Gute Momentaufnahme

Franck Ribery am Samstag mit dem Blumenstrauß anlässlich seines 200. Bundesligaspiels
© imago

Franck Ribery spielt seit neun Jahren beim FC Bayern München. Die letzten zwölf Monate waren zum Vergessen, doch pünktlich zur heißen Phase der Saison, die mit dem Viertelfinale in der Champions League gegen Benfica (20.45 Uhr im LIVETICKER) endgültig eingeläutet wird, meldet sich der 32-Jährige eindrucksvoll zurück. Plötzlich ist der gestern noch Totgesagte wieder unverzichtbar.

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Momentaufnahme. Im Fußball meist ein Nervbegriff. Häufig muss sie als Vokabel dafür herhalten, um ein Understatement zu machen oder vom Thema abzulenken. Ganz nüchtern betrachtet ist die Momentaufnahme das Festhalten eines kurzen Zeitraumes.

Klick. "Die Situation war schon brutal. [...] Wenn man neun Monate lang von der Tribüne aus zusehen muss, tut das weh." Ein Fußballer leidet, denkt darüber nach, wie es weitergeht. Aufgeben ist keine Option. Trotzdem...

Klick. "So ein Tor habe ich nicht oft in meiner Karriere geschossen. Ich bin sehr glücklich."

Ja, nein, vielleicht?

Zwischen beiden Momenten liegen nur wenige Monate. Monate, in denen viel darüber diskutiert und spekuliert wurde, ob Franck Ribery noch einmal der Alte werde und noch eine Zukunft beim FC Bayern habe - und: ob ihn der FC Bayern überhaupt noch brauche.

Die erste Frage ist schlicht nicht zu beantworten, die zweite offenbar vertagt, die Antwort auf die dritte ganz simpel: ja.

Wachablösung vollzogen

Eine Situation wie im vergangenen Frühjahr wollte der FC Bayern nicht mehr erleben. Das verletzungsbedingte Aus der legendären Flügelzange aus Ribery und Arjen Robben war gleichbedeutend mit dem CL-Aus des deutschen Rekordmeisters gegen den FC Barcelona. Dem Spiel fehlte es an Tempo, der Offensive an Überraschungsmomenten und schlicht an Klasse. Adäquate Alternativen: Fehlanzeige.

Im Sommer wurde also nachgebessert, für den Notfall und freilich auch für die Zukunft. Douglas Costa und Kingsley Coman entpuppten sich schnell als Volltreffer. Spielzeit erhielten beide Neulinge reichlich, denn Ribery stand gar nicht zur Verfügung, und Robben musste immer wieder Pausen einlegen.

Die Wachablösung war gewissermaßen schon vollzogen. Und Riberys Ausfall wurde allenthalben zwar menschlich bedauert, doch sportlich fiel er nicht ins Gewicht. Im neunten Jahr seiner Vereinszugehörigkeit und genauso langer Zeit als Superstar eines an schillernden Spielern nicht eben armen Kaders, war der Franzose abkömmlich.

"Das ist Wahnsinn"

Einige Monate später hat sich der Fokus grundlegend geändert. Die heiße Phase der Saison hat begonnen, die Crunchtime, die Zeit, wenn Titel und Trophäen vergeben werden, und Ribery ist nicht nur fit, sondern gefühlt unverzichtbar.

Der vermeintlich beste Robben aller Zeiten ist wieder einmal verletzt, Douglas Costa läuft seiner Topform im neuen Jahr, auch bedingt durch kleinere Blessuren, noch hinterher - und Nesthäkchen Coman scheint derzeit als Joker am wertvollsten zu sein.

"Ich bin wieder wichtig für die Mannschaft auf dem Platz, für die Fans, für die Bayern. Wenn du siehst, was ich gemacht habe seit meiner Rückkehr, das ist Wahnsinn", brachte es Ribery am Wochenende selbst auf den Punkt.

Ein fantastisches Tor

Zuvor hatte er gegen Eintracht Frankfurt gezeigt, was in ihm steckt und welche Impulse er den Bayern verleihen kann. Momentan scheint er der einzige zu sein, der fit genug und fähig zu sein scheint, einen ausschließlich aufs Verteidigen und Zerstören abzielenden Gegner im Alleingang auszuhebeln.

Die passende Momentaufnahme lieferte er mit seinem fantastischen Siegtor gegen den unbequemen Gegner gleich dazu.

"Franck wurde nachgesagt, nie mehr eine wichtige Rolle zu spielen. Jetzt sieht man, wie wichtig kurzfristig Totgesagte sind, wenn sie zurückkommen", sagte Sportchef Matthias Sammer.

Vertrag? "Ich weiß noch nichts"

326 Tage war Ribery ausgefallen zwischen Mitte März 2015 und Ende Februar 2016. Sosehr er in dieser Zeit auch gelitten, gegrübelt und an sich gezweifelt haben mag, es ist ihm auf dem Platz nicht anzumerken. Ribery kam und hatte sofort einen merklichen Effekt aufs Bayern-Spiel.

Am Freitag wird er 33 Jahre alt. Sein Vertrag beim FC Bayern läuft noch bis Sommer 2017. Dass er den gerne verlängern und seine Karriere in München beenden würde, ist kein Geheimnis, "denn hier bin ich ein glücklicher Mensch", stellte er jüngst im Bayern Magazin noch einmal klar.

Ein paar Jahre auf Topniveau traut er sich selbst und seinem geschundenen Körper noch zu.

Eine Verlängerung der Zusammenarbeit ist aber derzeit offenbar kein Thema, wie Ribery bestätigte: "Ich weiß noch nichts wegen des Vertrages. Wir müssen noch mal sprechen."

Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge wich Nachfragen zuletzt aus: "Über Personalpolitik werden wir nicht in der Öffentlichkeit diskutieren."

Nur 45 von 96 Spielen

Hätten die Fans ein Wörtchen mitzureden, wäre eine Diskussion ohnehin überflüssig. Dass die Bayern-Fans Franck Ribery lieben und verehren, ist eine Tatsache. Die Lobgesänge am vergangenen Samstag dürfte er trotzdem besonders genossen haben.

Man soll freilich nichts überstürzen. Gerade die Zukunftsplanung will wohl durchdacht sein, vor allem wenn viel Geld im Spiel ist und von einem Spieler die Rede ist, der in den vergangenen drei Bundesligasaisons nur in 45 von 96 Spielen mitwirkte oder mitwirken konnte.

Aber so ein Fingerzeig in die richtige Richtung zum Geburtstag...

Ribery würde sich sicherlich über die Maßen freuen und sein - wie es die FAZ sehr hübsch nannte - "schiefes, liebenswertes Schurkenlächeln" zeigen.

Ganz tolle Momentaufnahme. Klick.

Franck Ribery im Steckbrief

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