Gut genug für spanischen Trommelwirbel

Von Für SPOX in Marseille: Thomas Gaber
Ribery (2.v.l.) lobt den Mannschaftsgeist: „Zurzeit sind wir sehr kompakt und arbeiten viel zusammen."
© Getty

Der FC Bayern zeigt in Marseille ein paar Schwächen, hat aber das Momentum auf seiner Seite und scheint für die entscheidenden Saisonwochen bestens aufgestellt. Schweinsteiger räumt mit einem Vorurteil auf.

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Sämtliche Spieler von Olympique Marseille plus der Trainer sollten nach Meinung der eigenen Fans erst gar nicht antreten zum Champions-League-Spiel gegen den FC Bayern München. "Deschamps und deine Spieler, verpisst Euch", stand auf einem großen Banner oberhalb der Virage Sud, der Südkurve im Stade Velodrome.

Die OM-Anhänger hatten nach der ellenlangen Negativserie der letzten Wochen die Schnauze voll. Verschärft wurde die tiefe Abneigung der OM-Fans durch die Anwesenheit eines ganz besonderen Spielers: Franck Ribery.

Zwischen 2005 und 2007 spielte Ribery in Marseille und wie jeder Abtrünnige, dem man die Pest an den Hals wünscht, wurde auch er von seinen Landsleuten unsanft behandelt bei seiner Rückkehr.

Ribery machte das schrille Pfeiforchester bei jeder noch so kurzen Ballberührung sichtlich zu schaffen. In der ersten Halbzeit gelang Bayerns Flügelspieler nichts und als er nach der Pause ausrutschte und mit dem Hintern auf den Rasen plumpste, waren ihm Häme und Spott auch noch sicher.

Robben moniert Fehler

Die Lacher hatte am Ende aber Ribery auf seiner Seite. Mit 2:0 gewann der FC Bayern das Viertelfinalhinspiel in Marseille und ist nah dran an zwei Halbfinalspielen gegen Real Madrid im April.

"Wir haben eine sehr souveräne Partie gezeigt, was hier nicht so einfach ist. Das haben andere Mannschaften zu spüren bekommen. Es war wichtig, dass wir zu null gespielt haben, dass sich Marseille nicht in eine Euphorie spielte. Wir haben das bis auf wenige Ausnahmen gut gemacht", sagte ein auf der Pressekonferenz gelöst wirkender Bayern-Trainer Jupp Heynckes.

Bayern-Spiel mit Fehlern

Es war beileibe keine Glanzleistung der Münchner, besonders in der ersten Halbzeit verloren sie in der Vorwärtsbewegung viele leichte Bälle. Und dass, obwohl die Bayern selbst 35 Meter vor dem OM-Tor derart viel Platz hatten wie noch in keinem Spiel dieser Champions-League-Saison.

Mario Gomez konnte einen Abschlag von Manuel Neuer weit in der gegnerischen Hälfte mit der Brust annehmen, ohne dass sich ein Marseille-Spieler auch nur in mittelbarer Nähe befunden hätte. "Wir hatten einige Nachlässigkeiten in unserem Spiel, haben viele einfache Fehlpässe gespielt", monierte Arjen Robben. Thomas Müller merkte an, dass "wir am Anfang zu viel wollten und den Ball immer nach vorne gespielt haben, anstatt auch mal quer."

Weil aber Marseille in Elinton Andrade einen Fliegenfänger als dritten Torwart beschäftigt und Mario Gomez derzeit wieder eine Phase hat, in der fast alles gelingt, gingen die Bayern mit einer schmeichelhaften Führung in die Pause.

"Wenn man in so einem Spiel in Führung geht, hilft das enorm weiter. Man kann dann nicht immer 6:0 oder 7:0 gewinnen, aber in der zweiten Halbzeit haben wir es souverän gemacht. Wir müssen aber 90 Minuten konzentriert bleiben", sagte Robben.

