Die goldrichtige Entscheidung

Arjen Robben traf mit seiner ersten Aktion nach seiner Einwechslung zum 4:0
© getty

Der FC Bayern ist nach dem 5:1 gegen Arsenal auf dem besten Weg ins Achtelfinale der Champions League. 45 Minuten lang war es eine Machtdemonstration, der Rest ein Auslaufen. 45 Minuten genügten allerdings, um der Welt zu zeigen, welches Potenzial in der Mannschaft steckt. Die Basis für den Erfolg ist für Pep Guardiola aber recht einfach.

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Nun, es war nicht der schwierigste Ball seiner Karriere. Aber auch nicht der einfachste. Vielleicht hatte Xabi Alonso diese Situation schon hunderte Male erlebt. Ballgewinn in der eigenen Hälfte. Das Spielgerät war nicht kontrolliert, das heißt es lag nicht sauber auf dem Fuß des Spielers, sondern auf Höhe der Hüfte.

Alonso ließ einmal abtropfen, hob die Kugel vor dem zweiten Bodenkontakt mit dem Innenrist seitlich zu David Alaba. Der konnte den unsauber gespielten Ball nicht sofort kontrollieren, musste korrigieren, sprich: Es dauerte zu lange.

Thiago Alcantara war nur wenige Schritte weg, sah sich das Szenario aus nächster Nähe an und wurde richtig sauer. Der Spanier stampfte auf den Boden, ballte die Faust. "Was soll dieser Ball, Xabi?", schien er zu sagen. Wenige Augenblicke später war das Spiel vorbei. 5:1 (3:0) gegen den FC Arsenal. Fünf Tore gegen einen Gegner, der die Bayern vor zwei Wochen noch besiegt hatte.

"Nicht zu verteidigen"

Normalerweise hätten die Bayern da längst in Partylaune sein müssen. Auch Xabi Alonso, der zwar in dieser Szene nicht sauber gespielt hatte, aber mit einer überragenden Quote von 95,7 Prozent an erfolgreichen Pässen der beste Mann in dieser Disziplin war. Übrigens deutlich besser als "Motzki" Thiago, der "nur" auf 90,4 Prozent kam.

Aber es zeichnet diese Bayern eben aus, dass sie unabhängig von Spielstand, Gegner und Wettbewerb immer nur das eine wollen: Natürlich in erster Linie gewinnen, das ist klar. Wer will das nicht? Aber nein, die Bayern wollen spielen, einfach nur spielen.

"Meine Spieler haben sich entschieden, Fußballer zu werden wegen des Balles und nicht, um Leichtathletik zu betreiben, um zu hüpfen, um zu springen oder nur um zu laufen. Sie spielen, um den Ball zu haben", sagte Guardiola kurz vor Mitternacht.

Die Entscheidung jedes einzelnen Bayern-Spielers war goldrichtig, wenn man sieht, wie sie dieser Intention folgen.

Die ersten 45 Minuten gegen Arsenal waren eine Machtdemonstration des FC Bayern. Arsene Wenger beorderte Torhüter und neun Spieler in und um den eigenen Strafraum und die Bayern schossen dennoch 15 Mal aufs Tor - und die meisten Versuche waren richtig gefährlich. "Einfach nicht zu verteidigen", nannte Per Mertesacker nach dem Debakel sichtlich gezeichnet das Geschehene. "Richtig gut gespielt", bezeichnete es Manuel Neuer und untertrieb mal wieder.

Jeder durfte mal

Aber die Bayern wären nicht Bayern, wenn sie nicht der zweiten Hälfte in ihrer Beurteilung mehr Gewicht verleihen würden. "Wir hatten zu viele Ballverluste und mussten teils 40 Meter zurücklaufen", kritisierte Thomas Müller. Auch Guardiola beklagte Ballverluste, gerade von seinen ballsicheren Spielern wie Thiago, Alonso, aber auch Douglas Costa. Aber dann, irgendwann, begannen die Bayern den Ball nicht mehr zu verlieren und marschierten und marschierten und marschierten.

Arsenals Gabriel Paulista dürfte an diesem Abend bereut haben, im letzten Winter den FC Villarreal verlassen zu haben und zu Arsenal zu gehen. Wobei: Dort hatte es der Brasilianer mit Messi und Ronaldo zu tun. Hier waren es dann Robert Lewandowski, Müller, Kingsley Coman, Costa und später Arjen Robben und Arturo Vidal. Jeder durfte mal, jeder machte mit.

Die Emotionen kochten hoch, die Bayern entwickelten Chancen und Spaß. Ob es die besten Bayern sind, die er je trainiert hat, war die Frage am Mittwoch. Und Pep sagte ohne Verzögerung: "Ja!" Denn: "Die Menschen denken, ich kenne die Mannschaft auswendig, bevor ich da bin. Nein, ich musste meine Spieler kennenlernen und ich kenne sie jetzt besser als am Anfang." Und sie kennen ihren Trainer und setzen dessen Vorgaben teils brillant um.

Sammer: keine Superlative

Und natürlich kommen jetzt schon wieder die Fragen auf, wer denn die Bayern auf dem Weg zum Titel in der Champions League stoppen könnte. Und sitzt man wie an diesem Mittwochabend bei angenehmen Temperaturen in der Allianz Arena, sieht zu, wie die Bayern ihren Gegner, der nun sicherlich qualitativ zu den besten Teams Europas gehört, dermaßen hilflos aussehen lassen, ertappt man sich schnell dabei zu antworten: niemand.

Aber dieser Eindruck drängte sich auch in den vergangenen beiden Jahren auf und dann gab es zwei Mal ziemlich ungemütliche Halbfinalrunden, in denen die Bayern erst an Real Madrid, dann am FC Barcelona letztlich deutlich scheiterten.

Genau deshalb will Sportvorstand Matthias Sammer im November "noch keine Superlative" hören. Die Bundesliga, so wiederholte Sammer eine alte Aussage am Mittwoch wieder, sei ein Marathon, die Champions League ein 10.000-Meter-Lauf und man sei erst am Anfang.

Die ersten paar hundert Meter sind allerdings vielsprechend, die Bayern auf Kurs. Und wenn Xabi Alonso statt 95,4 Prozent auf 100 kommt, ist auch Thiago zufrieden.

FC Bayern - FC Arsenal: Die Statistik zum Spiel

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