Das erste Mal seit Övrebö

Schiedsrichter Tom Henning Öbrebö traf 2009 viele fragwürdige Entscheidungen - sehr zum Ärger Ballacks
© imago

Der FC Chelsea hat sich unter Trainer Guus Hiddink stabilisiert. Die Partie im Champions-League-Achtelfinale gegen Paris St-Germain (20.45 Uhr im LIVETICKER) ist die Rückkehr des Niederländers in die Königsklasse. Sein letzter Auftritt weckt schlimme Erinnerungen. Trotzdem hoffen die Blues, dass sich Geschichte wiederholt.

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In der Kabine ging so richtig die Post ab. Guus Hiddink qualmte eine Zigarre, feierte Arm in Arm mit Roman Abramowitsch und mischte sich unter seine ausgelassenen Spieler. "Südamerikanische, osteuropäische und afrikanische Tänze wurden aufgeführt", sagte Hiddink. "Mein ganzer Körper zelebrierte den afrikanischen Tanz perfekt. Das war zumindest mein Eindruck", scherzte der Niederländer noch in den Katakomben.

Der FC Chelsea hatte im Wembleystadion gerade den FA Cup gewonnen. Hiddinks kurze Mission bei den Blues hatte damit im Mai 2009 ein "fast perfektes Ende" gefunden, wie er selbst sagte. "Es wäre absolut perfekt gewesen, wenn wir vor ein paar Tagen noch woanders gewesen wären."

Er meinte damit das Champions-League-Finale in Rom, in dem Manchester United eine Lehrstunde von Pep Guardiolas aufstrebendem FC Barcelona bekam. Nicht nur Chelsea-Sympathisanten sind auch sieben Jahre danach der Meinung, dass die Blues im Halbfinale gegen die Katalanen vom norwegischen Schiedsrichter Tom Henning Övrebö verpfiffen wurden und Barca in diesem Spiel eine Menge Glück hatte.

Durch das umstrittene Ausscheiden der Blues kam es nicht zur Final-Revanche von 2008, in der sich Chelsea zurecht gute Chancen gegen United ausgerechnet hätte. Immerhin hatte das Team nach der Amtsübernahme durch Hiddink von Luiz Felipe Scolari einen gewaltigen Lauf mit elf Siege in den letzten 13 Ligaspielen.

Hiddink stabilisiert Chelsea

Von dieser Dampfwalzenform ist Chelsea im Moment noch ein gutes Stück entfernt, aber Hiddink hat das Team auch in seiner zweiten Amtszeit stabilisiert und in elf Spielen noch keine Niederlage kassiert (5 Siege, 6 Remis).

Pünktlich zur wegweisenden Woche mit dem Champions-League-Achtelfinale gegen Paris St.-Germain und dem FA-Cup-Achtelfinale gegen Manchester City am Sonntag lieferten die Blues aber beim 5:1-Heimsieg immerhin die beste Saisonleistung ab.

Für Hiddink ist es das erste Champions-League-Spiel seit dem Aus gegen Barca 2009. Die Probleme, die der immer noch amtierende englische Meister in dieser Saison unter Jose Mourinho offenbarte, sind noch nicht endgültig verschwunden. Aber Hiddink hat dem Team wieder mehr Leben und Motivation eingehaucht.

Pragmatiker statt Ideologe

"Als ich ankam, habe ich jeden Spieler - und es waren fast alle bei der Meisterschaft vergangenen Saison dabei - gefragt, welchen Beitrag er zum Titel geleistet hat und was er in dieser Spielzeit nicht macht", erzählt Hiddink. Ihre Antwort haben die Spieler auch auf dem Platz gegeben. Chelsea ist wieder schwer zu schlagen.

Hiddink hat vor allem im mentalen Bereich angesetzt und die Spieler bei der Ehre gepackt. Als Taktikideologe wie sein Landsmann Louis van Gaal bei Manchester United ist er in seiner Karriere ohnehin nie aufgefallen.

Der 69-Jährige ist eher Pragmatiker, Ballbesitzstatistiken hält er für überbewertet. "Es kommt auf die Qualität des Ballbesitzes an", sagt Hiddink. "Was hilft es, 70 Prozent Ballbesitz zu haben, wenn der Gegner den Ball gar nicht will und das Ergebnis auf seiner Seite hat?" Für ihn muss der erste Gedanke nach Ballgewinn "immer vertikal" sein.

Verletzungssorgen in der Defensive

Außerdem stehen der Sport und die Mannschaft wieder mehr im Fokus. Mourinhos Kleinkrieg mit der Presse und den Offiziellen ist Geschichte. Wo Mourinho vor dem PSG-Spiel hinter den unterschiedlichen Voraussetzungen in den jeweiligen Ligen vermutlich eine große Ungerechtigkeit angeprangert hätte, analysiert Hiddink sachlich: "Wenn wir Spieler geschont hätten, hätte Newcastle sein Spiel besser aufziehen können."

Chelsea musste mit der vollen Kapelle ran, jeder Punkt zählt bei der mühseligen Aufholjagd, während PSG-Trainer Laurent Blanc Zlatan Ibrahimovic, Thiago Silva sowie Thiago Motta erst gar nicht in den Kader berief.

Die Folge: John Terry fällt mit einer Oberschenkelverletzung aus. Der 35-Jährige, dessen Vertrag am Ende der Saison wahrscheinlich nicht verlängert wird, ist der zweite verletzte etatmäßige Innenverteidiger nach Kurt Zouma (Kreuzbandriss), so dass Gary Cahill und Branislav Ivanovic im Zentrum die Angriffswucht der Franzosen stoppen sollen.

Dazu kommt, dass Diego Costa vergangene Woche einen Nasenbeinbruch erlitt und mit einer Gesichtsmaske spielen muss. Er ist nach Cahill, Nemanja Matic and Cesar Azpilicueta bereits der vierte Maskenmann Chelseas in dieser Saison. "Wir sind ein Zorro-Team", sagt Hiddink.

Wie damals unter Di Matteo?

Für den Niederländer ist nach dieser Saison wieder Schluss an der Stamford Bridge, sein Engagement war von Beginn an klar als Aushilfs- und Freundschaftsdienst deklariert. Zuletzt hielten sich Gerüchte, Max Allegri würde von Juventus nach London kommen. Doch jetzt scheint Diego Simeone als Nachfolger die besten Karten zu haben. Wie es bei den Blues kommende Saison weitergeht, hängt auch stark von dieser Woche der Wahrheit ab.

"Wir haben die wohl wichtigsten Spiele der Saison vor uns, aber durch den guten Start mit dem Sieg gegen Newcastle haben wir großes Selbstvertrauen", sagt Cahill. Der FA Cup ist der kürzeste Weg zu einem Titel und in den internationalen Wettbewerb. Bei 14 Punkten Rückstand in der Liga auf Manchester City und Platz vier, ist der Gewinn der Champions League wohl die einzige Chance, sich wieder für die Königsklasse zu qualifizieren.

So wie 2012, als Roberto Di Matteo das Team von Andre Villas-Boas übernahm, die Liga auf Platz sechs abschloss, aber in München dem FC Bayern den Henkelpott klaute. Und so hofft Chelsea, dass sich Geschichte wiederholt - zumindest in dieser Hinsicht. Denn einen zweiten Fall Övrebö möchte Hiddink und auch sonst keiner mehr erleben.

Der FC Chelsea im Steckbrief