PSG nach dem Champions-League-Aus gegen Real: Es zünden nur die falschen Kracher

Lange Gesichter: Für Cavani, Marqhinhos, Alves (v.l.) und Co. ist die CL-Saison vorbei.
© getty

Paris Saint-Germain erweckte zu keinem Zeitpunkt des Achtelfinal-Rückspiels der Champions League gegen Real Madrid den Eindruck, als könnte ein Weiterkommen gelingen. Die 1:2-Niederlage und das damit einhergehende Aus werden wohl gleichbedeutend sein mit Unai Emerys Aus als PSG-Trainer.

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Im Fachjargon werden besonders teure oder überraschende Vereinswechsel von Fußballspielern gerne Transferkracher genannt, und davon tätigte PSG zuletzt bekanntlich einige. An diesem Dienstagabend Anfang März zündeten sie aber alle nicht. Die Transferkracher animierten die Fans nicht zum Jubeln und stattdessen zündeten diese eben ihre eigenen Kracher, pyrotechnische.

Einer nach dem anderen war im Laufe der zweiten Halbzeit zu hören und manchmal auch mehrere gleichzeitig. Von den abwechselnd in grauen Rauch und orangenes Glühen gehüllten Rängen hallten sie herüber. Diese Kracher waren die Begleitmusik zu Paris Saint-Germains erneut frühem Untergang in der K.o.-Runde der Champions League. Dem sechsten in sechs Jahren, diesmal vollzogen von Real Madrid.

Das Kommando zum Neymar-Transfer

2011 war die Investorengruppe Qatar Sports Investments nach Paris gekommen, um aus dem dahinsiechenden PSG den besten Verein Europas zu machen. Von Jahr zu Jahr investierte Präsident Nasser Al-Khelaifi mehr Geld in die Erfüllung dieses Wunsches. Aber nach viermaligem Aus im Viertelfinale scheiterte PSG in der vergangenen Saison im schon jetzt legendären Spiel gegen den FC Barcelona bereits im Achtelfinale.

Für die Besitzer von PSG war diese Demütigung das Kommando zum größten aller Transferkracher: Neymar! 222 Millionen Euro! Weltrekord! In der diesjährigen Champions-League-Gruppenphase zahlte es sich noch aus, PSG feierte Schützenfest in Serie und qualifizierte sich sogar vor dem FC Bayern München für das Achtelfinale.

Doch dort bekam PSG den Titelverteidiger zugelost, den Klub, den es zu beerben galt: Real Madrid. Eigentlich war alles bereitet für die Machtübernahme, doch schon das Hinspiel ging trotz zwischenzeitlicher Führung mit 1:3 verloren.

Beim Rückspiel dann fehlte Neymar verletzt und sein Fehlen sorgte für noch mehr Trubel als seine Anwesenheit zuvor. "Neymar hier, Neymar da, Neymar überall", klagte sein Kollege Presnel Kimpembe vor dem Spiel. "Ich weiß nicht mehr, was ich dazu sagen soll." Während dem Showdown war Neymar aber weder hier noch da, sondern offenbar in seinem Luxusanwesen in Mangaratiba nahe Rio de Janeiro. Von dort sah er, wie all die anderen Kracher versagten.

Die PSG-Bilanz seit 2011

SaisonLigue 1PokalLigapokalAbschneiden im Europacup
2011/12ZweiterViertelfinaleAchtelfinaleEL-Gruppenphase
2012/13MeisterViertelfinaleViertelfinaleCL-Viertelfinale
2013/14MeisterSechzehntelfinaleSiegerCL-Viertelfinale
2014/15MeisterSiegerSiegerCL-Viertelfinale
2015/16MeisterSiegerSiegerCL-Viertelfinale
2016/17ZweiterSiegerSiegerCL-Achtelfinale
2017/18???Halbfinale (18.4. gegen Caen)Finale (31.3. gegen Monaco)CL-Achtelfinale

Gegen die Ansage des Banners

Angel Di Maria, einst für 63 Millionen Euro gekommen? Vertändelte wieder und wieder und verlor den Ball rekordverdächtige 27 Mal. Kylian Mbappe, in einem dubiosen Konstrukt für 180 Millionen Euro von der AS Monaco gekommen? Erschien einmal, in der 44. Minute, gefährlich im Strafraum von Real. Und schoss dann aus spitzem Winkel Keeper Keylor Navas an, statt auf den viel besser postierten Edinson Cavani abzulegen. Zu eigensinnig.

