Roberts große Chance

Von Stefan Rommel
robert enke, andreas köpke, tim wiese, nationalmannschaft, dfb-team, torhüter, deutschland
© Getty

München/Nürnberg - Andreas Köpke muss ein glücklicher Mann sein.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Der 46-Jährige ist bekanntermaßen als Torwarttrainer beim Deutschen Fußball-Bund angestellt. Bundestorwarttrainer lautet dementsprechend seine offizielle Berufsbezeichnung, kurz BTT.

Früher hieß der BTT auch mal Sepp Maier und unter Maier gab es eine klare Hierarchie. Es gab die Nummer eins und die zwei und um die Nummer drei durften sich ein paar ambitionierte Vertreter der Gilde balgen.

Alles kann, nichts muss

Seit Maier aber nicht mehr beim DFB arbeiten darf weil er vom damaligen Bundestrainer Jürgen Klinsmann humorlos durch Köpke ersetzt wurde, hielt auch eine neue Philosophie bei der deutschen Vorzeigeposition Einzug.

Alles kann, nichts - oder besser: keiner - muss. Seit vier Jahren entbrennt in schöner Regelmäßigkeit ein offenes Rennen um den Job im deutschen Tor. Kahn gegen Lehmann, ein Fest für die Presse.

Da wurde gekeift und ausgeteilt, der Maier-Sepp grätschte alle paar Wochen verbal dazwischen und am Ende überholte Lehmann dann doch Kahn und spielte eine überragende WM.

Vor der EM in Österreich und der Schweiz entfachte eher ungewollt eine große Torhüterdiskussion, weil die bis dahin unumstrittene Nummer eins Lehmann eine schlimme Arbeitssperre von dessen Vereinstrainer Arsene Wenger auferlegt bekam und plötzlich das Begriffspaar "fehlende Spielpraxis" fast ein Jahr lang die Schlagzeilen bestimmte.

Schon wieder Konkurrenzkampf

Die Tatsache, dass Köpke sich während der EM immer wieder drückte, eine klare Nummer zwei hinter Lehmann zu bestimmen, bringt jetzt nach Lehmanns Rücktritt den dritten Torwart-Disput binnen vier Jahren ins Rollen.

"Im Moment haben wir im Tor einen offenen Konkurrenzkampf", meinte Köpke vor dem Testspiel gegen Belgien in Nürnberg (ab 20.45 Uhr im SPOX-Ticker). "Sobald wir das Gefühl haben, dass einer unsere Nummer eins ist, werden wir uns auch festlegen und diesem Torwart bedingungslos den Rücken stärken." Die Nachrückerregelung gilt nicht. Sie kann gar nicht gelten.

Früher fristete die Nummer zwei im Schatten des Stammkeepers sein Dasein - mit der Gewissheit, dass ein Rücktritt oder eine langwierige Verletzung der Nummer eins den sicheren Aufstieg bedeutet.

"Wir haben jetzt aber nicht die Situation wie früher schon häufiger, dass eine langjährige Nummer zwei zur Nummer eins aufrückt", beschrieb Köpke den Stand - und diesen will er offenbar auch in der anstehenden WM-Qualifikation beibehalten.

Ein Risiko bleibt

So steht für die Torhüter-Nation Deutschland erneut fest, dass ein sehr guter Keeper im Tor stehen wird - wer das allerdings sein wird, bleibt wohl bis zum Weltturnier 2010 in Südafrika offen.

Ein kleines Vabanquespiel für die sportliche Leitung. 2006 musste sich Deutschland als Gastgeber nicht qualifizieren und konnte in Ruhe testen und probieren. Durch die EM-Qualifikation marschierte die DFB-Elf fast problemlos, die Diskussionen um Lehmann entbrannten erst nach der geschafften Qualifikation so richtig.

In der WM-Qualifikationsgruppe warten immerhin die aufstrebenden Russen als härtester Gegner im Kampf um Platz eins, der die direkte Qualifikation bedeutet. Der Zweitplatzierte muss in die unangenehmen Playoffs.

Enke und Adler mit Bonus

Köpke spielt bei seinem Auswahlverfahren immerhin in die Karten, dass es sich bei seinen Auserwählten größtenteils um pflegeleichte Exemplare der oft als schwierig geltenden Spezies Torhüter handelt. Das ist ein großer Vorteil.

Das weiß auch Bundestrainer Joachim Löw, der in Robert Enke und Rene Adler zwei Gesetzte sieht. "Beide haben während der sechs Wochen bei der EM einen hervorragenden Eindruck hinterlassen und daher einen kleinen Bonus."

Enke wie immer gelassen

Die erste Chance zur Bewährung erhält nun also Enke. "Das ist sicherlich auch dadurch bedingt, dass Rene Adler, Manuel Neuer oder Roman Weidenfeller verletzt sind", sagte aber Köpke und bringt damit neben dem für Adler nachnominierten Tim Wiese gleich noch zwei Namen ins Spiel.

Der Hannoveraner Enke sieht seine große Chance, bleibt aber vor seinem zweiten Länderspiel gewohnt gelassen. "Ich war die Nummer zwei bei der EM, ohne dass ich daraus irgendeinen Anspruch abgeleitet hätte. Wenn ich aber nun die Möglichkeit bekommen sollte, zwei, drei Spiele am Stück zu machen, dann ist das eine große Chance für mich. Und die will ich nutzen."

Die voraussichtlichen Aufstellungen:

Deutschland: Enke - C. Fritz, Tasci, Westermann, Lahm - Schweinsteiger, Rolfes, Hitzlsperger, Podolski - Klose, Gomez

Belgien: Stijnen - Gillet, van Buyten, van Damme, Hoefkens - Witsel, Simons, Defour, Goor - Sonck, Vandenbergh

Andere wichtige Testspiele:

19.15 Uhr: Russland - Niederlande

20.15 Uhr: Dänemark - Spanien

20.45 Uhr: Italien - Österreich

21.00 Uhr: England - Tschechien

21.00 Uhr: Schweden - Frankreich

Artikel und Videos zum Thema