Allofs kündigt Philosophiewechsel an

Von Florian Bogner / Sebastian Steegmüller
Klaus Allofs (r.) macht sich Sorgen über die aktuelle Situation bei Werder Bremen
© Getty

Werder Bremen hat zum dritten Mal in Folge das Achtelfinale der Champions League verpasst. Auch im fünften Gruppenspiel der Gruppe B gelang der Mannschaft von Thomas Schaaf kein Sieg, beim krassen Außenseiter Anorthosis Famagusta reichte es am Ende nur zu einem 2:2 (0:0)-Unentschieden. Sportdirektor Klaus Allofs fand hinterher deutliche Worte.

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Nur mit einem Sieg hätte Bremen noch eine Chance auf die Runde der letzten 16 gehabt. In der zyprischen Hauptstadt Nikosia war Werder über weite Strecken das überlegene Team, brachte sich aber erneut durch eklatante Abwehrfehler um die Früchte der Arbeit.

"Wir dürfen uns nichts vormachen. Ganz klar, müssen wir uns eingestehen, dass sich unsere Elf auf diesem Level nicht behaupten konnte", sagte Sportdirektor Klaus Allofs. "Auch international hat sie nicht mithalten können, wie schon in der Bundesliga."

Hugo Almeida vergibt Siegchance

Nach Toren von Nikos Niculaou (62.) und Savio (68.) lag Werder schon 0:2 im Rückstand. Ein Elfmeter von Diego (72.) und ein Treffer von Hugo Almeida (87.) brachten den Hanseaten zwar die vierte Punkteteilung im fünften Spiel, waren im Endeffekt aber zu wenig.

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Almeida hatte in der 88. Minute den Sieg auf den Fuß, scheiterte aber freistehend an Anorthosis-Keeper Zoltan Nagy. Einen Vorwurf wollte dem Portugiesen keiner machen, Allofs sagte im "Kicker" allerdings deutlich: "Er ist einer jener Akteure, die nicht konstant ihr Potenzial abrufen. Auf Dauer geht das nicht."

Diego und Frings gegen Inter gesperrt

Mit vier Punkten steht Werder weiter am Tabellenende und kann nur noch mit einem Heimsieg im letzten Gruppenspiel gegen das bereits fürs Achtelfinale qualifizierte Inter Mailand noch auf den UEFA-Cup-Rang hoffen. Dort befindet sich derzeit Famagusta (6 Punkte), auf Platz zwei liegt Panathinaikos Athen (7).

Bitter: Diego und Frings werden Werder gegen Mailand wegen der jeweils dritten Gelben Karte fehlen. "Wir müssen nun alles tun, um wenigstens den UEFA-Cup zu erreichen", so Allofs.

"Ein Jahr ohne Europa wäre ein Betriebsunfall"

Da Werder derzeit auch in der Bundesliga den Erwartungen hinterher hinkt, kündigt Werders Sportdirektor einen möglichen Philosophiewechsel bei den Norddeutschen an. "Wir haben verstärkt auf Talente gesetzt. Vielleicht setzen wir wieder mehr auf die Elemente Erfahrung und Cleverness, um die Balance zwischen Jung und Alt herzustellen."

Mehr Risiko auf dem Transfermarkt wolle Werder dabei aber auch weiterhin nicht eingehen, so Allofs, der für die Bundesliga allerdings eine klare Steigerung fordert. "In den letzten drei Spielen müssen wir noch richtig zulegen, um halbwegs vernünftig in die Rückrunde starten zu können."

Die internationalen Plätze schreibt Allofs zwar noch nicht ab, macht aber auch deutlich: "Ein Jahr ohne Europa wäre ohne Umschweife ein Betriebsunfall. Rein finanziell wäre ein Jahr ohne internationalen Fußball machbar, so Allofs, "es wäre aber keine leichte Situation".

Der SPOX-Spielfilm:

Vor dem Anpfiff: Wiese (Adduktoren) und Pasanen (Oberschenkel) fallen kurzfristig aus, dafür beginnen Vander und Tosic. Im Sturm erhält Almeida einmal mehr den Vorzug vor Rosenberg. Famagusta mit einem 4-1-3-2, das man auch als 5-4-1 interpretieren kann.

29.: Almeida packt seinen Hammer aus! Mit seinem starken Linken zieht er aus 28 Metern ab und zimmert den Ball an die Latte.

54.: Pizarro mit der Großchance! Frings flankt von der rechten Außenbahn genau auf den Peruaner, doch der verpasst im Fünfmeterraum den Ball vollkommen freistehend mit dem Kopf.

62., 1:0, Nicolaou: Nach einer Ecke von rechts pennt Fritz am langen Pfosten. Der eingewechselte Nicolaou zieht aus spitzem Winkel freistehend ab und versenkt zur Führung.

