Schweinsteiger und sein Gedrängehalb

Von Für SPOX in der Allianz Arena: Andreas Lehner
Bastian Schweinsteiger und Javi Martinez bildeten das defensive Mittelfeld gegen Valencia
© Imago

Bastian Schweinsteiger macht seinen Frieden mit der Champions League und zeigt beim 2:1-Erfolg im ersten Gruppenspiel gegen Valencia gute Ansätze im Zusammenspiel mit Javi Martinez. Ein weiterer Gewinner: Toni Kroos.

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Der Schlusspunkt war wie damals. Damals, das ist noch gar nicht so lange her. Auf den Tag genau vor vier Monaten hatte der FC Bayern seinen sehnlichsten Wunsch verpasst und das Finale der Champions League im heimischen Stadion gegen den FC Chelsea verloren.

Auch zum Auftakt in die neue Saison war die letzte Aktion der Münchner ein verschossener Elfmeter. Mario Mandzukic, der das Finale im Mai noch im Kreise der kroatischen Nationalmannschaft gesehen hatte, scheiterte mit einem schwachen Strafstoß an Valencias Torhüter Diego Alves.

In das große Trauma reihte sich dieser Fehlversuch aber nicht ein, er blieb eine Randnotiz. Auch wenn Trainer Jupp Heynckes hinterher sauer war ob der vergebenen Möglichkeit. Doch dieser erneute Fehlschuss vom Punkt hatte keine negativen Auswirkungen auf das Endresultat, das mit 2:1 für die Bayern nach dem eindeutigen Spielverlauf etwas knapp ausfiel.

Ein gewaltiger Rucksack

Auch am 19. Mai spiegelte das Ergebnis die Kräfteverhältnisse während der 90 bzw. 120 Minuten zwischen Bayern und Chelsea nicht wider, allerdings mit einem deutlich negativeren Ergebnis als am Mittwochabend.

Es war ein gewaltiger Rucksack, den die Münchner seitdem mit sich herumgeschleppt haben. Vor allem Bastian Schweinsteiger wurde zum Gesicht der Niederlage, er verschoss den entscheidenden Elfmeter.

Der Spaß ist zurück

Schweinsteiger hat lange gebraucht, um sich von diesem Abend zu erholen - körperlich wie geistig. Gegen Valencia machte er aber vorerst seinen Frieden mit der Champions League. Das Tor war eine Erlösung für ihn, das war an seinem Jubel deutlich abzulesen. Seine beiden Treffer zuvor in der Bundesliga gegen Stuttgart und Mainz hatte er verhaltener gefeiert.

Nach dem 1:0 gegen Valencia warf er sich auf den Boden und blieb für einen kurzen Moment auf dem Bauch mit dem Gesicht im Rasen liegen. Es war nur ein flüchtiger Zustand, bevor sich seine Teamkameraden auf ihn stürzten, aber es war ein Augenblick der inneren Genugtuung.

Allen Kritikern zum Trotz hat er einen starken Start in die Saison hingelegt. Er hat die Enttäuschung überwunden, wirkt mental stabil und hat auch den körperlichen Rückstand beinahe aufgeholt. "Man sieht, dass er wieder Spaß am Spiel hat und fit ist", sagte Trainer Jupp Heynckes.

Schweinsteiger bestimmt das Spiel

Schweinsteiger ist wieder dauerpräsent im bayerischen Spiel, fast jeder Angriff läuft über ihn. Gegen Valencia schickte Heynckes erstmals von Beginn an Javi Martinez an seiner Seite aufs Feld. Und beide machten gleich deutlich, wie der Puls des Bayernspiels in Zukunft schlagen könnte.

Gemeinsam mit dem starken Toni Kroos dominierten sie die Zentrale und damit die Begegnung. Auch die Abstimmung funktionierte relativ reibungslos. Schweinsteiger agierte insgesamt einen Tick offensiver als Martinez und war auch die erste Option in der Spieleröffnung. 29 Mal bekam Schweinsteiger den Ball von einem Spieler der Viererkette zugespielt, Martinez 18 Mal.

"Ich denke, dass unser Zusammenspiel schon gut war. Javi ist ein intelligenter Spieler, man merkt das. Er macht sehr viele Dinge richtig", sagte Schweinsteiger.

Martinez: Kein Kaiser, eher ein Gedrängehalb

Zum Beispiel die Absicherung Schweinsteigers und die Schaffung von Balance. Der Raum zwischen Abwehr und Mittelfeld war Martinez' Hoheitsgebiet. "Er ist ein klassischer Sechser, der auch technisch stark ist" befand Kapitän Philipp Lahm. Martinez konzentrierte sich in erster Linie darauf, bei Ballbesitz keine Fehler zu machen und bevorzugte den Querpass. "Er war sehr vorsichtig", sagte Heynckes, der sich in den kommenden Wochen, wenn der Integrationsprozess abgeschlossen ist, etwas mehr Risiko von seinem Neuzugang wünscht.

Dass er durchaus gewillt ist, auch im Spiel nach vorne Akzente zu setzen, machte er bei zwei Alleingängen in der ersten Hälfte deutlich. Allerdings warfen die wenig eleganten Dribblingversuche die Frage auf, warum er in Spanien "Kaiser" genannt wird. Beide Läufe wurden von eingesprungenen Grätschen und Foulpfiffen gestoppt.

Offensiv ausbaufähig, defensiv sehr solide. So lässt sich das Startelfdebüt von Martinez zusammenfassen. Vor allem seine Präsenz auf dem Platz war bemerkenswert, er versuchte immer in Ballnähe zu sein. "Javi wird gesucht, ist laufstark und immer anspielbar", resümierte Heynckes. Sein Spiel erinnerte an das eines Gedrängehalbs (Scrum-half) im Rugby. Wo immer ein Ball in einer engen Situation frei wurde, war er da, um ihn aufzunehmen und schnellstmöglich zu verteilen.

Auch Kroos ein Gewinner

Mit Schweinsteiger, Martinez und Luiz Gustavo hat Heynckes ein Trio gefunden, auf das er sich dauerhaft im defensiven Mittelfeld verlassen kann. Und dann gibt es da ja auch noch Anatolij Tymoschtschuk.

Für Kroos ist auf dieser Position also nur noch selten Platz, was Heynckes aber nicht stört. "Als die Diskussion um den Zwischenspieler Kroos aufkam, habe ich immer schon gesagt, dass er weiter vorne besser aufgehoben ist", sagte der Trainer. "Dort kann er Torgefahr ausstrahlen und dem Spiel Impulse geben."

Gegen Valencia gelang ihm das in beeindruckender Manier. Kroos überzeugte durch sein Passspiel, seine Übersicht und seine Distanzschüsse.

Und so war auch Kroos an diesem kühlen Septemberabend ein Gewinner. Der Mann, der sich damals noch gesträubt hatte, einen Elfmeter zu schießen. Damals, vor vier Monaten.

Bayern vs. Valencia: Daten zum Spiel

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