Die Außenseiter

Von Stefan Rommel
Trotz einer 1:2-Niederlage im Rückspiel zog der BVB ins Champions-League-Viertelfinale ein
© getty

Trotz des Einzugs ins Viertelfinale der Champions League plagen Borussia Dortmund einige Sorgen. Die Fans sind unzufrieden mit der Leistung gegen St. Petersburg, die Verantwortlichen weisen auf die Verletzungsmisere und die Stärke der möglichen Gegner hin. Dabei macht sich der BVB kleiner als er eigentlich ist.

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Es kommt nicht selten vor, da verlassen Dortmunds Spieler die Mixed Zone im Signal Iduna Park recht flott. Die UEFA verlegt bei ihren Spielen die Interviewzone aus dem Bauch des Stadions hinaus in eine Art Unterführung.

Da stehen der Mannschaftsbus der Gäste, Polizei- und Krankenwagen und einige Privat-PKW, es führt eine richtige Straße hindurch. Und es ist zugig und kalt. Die Spieler müssen einmal den Weg vorbei an den Werbetafeln nehmen, danach bleibt ihnen überlassen, ob sie noch ein wenig reden wollen oder eben nicht.

Nach der Niederlage gegen Zenit St. Petersburg im Achtelfinal-Rückspiel der Champions League, die für den BVB in der Gesamtheit nur ein Ausrutscher war und keine Auswirkungen hatte auf das Vorrücken ins Viertelfinale, gab es erstaunlich viel zu besprechen.

Unzufriedenheit auf den Rängen

Borussia Dortmund hatte das dritte Spiel in Folge keine gute Leistung gezeigt, was zu einigem Murren und Knurren auf der Haupt- und Gegentribüne geführt hatte. Das wiederum fand eine ganze Reihe von Spielern ungerecht. Also sprachen Mats Hummels, Sebastian Kehl, Nuri Sahin, Robert Lewandowski und Kevin Großkreutz die ungewöhnliche Atmosphäre im Dortmunder Stadion an.

Die meisten Vorträge waren nüchtern aber bestimmt vorgetragen. Nuri Sahin aber mischte eine gute Prise Enttäuschung in seine Worte. "Ich will jetzt nichts Falsches sagen, aber ich habe das Gefühl, dass wir uns entschuldigen müssen, dass wir unter den letzten Acht sind. Einige im Stadion hatten das Gefühl, glaube ich und das stört uns. Das stört mich."

Kevin Großkreutz klammerte als ehemaliger Süd-Gänger die Fans in der Kurve noch aus, das war ihm sichtlich wichtig. "Man kann ja über die Ultras sagen was man will. Aber die peitschen uns permanent nach vorne. Von denen kommen keine Pfiffe", sagte Großkreutz. "Die auf der Haupttribüne können ja pfeifen, aber erst nach dem Spiel. Während der 90 Minuten sollten sie uns besser unterstützen."

Mangel an Konstanz

Die "trübe Stimmung" (Sebastian Kehl) schlug so manchem aufs Gemüt. Sie beschreibt aber das Spannungsfeld ganz gut, in dem sich der Klub in diesen Momenten der Saison bewegt. Die Borussia steht in der Bundesliga auf Platz zwei, sie hat das Halbfinale im DFB-Pokal erreicht und dort ein Heimspiel - die Chancen auf einen erneuten Einzug ins Endspiel von Berlin könnten schlechter stehen. Und nun noch der Aufstieg in die Runde der letzten Acht in der Champions League.

Die vordergründigen Ergebnisse stimmen, erste Etappenziele sind erreicht. Hinter den nackten Zahlen laufen einige Dinge aber gar nicht so, wie es sich die Mannschaft, der Trainer, das Umfeld vorstellen.

Der BVB hat in dieser Saison definitiv zu viele verletzte Leistungsträger zu beklagen. In der Liga könnten es gerne ein paar Punkte mehr sein, es fehlt der Mannschaft aber abgesehen von den Verletzten die nötige Konstanz, um sich als stabiles Gebilde zu präsentieren. Die Borussia spielt derzeit nicht den Fußball, den sie sich selbst zum Maßstab gesetzt hat. Womit offenbar nicht jeder Fan gleich gut klar kommt. Und auch nicht jeder Spieler.

Der Verein bewegt sich gefühlt ziemlich am Limit, was zu überzogenen Reaktionen auf vielen Ebenen führt. Unter die eigentlich vorherrschende Zufriedenheit über die alles in allem und, angesichts der Umstände gute Saison mischen sich immer wieder dunkle Flecken.