"Ensemble on va le faire", ließ der Klub vor dem Spiel von einem riesengroßen Banner von der Gegentribüne aus verlauten. "Zusammen schaffen wir es." Aber ein Zusammen war auf dem Platz nie zu spüren. Es schien, als liefen da lauter Egos umher, die sich darum duellierten, wer in Abwesenheit des größten Egos das Kommando innehabe.

Cavani, einst für 65 Millionen Euro gekommen, vielleicht? Nein, er zeigte eine groteske Vorstellung. Von zwölf Zweikämpfen gewann er einen und ansonsten schimpfte und meckerte er so energisch vor sich hin, dass seine Haare beim ganzen Kopfschütteln nur so um seinen Kopf rotierten. Übertroffen wurde er in dieser Disziplin lediglich von Marco Verratti. Er hat wegen seiner Kurzhaarfrisur zwar keine rotierfähigen Haare, meckerte dafür in der 66. Minute so energisch, dass er dafür vom Platz gestellt wurde.

Cavani erzielte kurz darauf immerhin den zwischenzeitlichen Ausgleich, doch viel konnte er dafür nicht. Aus kürzester Distanz hatte ihn Reals Casemiro per Knie angeschossen und er keine Möglichkeit mehr auszuweichen.

Draxlers offene Kritik an Trainer Emery

Konsequenzen hatte dieses Zufallstor für Julian Draxler, einst für 40 Millionen Euro gekommen und zu Spielbeginn nur auf der Bank. Er hatte sich kurz vor Cavanis 1:1 zur Einwechslung bereit gemacht, doch dann überlegte es sich PSG-Trainer Unai Emery anders. Draxler musste sich wieder setzen und kam erst fünf Minuten später. "Es war unsensibel und ich habe es auch nicht ganz verstanden", sagte er danach: "Ich war überrascht und auch ein bisschen sauer über die Entscheidung."

Mit diesen Aussagen kritisiert Draxler seinen Chef offen. Viel Mut brauchte es dafür aber nicht, denn Emerys Ende ist ohnehin absehbar. Dieses Aus von PSG in der Champions League wird wohl gleichbedeutend sein mit Emerys Aus als PSG-Trainer. Meistertitel und Pokalsiege reichen nämlich nicht mehr. Es soll der Henkelpott sein. Es muss der Henkelpott sein.

Mit der Ausrichtung, die Emery seiner Mannschaft gegen Real gab, machte er aber nicht den Eindruck, als glaube er an sie - oder an den Gewinn des Henkelpotts mit ihr. Mindestens zwei Treffer hätte PSG für ein Weiterkommen gebraucht, aber es gelangen lediglich drei Schüsse aufs Tor. PSG hatte zwar annähernd gleich viel Ballbesitz wie Real, aber zwingende Chancen spielte sich die Mannschaft keine heraus.

"Du musst Real Madrid unter Druck setzen, wenn du 3:1 hinten liegst, und nicht ein bisschen den Ball hin- und herschieben und hoffen, dass ein Tor fällt", sagte Draxler. "Wir hätten von Anfang an Druck machen müssen, aber das haben wir nicht getan und deshalb sind wir auch verdient ausgeschieden."

Es ist ein Ausscheiden, das nach einer Zäsur schreit. "Wir werden uns in der Kabine unterhalten", sagte Präsident Al-Khelaifi nach dem Spiel nur und ergänzte: "Wir müssen erstmal zur Ruhe kommen." In seinen Ohren dröhnen ihm wohl noch all die gezündeten Kracher.

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