mertesacker bereit für mehr Verantwortung

Und trotzdem denkt der eine oder andere schon daran, in Zukunft mehr in die Verantwortung zu drängen. "Wenn man eine bestimmte Anzahl an Länderspielen hat und schon länger dabei ist, macht man sich natürlich Gedanken darüber, wie man der Mannschaft in allen Bereichen - nicht nur auf dem Platz - weiterhelfen kann", sagt Per Mertesacker.

Der Bremer ist einer derjenigen, die den nächsten Schritt machen müssen und auch machen wollen. Ganz ohne Krawall, sondern mit Bedacht. "Damit sind wir in der Nationalmannschaft schon immer gut gefahren. Das wird auch in dieser Beziehung so sein. Ich bin bereit, meinen Teil so wie bisher beizutragen. An meinem Auftreten werde ich dabei aber bestimmt nichts ändern. Egal, ob auf oder neben dem Platz."

Löw legt sich fest: Adler gegen Norwegen im Tor

Nur Löw trifft Entscheidungen

Sein Chef nimmt so das wohlwollend zur Kenntnis. "Ich brauche Spieler, die die Verantwortung auch übernehmen wollen."

Löw lässt viele Strömungen zu und gewährt aufstrebenden Akteuren auch den Freiraum zur Entfaltung bzw. lässt dem Selbstreinigungsprozess seinen Lauf. Bis zu einem gewissen Grad.

Denn beim Angriff auf diese eine, für ihn in Stein gemeißelte Hierarchie, lässt Löw spätestens seit den Streitereien im Herbst vergangenen Jahres keinen Spielraum mehr: Er ist der Bundestrainer und damit der Chef. Und nur der Chef entscheidet.

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