Nerlinger glaubt an hohe Belastbarkeit

Der Niederländer sammelte in Marseille seinen zehnten und elften Scorerpunkt in den letzten sechs Pflichtspielen. "Es läuft derzeit gut für mich und für die Mannschaft. Wir haben aber noch nichts gewonnen, es ist noch ein sehr weiter Weg. Hoffentlich spielen wir bis zum Ende der Saison immer im Rhythmus Samstag/Mittwoch/Samstag/Dienstag."

Dass die Mannschaft den Belastungen in den nächsten Wochen körperlich und psychisch nicht gewachsen sein könnte, hält der Sportdirektor für ausgeschlossen.

"Unsere Spieler wissen, dass sie in dieser Saison noch einiges erreichen können. Wir stehen vor einer riesen Herausforderung in den nächsten Wochen. Es geht auf die Zielgerade zu und da ist jeder Spieler hochmotiviert. Körperliche oder mentale Probleme sehe ich überhaupt nicht", sagte Christian Nerlinger und bezeichnete das 2:0 als "Traumergebnis".

Momentum auf Bayern-Seite

Die Bayern haben das Momentum auf ihrer Seite. "Zurzeit sind wir sehr kompakt, sehr diszipliniert, aggressiv, arbeiten viel zusammen", sagte Ribery. Wenn es in Richtung Titelvergabe geht, ist die Mannschaft ähnlich wie 2010 in der Lage, ihre Niveau konstant hoch zu halten und auch in nicht so berauschenden Spielen in den entscheidenden Momenten präsent zu sein.

Eine Tatsache, die die Gegner zermürbt. "Die Bayern machen viele Dinge sehr gut und sie haben diese beeindruckende Offensive. Das Tor kurz vor der Halbzeit hat uns wehgetan, weil Bayern bis dahin kaum Chancen hatte. Diese Kaltschnäuzigkeit zeichnet große Mannschaften aus", stellte OM-Coach Didier Deschamps fest.

Eine Sache macht den Bayern dennoch zu schaffen. Mit Toni Kroos, Philipp Lahm, Luiz Gustavo, David Alaba und Bastian Schweinsteiger sahen gleich fünf Spieler die Gelbe Karte. "Es ist sicher nicht optimal, dass wir in einem Spiel, das wir total im Griff hatten, so viele Karten erhalten haben. Wobei ich feststellen musste, dass einige Gelbe Karten viel zu früh gezeigt wurden", sagte Nerlinger.

Vorfreude auf Klassiker

Für Schweinsteiger hat das Marseille-Spiel Folgen: Er ist im Rückspiel gesperrt und entkräftete sogleich die Vermutung, er habe sich seine dritte Gelbe Karte absichtlich abgeholt, um für das mögliche erste Halbfinale gegen Real Madrid spielberechtigt zu sein.

"In meiner Situation brauche ich die Spiele. Ich bin noch nicht bei 100 Prozent. Ich hätte das eine Spiel gerne noch mitgemacht, deswegen bin ich etwas verärgert. Es war mein erstes Foul im Spiel. Ich habe den Schiedsrichter gefragt, warum er mir gleich die Gelbe Karte gibt. Er hat gesagt, er sei nicht perfekt. Da habe ich gesagt: 'Ich auch nicht.'"

Perfekt ist auch der Klassiker gegen Real nicht, wenngleich in Spanien schon erste Trommelwirbel verursacht werden. Ein Halbfinale zwischen Real Madrid und Bayern kann nur noch ein Wunder verhindern. "Real wird es wohl mit Super-Mario, den Stürmer mit spanischen Wurzeln, und dem guten Bekannten Arjen Robben zu tun bekommen", schrieb die "Marca".

Die Königlichen sind ein komplett anderes Kaliber als Olympique Marseille, die "Sky"-Experte Matthias Sammer als "vollkommen überforderte Mannschaft" bezeichnete. Das heißt: Um gegen Real zu bestehen, ist eine deutlich bessere Leistung der Münchner nötig.

Marseille - Bayern: Fakten zum Spiel

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