Emre Can von Juventus im Interview: "Ich bin Fußballer, kein Politiker"

Emre Can möchte zurück ins DFB-Team.
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Klingt so, als lege Allegri viel Wert auf Taktik.

Can: Er ist ein Taktikfreak. Er stellt uns vor jedem Spiel anders ein, probiert ständig neue Varianten aus. Wir müssen fast in jedem Spiel den Gegner anders anlaufen, hinten anders verteidigen. Für ihn ist jedes noch so kleine Detail wichtig.

Seine Trainingsmethoden sollen auch nicht von schlechten Eltern sein.

Can: Ich habe ja schon bei Jürgen Klopp über das harte Training gemeckert. (lacht) Aber das Training hier ist noch einmal ein Stückchen härter. Wir müssen noch mehr laufen, machen noch mehr Krafttraining. Es war am Anfang eine große Umstellung für mich. Inzwischen hat sich mein Körper an die höhere Belastung gewöhnt.

Wie tickt Allegri als Mensch?

Can: Er ist sehr lustig. Viele Außenstehende denken das nicht, weil er an der Seitenlinie immer ernst wirkt, aber er macht oft Späße und lacht viel - auch wenn ich ihn ehrlich gesagt kaum verstehe, weil er aus der Toskana kommt und einen schwer zu verstehenden Dialekt spricht. (lacht) Er verschluckt viele Wörter.

Emre Can über Cristiano Ronaldo: "Was er leistet, ist unfassbar"

Allegri kann aber auch anders, wie man hört. Er soll dafür bekannt sein, seine Spieler immer wieder anzustacheln. Über Sie hat er beispielsweise im vergangenen Dezember gesagt, Sie müssten im Vergleich mit Miralem Pjanic noch lernen, den Ball schneller an den Mitspieler zu bringen.

Can: Der Trainer hat gut erkannt, dass mir im Passspiel manchmal die nötige Geschwindigkeit fehlt. Ich trainiere das sowohl individuell als auch mit der Mannschaft, bleibe oft auch länger auf dem Trainingsplatz. Auch wenn ich bereits auf einem hohen Level spiele, kann ich mich immer verbessern. Nur wenn man den Hunger hat, immer besser zu werden, kann man sich auf diesem Weltklasseniveau etablieren.

An Weltklasse mangelt es in Ihrer Mannschaft nicht. Wie groß ist eigentlich dieser Ronaldo-Effekt, von dem alle immer reden?

Can: Extrem groß. Ob in der Stadt, im Verein, in der Liga - alle reden über Ronaldo. Alle reden natürlich immer von dem Weltklasse-Fußballer. Für mich zählt aber in erster Linie der Mensch. Er ist sehr sympathisch und bodenständig. Jeder in der Mannschaft versteht sich gut mit ihm. Was er auf dem Platz leistet, ist unfassbar. Man merkt: Selbst mit 34 will er immer der Beste sein und der Welt Spiel für Spiel aufs Neue zeigen, was er kann. Allein seine Leistung gegen Atletico war der Wahnsinn.

Unternehmen Sie abseits des Platzes viel mit Ihm oder anderen Mitspielern?

Can: Wir sehen uns jeden Tag beim Training und die meisten von uns haben auch eine Familie, weshalb es nicht häufig vorkommt, dass wir in unserer Freizeit viel zusammen unternehmen. Wir veranstalten hin und wieder aber Mannschaftsabende, die ich so in dieser Form bislang bei keinem anderen Verein erlebt habe. Wir sind alle miteinander befreundet. Juventus ist ein familiärer Verein. Jeder begegnet sich mit Respekt und Herzlichkeit - das fängt beim Zeugwart an und hört beim Präsidenten auf. Bei uns würde jeder für jeden den Kopf hinhalten.

Emre Can: "Jürgen Klopp wollte mich halten"

Klingt so, als seien Sie in Turin angekommen.

Can: Ich fühle mich sehr wohl im Verein, aber auch sehr wohl in der Stadt und in dem Land. Ich würde sagen, das Leben hier passt gut zu mir. Das fängt schon beim Essen an. Wer liebt nicht die italienische Küche? Für mich gibt es neben der türkischen Küche kein besseres Essen. Außerdem sind die Menschen immer fröhlich und ziehen sich gut an. Das gefällt mir. Und ganz wichtig: Hier scheint fast jeden Tag die Sonne. Die Lebensqualität ist dadurch wesentlich höher als in Ländern wie Deutschland oder England, wo es häufiger regnet und bewölkt ist.

Haben Sie auch deshalb Liverpool verlassen?

Can: Nein, nein.

Wie hat Klopp auf ihren Wechsel reagiert?

Can: Er war enttäuscht. Er wollte mich halten, hat meine Entscheidung aber akzeptiert. Er wusste ja auch, dass es keine Entscheidung gegen ihn oder gegen Liverpool war, sondern für eine neue Herausforderung bei Juventus. Ich hatte in Liverpool eine wunderbare und unvergessliche Zeit und werde allen Menschen, die mich dort unterstützt haben, immer dankbar sein. Mit Jürgen Klopp habe ich auch heute noch ab und zu Kontakt.