Kommunikation ist das, was ankommt

Bruno Henrique durfte gegen Real das erste Mal von Beginn an auflaufen
© getty

Bruno Henrique war bei seiner Startelf-Premiere für den VfL Wolfsburg einer der Matchwinner beim 2:0-Sieg über Real Madrid. Seinen Gegenspieler Marcelo trieb er zur Weißglut, seine Familie machte er stolz, für Heckings Matchplan war er die zentrale Figur. Das Verständigungsproblem löst er damit auf seine Art.

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Marcelo rannte und rannte und rannte - ohne Ball. Das nervte ihn schon brutal. Noch nerviger aus der Sicht von Reals Linksverteidiger war aber der Fakt, dass es in seinem Tätigkeitsfeld einen gab, der ihn mehrmals unbeholfen, behäbig und irgendwie auch unfähig aussehen ließ: Bruno Henrique.

Es ist deshalb gar nicht so abwegig, dass Marcelos Entgleisung gegenüber Maximilian Arnold spät im Spiel auch auf dem durch Henrique provozierten Frust aufbaute. So unschön das Nachtreten und der versuchte Kopfstoß von Reals Verteidiger auch waren, für Wolfsburgs Winterneuzugang war es eine weitere Bestätigung seiner herausragenden Leistung - eine von vielen im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League am Mittwoch.

Sein Auftritt war bemerkenswert, gerade wenn man bedenkt, dass der 25-Jährige das erste Mal in einem Pflichtspiel des VfL von Beginn an ran durfte. Auf europäischer Bühne hatte er zuvor noch überhaupt keine Minute gekickt. Dieter Hecking warf ihn ins kalte Wasser. Gegen Real Madrid. Klar.

"Kommuniziere nicht mit ihm"

Henrique war die Personalie des Post-Match-Geredes, das interessante Details zu Tage brachte. Denn: Wirklich viel wusste vorher niemand über den im Januar von Goias EC verpflichteten Flügelstürmer - nicht einmal die Teamkollegen.

Auf die Frage, was er denn überhaupt für ein Typ sei, antwortete Julian Draxler flachsend: "Ich weiß es nicht, er spricht weder ein Wort Deutsch, noch ein Wort Englisch. Es ist schwer, ihn einzuschätzen."

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Spätestens bei Draxlers Antwort auf die Rückfrage, wie das Team dann überhaupt mit dem Neuen kommuniziere, gelang es keinem Anwesenden in der Gesprächsrunde, nicht auch mitzulachen: "Also ich gar nicht mit ihm. Ein bisschen Zeichensprache funktioniert hin und wieder, wir haben aber auch genug Brasilianer im Team, die alles übersetzen können. Es ist also nicht so, dass wir nur aneinander vorbei leben, es gibt aber sicher Leute, mit denen ich in Sachen Kommunikation besser gestellt bin", sagte der deutsche Nationalspieler.

Eine Waffe im VfL-Spiel

Was die Leistung des Brasilianers betraf, gab es aber keine zwei Meinungen: "Das war überragend. Er hat keinerlei Respekt gezeigt, war zweikampfstark, blitzschnell nach vorne und noch dazu mit einer Torvorlage. Er hat jetzt mal gezeigt, was er drauf hat und ich hoffe, dass er uns in den nächsten Wochen noch weiterhilft", lobte Draxler überschwänglich.

Vor allem Dieter Hecking sah sich in seinem Matchplan bestätigt: "Wir hatten mit Henrique eine Waffe im Spiel, die Real nicht auf der Rechnung hatte." Man konnte dem Coach nur zustimmen: Die Königlichen schienen sich überhaupt nicht auf Henrique eingestellt zu haben. Gerade dessen Tempo und Zielstrebigkeit über die Außenbahn unterschätzten die Madrilenen maßlos - allen voran Zidane, der seine Verteidiger wieder extrem weit aufrücken ließ.

"Er hat einen neuen Impuls gesetzt. Wir konnten die Spieleröffnung oft über ihn machen. Er hat mit seiner Schnelligkeit eine Menge bewegen können", stimmte auch Klaus Allofs in die Lobeshymnen mit ein, der Einblicke in Henriques Start in Deutschland gab: "Als er zu uns kam, hat er erst einmal alles mit großen Augen angeschaut und war sehr zurückhaltend. Durch seine Einsätze hat er in den letzten Tagen auch neuen Mut geschöpft. Von daher war es konsequent, ihn heute zu bringen."

Ruhig, gelassen, furchtlos

"Ich habe hart gearbeitet, um eine Möglichkeit in der Startelf zu erhalten. Als ich erfahren habe, dass ich spiele, war die Vorfreude sehr groß. Ich komme aus Brasilien und stehe dann gegen Real Madrid auf dem Platz, das ist etwas ganz Besonderes", ließ Henrique über sein Sprachrohr Naldo ausrichten.

Sein größerer Landsmann gab in der Mixed Zone den Übersetzer und hatte sichtlich Spaß daran. Henrique selbst aber wirkte genauso ruhig und gelassen wie auf dem Platz. Als hätte er gerade einen Routine-Einsatz hinter sich gebracht, kein Grund zur Aufregung.

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Auf die Frage, ob er keine Angst hatte vor Ronaldo, Bale oder Benzema, erwiderte er mit einer selbstverständlichen Leichtigkeit: "Angst hatte ich keine. Es ist klar, dass diese Topspieler gefährlich sind. Ich habe aber so viel Unterstützung von der Mannschaft erhalten und einfach versucht, meine Leistung auf den Platz zu bringen."

Hecking erschafft neuen Fan-Liebling

Im vielleicht wichtigsten Spiel der Vereinsgeschichte setzte Hecking nicht auf Kruse, sondern auf ein unbeschriebenes Blatt. Es war mutig, aber womöglich die beste Entscheidung, die er treffen konnte. Dem Trainer ist nicht nur für das Viertelfinal-Duell ein großer Coup gelungen - er hat wohl auch einen neuen Fanliebling geschaffen.

Laute "Bruno, Bruno"-Rufe schallten durch die stimmungsvolle Volkswagen Arena, als Henrique nach fast 80 Minuten ausgewechselt wurde. "Das war ein tolles Gefühl, gerade gegen Real Madrid. Ich werde es nicht vergessen, diese Erinnerung bleibt für alle Zeit", schwärmte er von seinem persönlichen Moment, als er vom Platz marschierte.

Ganz so ruhig, wie sich der Mann des Tages mehrere Minuten lang vor den Mikros gab, war er innerlich aber dann wohl doch nicht: "Ich renne gleich in die Kabine und schaue auf mein Handy. Bestimmt sind da viele Nachrichten und Glückwünsche von der Familie drauf." Und plötzlich grinste er mit einem Funken Emotionalität in den zuvor sehr fixierten Augen.

Wenige Augenblicke später war er dann auch verschwunden - und er hatte Eindruck hinterlassen. Kommunikation ist eben nicht nur auf Sprache begrenzt. Sie ist das, was ankommt.

Bruno Henrique im Steckbrief