Stolz und Vorurteil

Jose Mourinho (r.) gratuliert seinem Kollegen Jens Keller zum Punktgewinn
© getty

Der FC Schalke 04 hat alle seine Kritiker mal wieder Lügen gestraft und beim FC Chelsea einen ganz wichtigen Punkt geholt. Trotz der vielen verletzten und angeschlagenen Spieler bewies das Team von Jens Keller großen Kampfgeist und Moral - nicht zum ersten Mal.

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Die Wettquoten dürften vor dem Spiel nicht besonders hoch gewesen sein. Viele rechneten mit einer Niederlage der Schalker in London. Einige hatten Angst vor einer richtigen Klatsche, befand sich der FC Chelsea nach zehn Toren allein in den letzten beiden Premier-League-Spielen doch in absoluter Topform.

Es lief die 10. Minute an der Stamford Bridge, als sich Max Meyer den Ball gut 30 Meter vor dem eigenen Kasten abholte. Der Pass auf den 18-Jährigen war nicht ganz sauber gespielt. Meyer drehte sich in Richtung gegnerisches Tor, die Kugel sprang ihm ein wenig zu weit vom Fuß.

Cesc Fabregas ging energisch dazwischen. Über Eden Hazard kam der Ball zurück zu Fabregas, der sich frei stehend vor Ralf Fährmann die Chance zum 1:0 für Chelsea nicht entgehen ließ.

Ayhan als Abwehrchef

Auch wenn der kroatische Schiedsrichter Ivan Bebek Fabregas' Einsatz gegen Meyer hätte abpfeifen müssen, sahen sich die Wettanbieter wohl bestätigt.

Ein denkbar schlechter Auftakt für Königsblau in der Champions League. Verletzungssorgen en masse, Selbstvertrauen im Keller und nun mit 0:1 bei den Blues in Rückstand. Nicht wenige gingen ab der 10. Minute davon aus, dass sich der FC Schalke seinem Schicksal ergeben werde. Es wäre nicht überraschend gewesen.

Was sollte man schon auch holen? Die komplette Viererkette fehlte verletzt, Kevin-Prince Boateng war ebenso angeschlagen ins Spiel gegangen wie Julian Draxler. Roman Neustädter musste in der Innenverteidigung aushelfen, Kaan Ayhan gab mit 18 Jahren den Abwehrchef. Auf links verteidigte der eigentlich aussortierte Christian Fuchs. Wenige im Stadion gaben noch einen Pfifferling auf die Blau-Weißen - außer vielleicht einige der mitgereisten Fans, die ihr Team bedingungslos unterstützen.

Nach gut einer halben Stunde kam Schalke allerdings besser ins Spiel, in der 38. Minute gab es eine Szene mit Symbolcharakter: Boateng bekam den Ball 20 Meter vor dem Tor auf den Schlappen, fackelte nicht lange und sorgte so für die erste richtige Schalker Chance. Das Hallo-Wach-Siegnal. Boateng, der sich zuvor schon mehr schlecht als recht über den Platz geschleppt hatte, humpelte danach noch mehr.

Draxler und Boateng als Musterbesipiel

"Er ist angeschlagen, macht aber weiter. Da muss er jetzt halt durch", sagte Co-Trainer Sven Hübscher in der Pause. Jens Keller konnte auch nicht groß wechseln und so quälte sich Boateng über die 90 Minuten, blieb unauffällig, stellte sich aber in den Dienst der Mannschaft.

Das galt auch für Julian Draxler, der den Ausgleichstreffer in der 62. Minute mit einem robusten Antritt vorbereitete - zuvor hatte sich Klaas-Jan Huntelaar den Ball tief in der eigenen Hälfte erkämpft.

"Es macht mich wahnsinnig stolz, was die Mannschaft mit all den Problemen, die wir haben, heute geleistet hat. Das ist schon ganz großer Sport gewesen", resümierte Keller nach dem Schlusspfiff euphorisch. "Ich kann gar keinen herausheben, es war von allen ein unglaubliches Spiel."

Wie gegen die Bayern

Schalke stand vor dem CL-Auftakt mal wieder mit dem Rücken zur Wand. Wie schon vor der Partie gegen den FC Bayern, als auch niemand damit rechnete, dass die Knappen ein Unentschieden holen würden, riss sich die Truppe an der Bridge wieder zusammen. Spielerisch war es nicht überragend, aber die Einstellung stimmte.

"Wir haben uns richtig in das Spiel reingekämpft. Am Anfang war es nicht so gut, da hat man gesehen, dass die Mannschaft noch ein bisschen verunsichert ist. Wir haben eine junge Mannschaft, aber ich bin stolz, wie wir das gemacht haben", sagte Huntelaar nach dem Spiel.

Scheinbar tut sich der S04 gegen schier übermächtige Teams leichter. Das Spiel gegen den FC Chelsea war wie eine Wiederholung der Partie gegen die Bayern vor gut drei Wochen. Auch hier lag man früh mit 0:1 zurück, ließ den Kopf nicht hängen und erarbeitete sich Stück für Stück den Glauben an die eigenen Stärken.

Vielleicht war es Boatengs Hammer, der Schalke aufweckte. Vielleicht war es Draxlers Sololauf vor der Pause (45.), der dem Team neues Selbstvertrauen gab - in jedem Fall holte der FC Schalke nicht unverdient einen Punkt beim härtesten Konkurrenten in der Gruppe G und erzielte zudem den ersten Treffer in einem Spiel gegen den FC Chelsea.

Schürrle nur auf der Tribüne

Die Blues auf der anderen Seite können mit dem Ergebnis und der Leistung am Mittwochabend nicht zufrieden sein. Jose Mourinho hatte einigen Spielern eine Pause gegönnt. Diego Costa, Oscar und Cesar Azpilicueta saßen auf der Bank - Andre Schürrle war gar nicht erst in den Kader berufen worden.

"Für uns ist das Ergebnis natürlich unbefriedigend - wir wollten das erste Spiel unbedingt gewinnen, waren aber nicht konsequent genug. Am Ende ist das 1:1 in Ordnung", sagte Schürrle nach dem Spiel.

Schalke warf an diesem Abend alles in die Waagschale. Viel besser hätte man nicht spielen können - und damit ist man in Gelsenkirchen nach den letzten Wochen mehr als zufrieden. Selbst in absoluter Bestbesetzung wäre man mit einem Punkt in London zufrieden gewesen.

Konstanz gefordert

In zwei Wochen geht es für Schalke gegen Maribor, den vermeintlich leichtesten Gegner in der Gruppe. Der FC Chelsea reist zu Sporting Lissabon.

Verschlechtert haben sich die Chancen für S04 garantiert nicht. Denn trotz aller Euphorie gab sich Keller nach dem Spiel auch als Mahner für die nächsten Wochen: "Aber wir müssen jetzt auch eine gewisse Konstanz in unser Spiel bringen."

Am Samstag kommt die Eintracht aus Frankfurt in die Veltins Arena - und noch hat man nach drei Spielen in der Liga nur einen Punkt auf dem Konto. Genauso viel wie in der Champions League. Nur fühlt sich das in der Königsklasse irgendwie besser an.

FC Chelsea - Schalke 04: Die Statistik zum Spiel