Komische Gefühle

Von Jochen Tittmar
Die Spieler von Borussia Dortmund bedanken sich nach dem Arsenal-Spiel beim Publikum
© Getty

Bei Borussia Dortmund herrschen nach dem Remis gegen den FC Arsenal in der Champions League aufgrund der mangelnden Chancenverwertung gemischte Gefühle vor. Doch der BVB zeigte phasenweise sein altes Gesicht - Sebastian Kehl konnte im Gegensatz zu Ivan Perisic allerdings keine Werbung in eigener Sache machen.

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Bevor Wojciech Szczesny am Dienstagabend in den Katakomben des Dortmunder Stadions verschwand, blickte er noch einmal hinüber zu Südtribüne. Anerkennend hob der Keeper des FC Arsenal den Daumen in Richtung Zuschauer und applaudierte.

Wenig später referierte er im Bauch der Arena beinahe ehrfürchtig über eine der besten Atmosphären, in denen er jemals Fußball spielen durfte. Doch das, was er über die intensiven 90 Minuten zuvor zu sagen hatte, sprach Bände.

"Um ehrlich zu sein, war das nicht sehr Arsenal-like. Es war eher eine defensive Leistung von uns. Wir haben in einer der härtesten Begegnungen einen Punkt in Dortmund geholt. Das wird uns einen Schub geben."

Subotic: "Ein komisches Gefühl"

Die Tatsache, dass ein Spieler des großen FC Arsenal dermaßen positiv über einen Punktgewinn gegen den BVB spricht, dürfte bei der Borussia für breites Grinsen sorgen. Noch vor wenigen Monaten hätte man in London diesen einen lumpigen Zähler sicher anders bewertet.

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Unweit von Szczesny entfernt stand ein bestens gelaunter Neven Subotic. Für den Verteidiger war es schon kurz nach Schlusspfiff "ein komisches Gefühl zu hören, dass wir Arsenal über das komplette Spiel beherrscht haben."

Damit muss Subotic nun alleine klar kommen. Denn in der Tat bot der BVB bei seinem Champions-League-Comeback nach mehr als achtjähriger Abstinenz eine Darbietung, die man nach dem seichten Durchhänger der letzten Tage gerade gegen die Gunners so nicht unbedingt hätte erwarten können.

Chancenverwertung steht im Weg

Dortmund zeigte phasenweise gerade im ersten Durchgang sein aus der Vorsaison bekanntes Gesicht: Frühes Doppeln der Gegenspieler, Ballsicherheit, überfallartiges Umschalten auf die Offensive - der vollkommen CL-unerfahrene BVB benötigte keinerlei Anlaufzeit und war sofort drin in der Partie.

Doch auch die Kinderkrankheit der Meisterspielzeit mischte sich unter die engagierte Vorstellung - die fahrlässige Chancenverwertung. Nach zwölf Minuten standen bereits drei Großchancen auf der linken Seite des Statistikzettels. Auf diesem Niveau ist es natürlich ein Unding, keine davon zu nutzen. Es wäre die verdiente Führung gegen teils uninspirierte Gäste gewesen, denen nach dem personellen Umbruch noch die nötigen Automatismen fehlen.

Daher hielt sich die Freude bei den BVB-Profis über den Punkt dann doch eher in Grenzen. "Wir hatten gute Chancen, deshalb ist das Unentschieden nicht so zufriedenstellend. Wir haben sehr hart gearbeitet - aber im Fußball muss man Tore schießen, um zu gewinnen. Daran hat es bei uns etwas gefehlt und das ärgert mich ein bisschen", gab Shinji Kagawa zu.

Kehl nutzt seine Chance nicht

Sebastian Kehl wurde noch deutlicher: "Insgesamt ist auch ein bisschen Enttäuschung bei der Mannschaft zu spüren, denn wir hatten deutlich mehr Tormöglichkeiten, deutlich mehr Chancen, das Spiel positiv für uns zu gestalten."

Der Anteil des Kapitäns, dass eben dies nicht klappte, war nicht zu übersehen. Anstelle des zuletzt schwachen Ilkay Gündogan etwas überraschend in die Startformation berufen, konnte Kehl diese große Chance für sich nicht nutzen. Sein unerklärlicher Fehlpass, der das 0:1 begünstigte, war der traurige Tiefpunkt einer überschaubaren Leistung.

"Durch so einen blöden Fehler von mir, der dann zum Gegentreffer führt, rennen wir dem Rückstand hinterher. Natürlich mache ich mir über so einen Fehler Gedanken, denn wir hätten zu dem Zeitpunkt schon führen müssen", sagte Kehl. Der Routinier mühte sich zwar, wirkte jedoch gerade im Vorwärtsgang in einigen Szenen auch wie ein Fremdkörper im Angriffswirbel der Kollegen.

Perisic drängt in die Startelf

Es wäre zwar übertrieben, dem Meister ein ernsthaftes Problem mit der Besetzung der Doppelsechs zu attestieren. Dazu lässt die Borussia defensiv zu wenig zu. Festhalten lässt sich allerdings, dass das Gehirn der rasanten Kombinationsmaschine des Vorjahres vom letztjährigen Leistungsvermögen noch weit entfernt ist. Präzise Pässe in die Halbräume, die Nuri Sahin aneinander zu reihen vermochte, sind von Kehl nicht zu erwarten.

Bei der kommenden Aufgabe in der Bundesliga bei Hannover 96 wird der gesperrte Kehl seinen Platz gezwungenermaßen wieder räumen müssen. Durchaus vorstellbar, dass dies auch auf Kevin Großkreutz zutrifft. Der läuft zwar weiterhin sehr viel, aber zuletzt auch seiner Form hinterher.

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Nicht erst seit seinem Traumtor, das der Borussia einen späten, aber verdienten Punktgewinn gegen die Londoner bescherte, scharrt Ivan Perisic mit den Hufen. Der Kroate überzeugte bisher bei all seinen Einwechslungen und fand sofort Zugang in die Partien - dies lässt sich von Großkreutz derzeit nicht behaupten. "Ivan ist eine Bereicherung für die Bundesliga und einer der torgefährlichsten Spieler, die ich je gesehen habe", gab Mats Hummels vieldeutig zu Protokoll.

Klopp: "So stelle ich mir das vor"

Perisic hat dem Team mit seinem Treffer jedenfalls eine ordentliche Portion Selbstvertrauen zurückgegeben. "So wie das Spiel heute war, stelle ich mir das von der Leistung vor. In dieser Phase der Saison und nach dem Rückschlag gegen Berlin war es wichtig, dass auch so eine Reaktion kommt. Wir sind mit dem Gesamtpaket zufrieden, auch wenn am Ende für uns mehr drin war", resümierte Jürgen Klopp.

"Dass Ivan noch getroffen hat, tut uns gut, sonst hätte es wieder viele Diskussionen gegeben", schob Hummels noch hinterher. Doch dafür muss nun auch in der Bundesliga die passende Antwort gegeben werden.

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