Barca nach 0:2 gegen Milan vor dem Aus

Von Stefan Rommel / Christoph Köckeis
Kevin-Prince Boateng erzielte das 1:0 für Milan gegen Carles Puyols Barca
© Getty

Dem AC Milan ist im Achtelfinal-Hinspiel gegen den FC Barcelona eine dicke Überraschung gelungen: Die Rossoneri besiegten den haushohen Favoriten mit 2:0 (0:0).

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Kevin-Prince Boateng traf vor 80.000 im San Siro nach 57 Minuten für die Gastgeber. Das Tor sorgte aber für große Aufregung, weil Cristian Zapata unmittelbar davor den Ball mit der Hand weitergeleitet hatte. Neun Minuten vor dem Ende schloss Sulley Muntari einen tollen Konter zum 2:0 ab.

Für Milan war es der erste Heimsieg in dieser Champions-League-Saison überhaupt. Barca hat nun auch im zehnten Pflichtspiel in Folge nicht zu Null gespielt und steht in dieser Verfassung vor dem Aus.

Reaktionen:

Massimiliano Allegri (Trainer AC Milan): "Das war eine sehr gute Leistung meiner Mannschaft. Es ist schon außergeöhnlich, einer Mannschaft wie Barcelona keinen Schuss aufs Tor zu gewähren. Wir hätten mit etwas mehr Klarheit beim Konter durch Traore sogar das dritte Tor erzielen können. Das Rückspiel wird richtig schwer, Barca ist zu Hause eine unheimliche Macht."

Riccardo Montolivo (AC Milan): "Wir haben ein sehr gutes Spiel angeliefert, waren zu jeder Zeit hoch konzentriert. Wir haben die Vorgaben des Trainer fast perfekt umgesetzt. Besonders im Zentrum waren wir stark. Aber Barca ist die beste Mannschaft der Welt, wir müssen im Rückspiel nochmal so eine Leistung abrufen."

Gerard Pique (FC Barcelona): "Das ist ein schlechtes Resultat. Wir haben in der ersten Halbzeit sehr schlecht gespielt. Jetzt wird es schwer. Wir müssen im Rückspiel anders auftreten und hoffen auf die Magie des Camp Nou."

Der SPOX-Spielfilm:

Vor dem Anpfiff: Milan fehlen De Jong, Nocerino, Flamini und Balotelli, der ja bereits für ManCity in dieser Saison aktiv war und deshalb gesperrt ist. Ambrosini und Boateng rücken in die Startelf, ebenso wie Pazzini, der Balotelli als einzige Spitze ersetzt.

Barca in Bestbesetzung. Lediglich Villa ist nicht im Kader, der Torjäger ist aber auch noch nicht wieder bei hundert Prozent.

16.: El Shaarawy spielt eine Ecke kurz an den Fünfer auf Boateng. Der nimmt den Ball halblinks aus acht Metern direkt. Valdes kann nur zusehen, wie sich der Ball knapp am langen Pfosten vorbei senkt.

36.: Ballverlust Barca in der Vorwärtsbewegung. Boateng sieht den gestarteten El Shaarawy. Der Pass aus dem rechten Halbfeld kommt. Acht Meter vor dem Kasten verpasst El Sharaawy aber um Zentimeter.

57., 1:0, Boateng: Freistoß Montolivo aus 30 Metern, der schießt in Zapata den eigenen Mann an. Dem springt der Ball ins Gesicht - kein Handspiel. Drehschuss aus 15 Metern, als Aufsetzer ins linke Eck.

76.: Iniesta wird es jetzt zu bunt. Satter Schuss aus 23 Metern, knapp rechts vorbei.

80.: Freistoß Xavi aus 24 Metern. Gut über die Mauer gezogen, aber einen Meter zu hoch.

81., 2:0, Muntari: Wieder fädelt Montolivo ein. Über Niang kommt der Ball zu El Sharaawy. Der sieht Muntari im Strafraum, lupft rüber. Die komplette Barca-Verteidigung rennt nur noch hinterher. Muntari versenkt das Ding per Volley aus elf Metern im langen Eck.

Fazit: Verdienter Sieg für Milan, das sich zwar hinten einmauerte - aber trotzdem vorne die besseren Chancen hatte. Barca mit einem ganz schwachen Auftritt.

