"Barcelona hat Sehnsucht nach Pep"

Pep Guardiola ist in Barcelona immer noch sehr beliebt
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SPOX: Die Geschichte um Müller-Wohlfahrt verfestigte bei vielen in Deutschland die Meinung, dass Guardiola ein Machtmensch sei. Er widerspricht dem Ganzen. Was ist richtig?

Lluch: Der Pep Guardiola, den ich kennengelernt habe, ist ein sehr ehrgeiziger Mensch. Er will, dass alles perfekt funktioniert. Er lebt eine große Akribie vor. Ich kann verstehen, dass das Porträt eines Machtmenschen entsteht. Ich bin aber der Meinung, dass das ein verzerrtes Bild ist, weil er für mich kein Machtmensch ist.

SPOX: Woran machen Sie das fest?

Lluch: Er hat bei Bayern alle Verhältnisse respektiert. Bleiben wir beim Thema Müller-Wohlfahrt. Ich weiß, dass Pep nie etwas Negatives über ihn gesagt hat. Vielmehr war es wohl so, dass Müller-Wohlfahrt beleidigt war, dass der Vorstand ihn kritisiert hat. Guardiola hat bei Bayern weniger Macht als in Barcelona. Dort war er nicht nur Trainer, sondern Vereinssprecher. Wenn es eine Krise gab, dann ist er vorangegangen. Bei Barcelona war er alles, hier ist Pep nicht der Chef des Vereins.

SPOX: Der FC Bayern hatte schon früher Figuren wie Louis van Gaal oder Felix Magath, die sehr viel Macht beansprucht haben. Bis zu einem gewissen Punkt ließ man sie gewähren, irgendwann stießen sie aber an ihre Grenzen. Diese werden Guardiola offenbar nicht gesetzt.

Lluch: Karl-Heinz Rummenigge hat mir mal erzählt, dass beispielsweise Louis van Gaal alles so umgesetzt haben wollte, wie er sich etwas vorgestellt hat. Wenn er etwas in Blau haben wollte, musste es genau dieser Ton sein. Das Blau durfte nicht heller oder dunkler sein. Pep sei auch anspruchsvoll, aber er wisse, wie man etwas vorschlagen kann.

SPOX: In Barcelona war Pep wie der Staatspräsident, hier ist er, wie Sie sagen, nicht der Chef: Glauben Sie, dass er sich in dieser Rolle wohler fühlt?

Lluch: Pep fühlt sich sehr wohl hier. Auch in seiner Rolle. Als er vor dem Porto-Spiel gesagt hat, dass er seinen Vertrag in München erfüllen will, wusste ich, dass es ehrlich gemeint war. Einige deutsche Kollegen waren dennoch skeptisch: Sie haben mich gefragt, ob das stimmt.

SPOX: Die Frage lautet inzwischen vielmehr, ob Pep darüber hinaus bleibt.

Lluch: Ich glaube, dass er die Antwort selbst nicht kennt. Er weiß es selbst noch nicht, wie es kommt.

SPOX: Was wird ausschlaggebend?

Lluch: Da gibt es viele Faktoren: die Familie, die Mannschaft, der Hunger.

SPOX: Vielleicht auch die Lust auf eine neue Aufgabe?

Lluch: Ich glaube nicht. Er ist noch jung. Es ist offensichtlich, dass Pep nicht zehn Jahre bei Bayern bleibt, aber warum sollte er nicht noch einmal um ein Jahr verlängern?

SPOX: Die Mannschaft des FC Bayern steht ab 2016 vor einem Umbruch. Schwer vorstellbar, diesen mit einem Trainer zu beginnen, der sich dem Klub nur für ein Jahr verschreibt. Glauben Sie, dass er Lust auf einen Umbruch hat?

Die Opta-Statistiken des FC Barcelona und des FC Bayern in der CL-Saison 2014/15

Lluch: Die einzige Lust, die Pep momentan hat, ist den FC Barcelona zu besiegen. Er hat keine Zeit, mittelfristig oder langfristig zu denken. Ich nehme es ihm ab, dass er nicht weiß, wie es weitergeht.

SPOX: Es gibt verschiedene Arten von Trainern - und eigentlich von Menschen. Der eine sagt: "Ich habe mein erklärtes Ziel zum wiederholten Male nicht geschafft, soll es doch ein anderer versuchen." Der andere sagt: "Ich versuche es so lange, bis es klappt." Stichwort: Champions League. Was macht Guardiola, wenn man gegen Barcelona ausscheiden sollte?

Lluch: Dieses Halbfinale wird nicht über die Zukunft Guardiolas entscheiden. Wenn er es nicht schafft, wird er es erneut probieren. Wenn er die Champions League gewinnt, hat er die Chance auf die erste Titelverteidigung der Geschichte. Pep mag die Herausforderung und bei Bayern sieht er, dass noch viele Herausforderungen vor ihm stehen.

SPOX: Diese Herausforderung sah er in Barcelona nicht mehr gegeben. Nach seinem Weggang hat sich das Verhältnis zu den Verantwortlichen auch deutlich verkühlt. Als er im Camp Nou das Spiel gegen Manchester City sehen wollte, besorgte er Tickets im Fanblock, um nicht beim Vorstand in der VIP-Loge zu sitzen...

Lluch: Das ist kein Zufall. Der aktuelle Vorstand ist kein Fan von Guardiola und Johan Cruyff, und diese Ablehnung haben sie öffentlich gemacht. Am Tag der Auslosung hat das eine oder andere Vorstandsmitglied die Rückkehr Guardiolas als "anekdotisch" bezeichnet. Da ist Quatsch. Es ist etwas Besonderes.

SPOX: Viele erwarten, dass Pep irgendwann zum FC Barcelona zurückkehren wird. Wann wird es soweit sein?

Lluch: Er lehnt eine Rückkehr ab. Das ist der letzte Stand.

SPOX: Warum?

Lluch: Weil er der Meinung ist, dass die Erfolge von damals nicht wiederholbar sind. Die Zukunft ist natürlich offen, aber ich glaube, dass er andere Pläne hat. Auch wenn er ein Typ ist, der noch jeden Tag auf dem Platz stehen will, übernimmt er vielleicht irgendwann eine Nationalmannschaft.

SPOX: Die Spanische?

Lluch: Nein, das passt nicht (lacht). Vielleicht Argentinien, wer weiß.

SPOX: Isaac, Sie kennen den FC Bayern, Sie kennen den FC Barcelona. Wer kommt weiter?

Lluch: Ich bin kein guter Tipper, aber der FC Barcelona hat derzeit eine gute Form und vertraut dem Zusammenspiel von Messi, Luis Suarez und Neymar. Pep Guardiola hat das Spiel bestimmt schon unzählige Male im Kopf gespielt. Er hat sich bestimmt schon weit vor diesem Los nachts überlegt, wie denn eine Begegnung zwischen Barcelona und Bayern aussehen würde. Er hat sich aber sicher nicht vorgestellt, dass dann in der Realität Arjen Robben, Franck Ribery, David Alaba ausfallen werden. Das ist tragisch für ihn, versuchen wird er es trotzdem.

Isaac Lluch war schon Barcelona-Reporter, als Pep Guardiola dort noch Spieler war. 13 Jahre lang begleitete Lluch den Klub, ehe er 2010 nach Berlin zog, um als Deutschland-Korrespondent spanischer und katalanischer Medien zu arbeiten. Mit Guardiola zog auch Lluch nach München und berichtet seitdem täglich für diverse spanische, katalanische und japanische Medien über den FC Bayern und Guardiola.

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