Bayern: Es wächst etwas zusammen

Von Thomas Gaber
So sieht Teamwork aus: Braafheid (l.) und Schweinsteiger (r.) setzen sich gegen Iaquinta durch
© Imago

Eine Stunde lang spielte der FC Bayern Juventus Turin an die Wand. Noch fehlt den Münchnern der dauerhafte Erfolg. Aber fest steht: Trainer Louis van Gaal macht viele Dinge richtig. Entwarnung gab es bei Arjen Robben.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Howard Webb nahm es sehr genau. Zwei Minuten Nachspielzeit hatte sein UEFA-Kompagnon an der Seitenlinie angezeigt. Kurz vor Ablauf der extra time bekam Juventus Turin noch einen Eckball. Die Ausführung war schlecht, der anschließende Konter der Bayern dagegen perfekt.

Müller spielte Olic den Ball in den Lauf, Poulsen hechelte dem Kroaten vergeblich hinterher. Nur noch Legrottaglie hätte Olic auf dem Weg zum Duell mit Buffon stoppen können, doch Webb machte nicht mit. Abpfiff nach 92:07 Minuten. Das brachte Louis van Gaal auf die Palme.

Puterrot angelaufen brüllte der Bayern-Coach den vierten Schiedsrichter an der Seitenlinie an. Er fühlte sich um eine echte Torchance betrogen. "Es ist sehr einfach, da zu pfeifen. Ich denke, zwei Minuten Nachspielzeit waren zu wenig. Es hätten zwei mehr sein müssen", sagte van Gaal.

Hinter jedem Baum ein Feind

Es gehört zu van Gaals Naturell, viele Dinge im Fußball zu hinterfragen. Misstrauen begleitet den Niederländer schon seine gesamte Trainer-Laufbahn. Van Gaal vermutet hinter fast jedem Baum einen Feind. Kritische Journalisten stellt er gerne als inkompetent dar, wer sich einmal mit van Gaal angelegt hat, wird nicht mehr sein Freund.

Van Gaal sträubt sich gegen alles, was seinen Erfolg seiner Meinung nach gefährden könnte. Dass da auch der eine oder andere Spieler auf der Strecke bleiben könnte, nimmt er in Kauf.

"Ich bin ein sehr fanatischer Trainer. Ich lasse mehr mit Gehirn als mit den Beinen trainieren. Kann sein, dass ein Spieler damit Probleme hat. Aber letztendlich entscheide ich", sagte er am Tag vor dem 0:0 gegen Juventus.

Widerstand zwecklos

Die Tribünen- und Bankdrücker Luca Toni und Mario Gomez haben zu spüren bekommen, dass jeder Widerstand gegen van Gaal zwecklos ist.

Laut Bastian Schweinsteiger kommt die harte Gangart in der Mannschaft jedoch gut an. "Wir haben einen besonderen Trainer. Er ist diszipliniert und sagt den Spielern die Dinge ins Gesicht, auch wenn sie vielleicht manchmal unangenehm sind. Er gibt aber auch den Spielern Wärme, die sie brauchen. Er ist sehr beliebt in der Manschaft", so der Nationalspieler.

Youngster auch gegen Juve überzeugend

Namen sind bei van Gaal Schall und Rauch. Thomas Müller und Holger Badstuber haben sich Stammplätze erkämpft, weil sie hart arbeiten und Leistung bringen. Auch gegen Juve konnten die beiden Youngster überzeugen.

Müller mit Unbekümmertheit und glänzender Antizipation für die jeweilige Spiel-Situation, Badstuber mit verblüffender Coolness im Zweikampf gegen Trezeguet und Iaquinta und einem guten Stellungsspiel.

"Sie haben das Mittelfeld von Juventus weggespielt"

Gegen die alte Dame bekam auch Andreas Ottl eine Chance. "Er hat sehr gut trainiert in der letzten Woche. Er und Schweinsteiger waren die besten Spieler auf dem Platz. Sie haben das Mittelfeld von Juventus weggespielt", sagte van Gaal.

Für Ottl musste Anatolij Tymoschtschuk auf die Bank. Der Ukrainer konnte bislang nicht überzeugen und hat somit ebenso wenige Argumente bei van Gaal wie Danijel Pranjic. Der Kroate blieb 90 Minuten draußen, Vertreter Edson Braafheid machte seine Sache auf der linken Verteidigerposition ordentlich.

Taktische Rafinesse

Van Gaal sieht seine Mannschaft erst am Anfang eines langen Prozesses. "Wir sind noch weit davon entfernt, das umzusetzen, was ich mir vorstelle. Wir müssen noch viel besser werden", sagte er zu SPOX. Doch seine Arbeit trägt allmählich Früchte, seine Handschrift ist bereits erkennbar.

In Hamburg und gegen Juventus überraschte er mit taktischer Rafinesse. Jeweils 60 Minuten lang war der FC Bayern die klar bessere Mannschaft. "Ich habe eine klare Vorstellung, wie wir spielen müssen. Aber ich richte meine Aufstellung und mein System auch immer nach dem Gegner aus", sagt van Gaal.

Doppelsechs zieht Juves Zahn

Die Wiedereinführung der Doppelsechs zog Juves Mittelfeld um Diego und Camoranesi den Zahn. Schweinsteiger blühte in seiner neuen Rolle förmlich auf. Im Angriff setzten die Bayern van Gaals beliebtes Dreiecks-Spiel sehr gut um. Juventus war oft einen Schritt zu spät.

"Wir haben noch nie in dieser Saison einen so guten FC Bayern gesehen wie in der ersten Halbzeit", erklärte van Gaal. "Wir haben vier hundertprozentige Torchancen kreiert - und da ist dann auch ein bisschen Unglück dabei."

Kritik von Lahm

Unglück, aber auch ein bisschen Unvermögen. "Wenn man vier Mal alleine auf den Torhüter zuläuft, muss man ein Tor machen. Wir können es uns nicht erlauben, in der Champions League so fahrlässig mit unseren Chancen umzugehen", kritisierte Philipp Lahm.

Auch van Gaal weiß, dass seine Reputation nicht von guten Spielen abhängt, sondern von Siegen. "Die erste Halbzeit war überragend, aber wir können nicht jede Woche sagen, wir hätten gewinnen können", sagte er. "Wir müssen Tore machen, um zu gewinnen. Aber wenn wir so spielen, dann ist das eine Frage der Zeit."

Bayern muss auf Robben verzichten

Allerdings wird den Bayern in den nächsten Wochen ein wichtiger Eckpfeiler fehlen. Arjen Robben musste in der 44. Minute mit einer Knieverletzung ausgewechselt werden.

Robben zog sich eine Blessur an der Schleimhautfalte zu und muss voraussichtlich vier Wochen pausieren. "Es ist nicht ganz so schlimm, aber natürlich schon ein Problem. Gott sei Dank ist bald Länderspielpause", sagte van Gaal

Bayern - Juve: Ein richtig starkes 0:0