68., 2:0, Savio: Bremen wird klassisch ausgekontert - Famagusta stürmt über die rechte Außenbahn, Frousos flankt flach auf Hawar, Vander pariert stark, doch im Nachschuss schiebt Savio ins leere Tor ein.

72., 2:1, Diego (Elfmeter): Hunt wird im Sechzehner von Dellas zu Fall gebracht. Kann man geben. Diego hämmert den Ball in den linken Giebel. So schießt man Elfmeter.

75.: Torwart Nagy patzt und legt den Ball Pizarro vor die Füße, doch der Werder-Stürmer trifft den Ball aus zehn Metern nicht richtig und verfehlt das leere Tor.

87., 2:2, Almeida: Werder lebt doch noch! Flanke Özil von links, Rosenberg verlängert und Almeida haut den Ball aus vier Metern direkt in die Maschen.

88.: Schlimmer Ballverlust von Dellas. Almeida urplötzlich mutterseelenalleine vor Nagy, kann sich die Ecke aussuchen, schießt aber den Keeper an. Eine Hundertprozentige!

So lief das Spiel: Bremen sehr zweikampfstark, setzte die Zyprer früh unter Druck und kam deshalb recht leicht in Ballbesitz. Im Mittelfeld kurbelten Diego und Özil gut an, gegen den doppelten Vierer-Riegel der Hausherren ergaben sich aber kaum Strafraumszenen. Wie schon am Wochenende gegen den HSV versuchte es Werder deshalb oft aus der zweiten Reihe, Almeida hämmerte den Ball bei einem der zahlreichen Versuche an den Querbalken. Famagusta verlegte sich aufs Kontern und stellte die unsichere Werder-Abwehr damit ein ums andere Mal vor Probleme. Auch die Standards waren nicht ohne. Halbzeit-Fazit: launiges Spiel mit wenigen Höhepunkten.

Auch in die zweite Halbzeit startete Werder feldüberlegen, leistete sich defensiv mit laufender Spielzeit aber immer mehr Böcke. Ein Standard brachte die bis dato harmlosen Gastgeber in Führung, anschließend kollabierte die Werder-Defensive völlig und kassierte auch das 0:2. Mit Diegos verwandeltem Elfmeter keimte nochmal Hoffnung auf. Werder kämpfte und schnürte Famagusta am eigenen Sechzehner ein, es reichte aber nur noch zum Ausgleich. Almeida vergab die dickste Chance zum Sieg.

Der Star des Spiels: Savio. Der 34-Jährige stellte einmal mehr unter Beweis, dass er überragend kicken kann. Als einzige Spitze gab er einen irrwitzig agilen Alleinunterhalter und spielte Naldo/Mertesacker teilweise Knoten in die Beine. Der ehemalige Real-Profi krönte seine starke Leistung mit dem 2:0.

Die Gurke des Spiels: Clemens Fritz. Klar, der Nationalverteidiger war lange verletzt und muss erst noch den vielzitierten Rhythmus finden. Wenn man als Außenverteidiger jedoch noch nicht so ganz auf der Höhe ist, sollte man hinten den Laden dicht halten und klare Bälle spielen. Fritz schaffte beides nicht. Rechts stand er fortwährend unter Druck, ließ sich überlaufen und brachte seine Mannschaft mit unnötigen Abspielfehlern immer wieder in Verlegenheit. Sein Zweikampfverhalten vor dem 0:1 war reiner Slapstick.

Die Lehren des Spiels: Werder in Europa - das war zu wenig! In einer Gruppe mit den vermeindlichen Leichtgewichten Panathinaikos und Famagusta nach fünf Spieltagen ohne Sieg dazustehen, hat nichts mehr mit Pech zu tun. Die Gründe für den Totalausfall auf großer Bühne sind vielfältig: Das Offensivspiel ist oft zu eindimensional, das Spiel gegen den Ball nie kompakt genug und die Abwehrleistung teilweise himmelschreiend naiv.

Festzumachen ist das - und dafür war dieses Spiel ein Paradebeispiel - vor allem an den Außen. Das Mittelfeld ist mit Diego, Özil, Frings und Baumann auf die Mitte fixiert, doch über die Außen wird kaum richtig nachgerückt.

Hier sind die Verteidiger gefordert, stellen aber viel zu oft den Schwachpunkt im Werder-Spiel dar. Offensiv fehlten Fritz und Tosic einmal mehr die Qualität, vernünftige Chancen zu kreieren. Die Grundlinie erreichen die beiden nie, und hinten ließen sich beide viel zu oft übertölpeln.

Die Gruppe B der Champions League im Überblick