Der Star des Spiels: Riccardo Montolivo war der Dirigent in Milans Defensivstrategie. Zusammen mit Ambrosini unermüdlich, zweikampfstark, clever im Umschalten in Offensive und Defensive. Ausgangspunkt beider Treffer der Rossoneri.

Der Flop des Spiels: Cesc Fabregas sollte eigentlich im Zentrum als Anspielstation auffällig werden. Fabregas rückte aber immer wieder auf den Flügel raus, ohne dass ein Mitspieler seine verwaiste Position besetzt hätte. Wenn er dann doch mal am Ball war, leistete er sich ungeahnte technische Fehler. Allerdings machte es sein Ersatz Sanchez nach Fabregas' Auswechslung auch kaum besser. Und auch Leo Messi war zwar bemüht, letztlich aber 90 Minuten lang abgemeldet.

Der Schiedsrichter: Craig Thomson war größtenteils ein umsichtiger Leiter einer auch gut zu leitenden Partie. Beim Tor von Boateng entschied er bei Zapatas vermeintlichem Handspiel richtig und ließ weiterlaufen. Gelb gegen Busquets war zu hart.

Die Trainer:

Massimiliano Allegri wählte wie prognostiziert eine sehr defensive Variante - allerdings ohne die vermutete Manndeckung gegen Messi. Hatte kaum etwas zu korrigieren, so exzellent setzte seine Mannschaft den Schlachtplan um. Patron Berlusconi hatte die Tage noch gestichelt und an Allegris Kompetenz gezweifelt - die Antwort darauf gab es heute im San Siro.

Jordi Roura vertrat erneut Tito Vilanova und brachte seine beste Elf auf den Platz. Der Ersatz reagierte prompt auf den Rückstand und brachte in Sanchez (für Fabregas) eine echte Spitze. Ansonsten konnte er von der Bank aus nicht nachdrücklich aufs Spiel einwirken.

Das fiel auf:

 

  • Milan mit der zu erwartenden Defensivausrichtung, mit einer Vierer- und davor einer Fünferkette empfingen die Gastgeber Barca in der eigenen Hälfte. Je weiter der Ball dabei Richtung Milan-Tor getragen wurde, desto enger zogen sich die beiden Linien zusammen. Zur Not rückte dann auch der jeweils äußere Mittelfeldspieler auf der ballnahen Seite auf Höhe der Abwehrkette auf und machte die Zuspiele in die Tiefe zu. Spätestens 30 Meter vor dem Tor war so Schluss. Im Prinzip war es das Rezept, dass Italien bei der EM in der Vorrunde ebenfalls erfolgreich gegen Spanien gewählt hatte.
  • Die Italiener stellten dem ballführenden Gegner zwei Spieler frontal und einen dahinter als zusätzliche Absicherung gegenüber und nahmen so immer wieder geschickt jegliches Tempo aus den Angriffen der Gäste. Der Spielfluss der Achse Xavi-Iniesta-Messi fand so gut wie nie statt.
  • Xavi versuchte sich nach 19 Minuten einigermaßen entnervt mit einem Fernschuss aus 30 Metern. Auch ein Indiz dafür, wie solide Milans Taktik aufging und wie wenig Barcelona in der ersten Halbzeit auf die Reihe bekam. Barca kreierte nicht eine einzige Torchance in 45 Minuten. Der erste nennenswerte Torschuss erfolgte dann in der 76. Minute...
  • Der Platz im San Siro glich gewiss einem Acker, als Entschuldigung für den faden Auftritt der Gäste darf er aber nicht herhalten. Immer wieder wurde ein Teil der Ballstafetten nicht direkt gespielt, sondern erst mit dem zweiten oder gar dritten Kontakt. Barcas Passspiel war unsauber und nicht flüssig genug, um Milans Knäuel auseinanderzuziehen. Unglaublich: Die Spanier schafften es kein einziges Mal, bis zur Grundlinie durchzukombinieren. Milan-Keeper Abbiati musste nicht einen Ball abwehren.
  • Dazu funktionierte das Pressing nicht wie gewohnt. Die Gäste setzten nicht energisch und giftig genug zu, hatten so kaum frühe Ballgewinne, um auch mal ins Umkehrspiel zu kommen.
  • Wieder einmal hatte Barca in einem K.o.-Spiel mit einer italienischen Mannschaft allergrößte Mühe. Jetzt droht wie vor drei Jahren gegen Inter das Aus.

 

AC Milan - FC Barcelona: Daten zum Spiel