Ab sofort Außenseiter

Da trifft es sich womöglich ganz gut, dass die Protagonisten gleich unmittelbar nach dem Erreichen des Viertelfinals vehement darauf hinweisen wollten, dass der BVB ab sofort ja nur noch Außenseiter im Konzert der ganz Großen sein soll.

Der BVB, der in den letzten drei Jahren zwei deutsche Meistertitel und einen DFB-Pokal gewonnen hat und der vor nicht einmal einem Jahr ins Finale der Königsklasse eingezogen ist. Und der im abgelaufenen Geschäftsjahr 305 Millionen Euro Umsatz - eine Steigerung im Vergleich zum Vorjahr um unglaubliche 42 Prozent - und 53,5 Millionen Euro Nettogewinn erwirtschaftet hat.

Da mutet Jürgen Klopps Einschätzung etwas krude an, wenn der sagt: "Wenn man sieht, wer im Viertelfinale noch dabei ist - das ist die Creme de la Creme des europäischen Fußballs und wir. Dementsprechend kommen wir da nicht einfach so hin."

BVB macht sich klein

Wenn Klopp das bisher Erreichte aber als Überraschung verkaufen will, ist das allenfalls ein Bruchteil der Wahrheit. Der BVB macht sich nun schon seit Wochen kleiner als er eigentlich ist. "Wenn wir es schaffen sollten, ins Viertelfinale zu kommen, und ich mir dann anschaue, wer dort noch spielt, dann sind wir der totale und komplette Außenseiter - schon allein aufgrund der wirtschaftlichen Parameter", sagte Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke vor ein paar Tagen.

"Wir haben schon das ganze Jahr über große personelle Probleme und wenn du es trotzdem schaffst, in dieses Feld vorzurücken, dann ist das international eine großartige Leistung", sagt Sportdirektor Michael Zorc.

Gegen St. Petersburg fehlten dem BVB Neven Subotic, Ilkay Gündogan, Sven Bender und Marco Reus. Gegen eine Mannschaft, die erst seit kurzer Zeit wieder im regulären Spielbetrieb unterwegs ist und das Hinspiel als erstes Pflichtspiel in diesem Kalenderjahr überhaupt absolviert hat. In der Gruppenphase mit den deutlich stärkeren Gegnern Arsenal und Napoli waren Gündogan, Mats Hummels und Lukasz Piszczek absent.

Klopp stapelt tief

Sicherlich schmerzhafte Verluste, die der Kader von Borussia Dortmund aber auffangen muss. Und auch kann, wie der Einzug in die K.o.-Runde bewiesen hat. Trotzdem stapelt Klopp bereits Minuten nach dem Weiterkommen gegen St. Petersburg wieder tief. "Wir müssen lernen, dass sich ein ganz, ganz großartiger Erfolg auch mal hinter einer Niederlage versteckt", sagte er in Richtung der Fans.

Die Botschaft dahinter ist klar: Wir haben trotz widriger Umstände wieder etwas geschafft, das uns so keiner zugetraut hätte. "Man muss sehen, mit welcher Verletzungsmisere, mit welchen Voraussetzungen wir in diesem Jahr Fußball spielen. Wir sind unter den letzten Acht, das sollte man sich ehrlich mal vor Augen führen und das sollte man auch mal honorieren", sagt Sahin.

Lewandowski mahnt

Nur einer wollte sich nicht einfügen in die allgemeine Zufriedenheit und den Trotz. Robert Lewandowski sah in erster Linie die Leistung der elf Spieler auf dem Platz. Und der Pole sprach das aus, was jeder Beobachter sich dachte. "Wenn wir so spielen, wird es schwer im Viertelfinale. Wir dürfen nicht immer nur die Verletzten thematisieren."

Damit mache es sich die Mannschaft etwas zu einfach. Die Fans machen es sich etwas zu einfach, die durch die Erfolge der letzten Jahre hohe Erwartungshaltung als Gradmesser herzunehmen. Die Verantwortlichen machen sich es etwas zu einfach, permanent die Stärke der Gegner herauszustellen, aber nur selten die der eigenen Mannschaft.

Wenn sich alle Seiten in Zukunft eine Spur einsichtiger geben und wieder aufeinander zu bewegen, findet Borussia Dortmund auch wieder zu gewohnter Stärke. Die Konkurrenz sollte sich von der momentanen Verfassung nur nicht zu arg blenden lassen.

Borussia Dortmund - Zenit St. Petersburg: Daten zum Spiel

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