Jürgen Klopp im DAZN-Interview: "Das nötige Glück hatten wir in Finals noch gar nicht"

Von Sebastian Benesch
Will mit dem FC Liverpool das Champions-League-Finale gegen Tottenham Hotspur unbedingt gewinnen: Jürgen Klopp.
© getty

Am Samstagabend trifft Trainer Jürgen Klopp mit dem FC Liverpool im Champions-League-Finale auf die Tottenham Hotspur (ab 21 Uhr live auf DAZN). Im DAZN-Interview erklärt der 51-Jährige, wie sich das Team in den letzten Wochen auf das Endspiel vorbereitet hat, wie er an das verlorene Finale aus dem Vorjahr zurückdenkt, und warum er selbst keinen Druck verspürt.

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Außerdem verrät der deutsche Übungsleiter, warum sein Aufstieg mit Mainz 05 in die Bundesliga höher einzuschätzen ist, als seine drei Endspiele in der Königsklasse.

Jürgen Klopp, Sie haben gesagt: Drei Wochen Vorbereitung sind besser als drei Tage. Was ist dennoch besonders an dieser doch sehr langen Vorbereitung?

Jürgen Klopp: Das hat man ja normalerweise gar nicht. Nicht einmal in der Sommervorbereitung hat man die ganze Mannschaft für drei Wochen zusammen und [in dieser Zeit] kein Spiel. Im Sommer trainiert man eine Woche, dann spielt man gegen einen Viertligisten oder so, dann nach weiteren drei oder vier Tagen nochmal. Man baut immer wieder Spiele ein, weil das ja dazugehört. Das war diesmal relativ schwierig, weil viele Ligen noch gespielt haben oder andere schon Pause hatten und im Urlaub waren. Aber es war eher speziell und kein wirkliches Problem. Die ersten paar Tage wollten wir den Jungs sowieso frei geben, nach so einer wahnsinnig intensiven Saison. Einfach kurz weggehen und sagen: "Wir sehen uns in fünf Tagen wieder." Natürlich mit einem Trainingsplan, um den Rhythmus zu halten, aber nicht mit Fußballtraining.

Und wie ging es danach weiter?

Klopp: Dann haben wir wieder angefangen, sind eine Woche nach Marbella geflogen und haben dort toll trainiert und ein Testspiel gemacht - alles gut. Jetzt sind wir hier und fertigen sozusagen die Presse ab, um danach die letzten drei Tage zu nutzen, um Dinge zu wiederholen. Wir sind in der letzten Phase der Saison, wenn wir etwas ganz neu anfangen müssten, wäre irgendwas falsch. Wir müssen Dinge in Erinnerung rufen: Was wollen wir machen? Was wollen wir gegen genau diesen Gegner machen? Und dann heißt es: rausgehen und kämpfen wie noch nie zuvor. That's the plan.

Sie sagen: Ihr größter Fußball-Moment war der Aufstieg mit Mainz. Wenn man gegen Barcelona nur gewonnen hätte [aber nicht weitergekommen wäre], wäre das auch in Ordnung gewesen. Das Champions-League-Finale im letzten Jahr zu verlieren, war Medizin. Ist das die Klopp'sche Herangehensweise, um von Ihren Spielern den Druck zu nehmen?

Klopp: Nein, das habe ich den Jungs gegenüber so nicht gesagt. Von Mainz habe ich noch nicht erzählt. Wenn man mich fragt, ist es einfach so. Für mich geht es darum: Welche Voraussetzungen haben wir - und was haben wir daraus gemacht? Der Unterschied zwischen den Voraussetzungen und dem erreichten Ziel war nie mehr so groß wie damals bei Mainz. Das muss man einfach so sagen. In der Situation aufzusteigen, das war groß. Das Finale im letzten Jahr haben wir nie thematisiert oder "genutzt". Es ist bei jedem im Hinterkopf, das ist ja klar. Ich weiß nur: Wenn man uns nach dem Spiel oder auf dem Weg zum Flughafen gesagt hätte: "Pass auf, alles ein bisschen doof gelaufen hier heute, aber ihr kriegt nächstes Jahr nochmal ne Chance!" - wir hätten jeden Vertrag unterschrieben, um genau das zu machen. Schwuppdiwupp, nach ziemlich genau 365 Tagen sind wir wieder da. Das ist extrem cool und fühlt sich gut an.

