Es fehlt die Kirsche

Von Für SPOX in Madrid: Thomas Gaber
Enttäuschung nach dem Abpfiff: Bastian Schweinsteiger absolvierte sein erstes CL-Finale
© Getty

Der FC Bayern war im CL-Finale nicht wiederzuerkennen. Ohne Dynamik und Überzeugung in die eigene Stärke war Inter nicht zu schlagen. Die Saison war erfolgreich. Aber das Double hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack.

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Jose Mourinho krallte sich den Finalball und trug einen kleinen Jungen auf den Schultern. Dejan Stankovic, eingehüllt in eine serbische Flagge, weinte dicke Tränen der Glückseligkeit. Massimo Moratti hörte nicht mehr auf zu grinsen und Samuel Eto'o legte sich auf seine auf dem Rasen ausgebreitete Kamerun-Flagge.

Mit beträchtlichem Sicherheitsabstand zur Inter-Party schaute Arjen Robben in Trance ähnlichem Zustand starr in Richtung Haupttribüne. Holger Badstuber ließ sich mehrfach auf den Rasen plumpsen und Thomas Müller nahm die Hände nicht mehr vom Kopf vor lauter Grübeln über seine verpasste Großchance kurz nach der Pause.

Bitteres Double

Es waren die handelsüblichen Szenen, die sich nach Abpfiff des Champions-League-Finals 2010 im Madrider Estadio Santiago Bernabeu abspielten. Die Sieger feiern, die Verlierer trauern. Die Zeit kommt den Losern endlos vor. Jetzt noch den UEFA-Menschen die Hand schütteln, Silbermedaille abholen und dann nix wie weg von hier.

Nach dem Feiermarathon der letzten Wochen musste der FC Bayern München diesmal den anderen den Vortritt lassen. Es ist nichts geworden mit dem historischen Triple. Die Bayern erwischten nicht ihren besten Tag, ausgerechnet im Finale der Königsklasse. Das wurmt am meisten.

"Wir müssen uns den Vorwurf gefallen lassen, im wichtigsten Spiel nicht in Bestform gewesen zu sein. Das tut sehr weh. Die Enttäuschung ist zu groß, um sie greifen", sagte Thomas Müller. Der Youngster hatte die einzige Großchance der Bayern in 94 Minuten. Zu wenig, um ernsthaft um den Sieg zu spielen.

Philipp Lahm versuchte die nicht ausreichende Leistung mit der besonderen Drucksituation eines Finals zu begründen: "In der ersten Halbzeit haben wir ängstlich gespielt. Aber es ist ein Finale und als Spieler weiß man, dass man nicht oft dabei ist. Dazu haben wir noch viele junge Spieler. Eine andere Erklärung habe ich nicht."

Keine Dynamik, keine Überzeugung

Trotz fast 70 Prozent Ballbesitz bekamen die Bayern das Spiel nie in den Griff. Die Erfolgsattribute Dynamik und Spielfreude waren mit Ausnahme der ersten Minuten der zweiten Halbzeit nicht zu sehen.

Die Körpersprache war eine andere, es war keine Überzeugung zu spüren, dieses Finale noch drehen zu können.

"Man hat die Nervosität gespürt. Das war nicht der FC Bayern der letzten Wochen. Man hat mehr quer und zurück gespielt, als mal den tödlichen Pass zu riskieren. Es war insgesamt eine Leistung, mit der der FC Bayern nicht zufrieden sein kann", sagte Sky-Experte Stefan Effenberg.

"Niederlage macht Double bitterer"

Treffer ins Schwarze. Der Stachel saß tief bei den Bayern, trotz einer sehr erfolgreichen Saison. Aber der Kuchen (Meisterschaft) samt Sahne (DFB-Pokal) wurde eben nicht mit der von Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge herbeigesehnten Kirsche verziert.

In der ersten Enttäuschung fiel die Saisonbilanz ernüchternd aus. "Ich kann mich nicht damit trösten, dass die Saison gut war. So eine Niederlage macht das Double bitterer", sagte Müller. Mark van Bommel wollte sich vom Finaleinzug auch nichts kaufen. "Es geht darum, es dann auch zu gewinnen", sagte der Kapitän zu SPOX.

Mit Volldampf voraus

Die Spieler trauerten einer vergebenen Chance nach, Geschichte zu schreiben. Der Vorstand richtete den Blick umgehend nach vorne. "Wir haben eine Supersaison gespielt. Und die sollten wir uns nicht kaputt machen lassen, weil wir das Endspiel verloren haben. Es gibt gar keinen Grund, die Flügel hängen zu lassen", sagte ein vergleichsweise gelassener Präsident Uli Hoeneß.

Rummenigge will "nun daran arbeiten, dass wir, wie es 1999 der Fall war, in den nächsten beiden Jahren mit Volldampf versuchen, die Champions League doch noch zu gewinnen."

Van Gaal würde alles wieder so machen

DFB-Sportdirektor Matthias Sammer sieht die Bayern für dieses Vorhaben gut gerüstet: "Für mich ist Bayern München in seiner Mannschaftsstruktur noch am Anfang seiner Entwicklung. Ganz viele Spieler haben ihre besten Jahre noch vor sich."

Es ist die Aufgabe von Louis van Gaal, diese Spieler weiterzuformen. Der Mut zum Risiko des Bayern-Trainers, den unerfahrenen Müller, Badstuber oder Diego Contento das Vertrauen zu schenken, hat sich rentiert.

Noch hat es nicht gereicht mit dem großen Coup. Der Coach würde trotzdem "alles wieder so machen. Vielleicht entscheiden die Kleinigkeiten beim nächsten Mal für uns."

Van Bommel: "Man wird sich an uns erinnern"