Champions-League-Comeback dahoam nach 385 Tagen: Ein alter Neuer

Von Dennis Melzer
Manuel Neuer hielt dem FC Bayern München einen Punkt gegen Ajax Amsterdam fest.
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Auf diesen Moment hatte Manuel Neuer über ein Jahr lang gewartet. Vor 385 Tagen, der Gegner hieß RSC Anderlecht, hörte er zum letzten Mal die Champions-League-Hymne als Protagonist durch die Allianz Arena schallen, ehe er sein Tor aufgrund des langwierigen Mittelfußbruchs gegen die Tribüne, Arztpraxen und Rehazentren eintauschen musste.

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Im zweiten Gruppenspiel der neuen Königsklassen-Saison durfte der Kapitän endlich wieder applaudierend vor die Südkurve treten, um den Platz einzunehmen, den er so lange gezwungenermaßen an Sven Ulreich abtreten musste.

Die Fans des FC Bayern klatschten artig zurück, empfingen ihren Keeper wie immer großherzig. Die perfekten Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen und entspannten Fußballabend im Fröttmaninger Rund, wo an diesem Dienstag Ajax Amsterdam den Zorn der Münchner, der sich nach zuletzt zwei nicht gewonnenen Bundesliga-Spielen angestaut hatte, zu spüren bekommen sollte.

Statt die Niederländer mit Pauken und Trompeten zurück ins Königreich zu schießen, musste sich der deutsche Rekordmeister am Ende mit einem glücklichen 1:1-Unentschieden zufriedengeben, wobei Neuer viel häufiger gefordert wurde, als er sich wohl selbst im Vorfeld ausgemalt hätte. Zunächst lief alles nach Plan, Bayern biss sich in des Gegners Hälfte fest, hielt die blutjunge Truppe aus Amsterdam im Umkehrschluss vom eigenen Strafraum und somit auch von Neuer fern. Das Resultat der bayrischen Dominanz in den ersten Minuten: Drei gute Chancen, ein Tor durch Mats Hummels, dessen frenetischer Jubel wie eine Mischung aus abfallender Last und Aufbruchstimmung anmutete. Es sollte der letzte Freudenschrei bleiben.

Neuer: "Weiß nicht, warum unser Spiel einen Knacks bekommen hat"

Aus unerklärlichen Gründen ließen die Gastgeber den Kontrahenten munter mitmischen, nachdem sie ihn für eine Viertelstunde so sorgsam an die Kandare gebracht hatten. "Ich weiß auch nicht, warum unser Spiel einen Knacks bekommen hat", rätselte Neuer nach Abpfiff in der Mixed Zone. Er ergänzte, dass "sicherlich nicht alles schlecht" gewesen sei.

Eine Feststellung, der man durchaus zustimmen könnte, wenn man sie auf denjenigen bezieht, der sie aussprach. Tatsächlich ragte der Torhüter aus einer insgesamt sehr mäßigen Bayern-Mannschaft heraus, ja, war sogar dafür verantwortlich, dass die Hausherren überhaupt etwas Zählbares an der Isar behalten durften.

Sechs Paraden zeigte Neuer während des Spiels, entschärfte zunächst einen verdeckten Schuss des groß aufspielenden Hakim Ziyech, kurz vor dem Seitenwechsel lenkte er einen weiteren Versuch des Marokkaners über den Querbalken, zum Schluss manövrierte der Weltmeister von 2014 einen satten Freistoß von Lasse Schöne mit den Fingerspitzen noch an die Latte. Den einen typischen Neuer-Moment gab es ebenfalls, als Teamkollege David Alaba einen verunglückten Querschläger beinahe im eigenen Netz untergebracht hätte und Neuer offenbar aus Angst, das torschussähnliche Zufallsprodukt als Rückspiel vom Schiedsrichter ausgelegt zu bekommen, kurzerhand auf Hüfthöhe mit dem Fuß klärte. Zum Vergleich: Sein Gegenüber Andre Onana musste im Wohnzimmer der Bayern nur halb so viele Bälle klären.

Manuel Neuer lenkt Schönes Freistoß-Hammer an die Latte.
© getty
Manuel Neuer lenkt Schönes Freistoß-Hammer an die Latte.

FC Bayerns Durststrecke nach herausragendem Saisonstart

An dem abermals nicht zufriedenstellenden Auftritt seiner Vorderleute änderte die gute Leistung des 32-Jährigen freilich nichts. "Wir sind vor allem nach der Pause richtig geschwommen", gab Neuer vor den anwesenden Journalisten zu und verriet mit Hinblick auf den herausragenden Start in die neue Spielzeit, der Trainer Niko Kovac vor einer Woche fast noch einen Eintrag in die klubinternen Vereinsannalen eingebracht hätte: "Wir waren sehr sicher und haben guten Fußball gespielt. Aber auch da war nicht jedes Spiel perfekt. Wir sind früh hochgejubelt worden und wussten auch, dass wir nicht den Boden unter den Füßen verlieren durften, sowas geht schnell."

Apropos schnell gehen: Kovac hat in den vergangenen sieben Tagen auch erfahren, wie fix die Stimmung beim FCB von Eitel Sonnenschein in wolkenverhangen umschlagen kann, ist doch spätestens nach dem Remis gegen Ajax von Krise die Rede. "Wir haben gewusst, dass wir gegen unangenehme Gegner auch mal Punkte liegenlassen werden", erklärte Neuer, der nicht nur im Kasten, sondern auch im Pressebereich einen sehr aufgeräumten Eindruck erweckte.

FC Bayern München: Ajax in den Beinen, Gladbach im Kopf

Dementsprechend ging sein Blick auch schon wieder nach vorne: "Jeder Spieler wird motiviert sein. Dass wir die Qualität haben, wissen wir. Jeder sehnt sich danach, das nächste Spiel zu gewinnen. Nach so einer Durststrecke wird es Zeit", so Neuer bezüglich der anstehenden Begegnung am kommenden Samstag gegen Borussia Mönchengladbach. Das Duell mit Ajax wird die Mannschaft und die Berichterstattung aber dennoch bis dahin begleiten, das bleibt nicht aus, wenn der große Favorit etwas ins Straucheln gerät.

Umso schöner aus Bayern-Sicht, wenn es in diesen Tagen auch mal etwas Positives zwischen all der Panikmache zu vermelden gibt: Manuel Neuer, über dessen fehlende Spielpraxis fast ein halbes Jahr diskutiert wurde, ist 385 Tage nach seinem letzten Champions-League-Spiel vor heimischer Kulisse wieder der Alte.

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