Ist der Druck größer, weil Sie das Finale im vergangenen Jahr verloren haben?

Klopp: Was Leute von außerhalb sagen, dass da Druck aufkommt, dass man irgendwann die Intensität der Situation spürt, das ist doch klar. Dass man drei oder vier Stunden allein im Hotelzimmer ist, bevor das Spiel losgeht, und dabei nicht durch den Raum tanzt und das Tänzchen für die Feier nach dem Spiel vorbereitet. Natürlich ist maximale Konzentration und Anspannung da. Aber wir sollten darauf vorbereitet sein. Wir haben so viele schwierige Momente gemeinsam durchgestanden. Ohne es anzusprechen war jedem klar: Wie das Finale im letzten Jahr abgelaufen ist, das musste noch zurechtgerückt werden. Wir waren ja nicht schlechter. [Real Madrid hat] zwei Tore geschossen, die verrückt sind, und noch einen Fallrückzieher außerhalb des Sechzehners in den Winkel gedonnert. Ja herzlichen Glückwunsch! Wir mussten damals die letzten fünf, sechs Spiele mit genau den gleichen elf Spielern spielen, weil wir praktisch niemanden mehr zur Verfügung hatten. Dann kam gerade so Adam Lallana für das Finale auf die Bank zurück. Das war unsere Situation.

Und was hat sich in dieser Saison verändert?

Klopp: Dieses Jahr ist es völlig anders. Wir sind eine andere Mannschaft im Vergleich zum letzten Jahr. Das heißt erstmal gar nichts, weil Tottenham ja auch richtig stark ist. Du musst auch die glücklichen Momente haben. Die hatten wir jetzt auch noch nicht so oft, dass man sagt: "Huch? Da habt ihr aber Glück gehabt!" Und wir dürfen dann sagen: "Ist ja wurscht, trotzdem gewonnen." Das hatten wir in Finals noch gar nicht. Solche Sachen brauchst du auch, aber das hast du nur, wenn du wirklich alles gibst. Und das werden wir wieder tun.

Es ist Ihre Aufgabe, mit Ihren Spielern psychologisch zu arbeiten. Aber auch mit sich selbst zu arbeiten: Sie könnten jetzt das nächste große Finale verlieren. Wie groß ist der Druck auf Ihnen persönlich und wie gehen Sie damit um?

Klopp: Der Druck wäre für mich riesengroß, wenn es für mich wichtig wäre, wie die Öffentlichkeit mich wahrnimmt. "Champions-League-Gewinner", das könnte mir nicht egaler sein, ob man das über mich sagt oder nicht. Der Druck ist dahingehend da, dass ich jetzt einige Male meine Familie und Freunde nach einem verlorenen Finale gesehen habe und das natürlich nicht ganz so lässig ist, weil die sehr mitleiden. Aber das ist eine rein private Geschichte. Ansonsten habe ich den Druck nicht, das muss ich ganz ehrlich sagen.

Das klingt extrem entspannt

Klopp: Ich würde wahnsinnig gerne das Finale gewinnen. Ob und wie mich die Leute danach wahrnehmen, ist mir ziemlich egal. Ich werde alles versuchen, und das habe ich die ganze Zeit auch schon versucht, um der Mannschaft die notwendigen Informationen zu geben, um zu gewinnen. Aber am Ende wird es die Mannschaft auf dem Feld entscheiden. Das Coole daran ist: Das ist die beste Mannschaft, mit der ich bisher im Finale war. Also sollten wir es einfach mal probieren.

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