Weniger Busquets, weniger Kollektiv

Luis Enrique hat seine Mannschaft um Lionel Messi herum gebaut
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Die Chancenerarbeitung

Wer das Barcelona von Guardiola mit dem von Enrique vergleicht, findet im letzten Drittel kaum noch Gemeinsamkeiten. In dieser Saison hat sich das Spiel in der Offensive merklich verändert, der Fokus ist ein anderer. Überspitzt gesagt, wurde das Kollektiv durch Individualität ersetzt.

Bisher hatte sich Barcelona über die große Beweglichkeit und das ständige Herstellen von Überzahlsituationen in Ballnähe definiert. Pässe auf engem Raum, teilweise fünf, sechs Zuspiele innerhalb von wenigen Sekunden, bis sich ein Spieler befreien konnte und den entstandenen Platz nutzte, um einen Pass in die Lücke zu spielen.

Das ist nicht gänzlich verloren gegangen. Doch Enrique vertraut mehr auf sein Sturmtrio, auf deren Fähigkeiten im Eins gegen Eins und der Unterstützung aus dem Mittelfeld.

Alles ist auf schnelle Durchbrüche ausgerichtet, der handballartige Ballbesitz vor dem gegnerischen Strafraum existiert praktisch nicht mehr. Über die Saison kristallisierten sich drei immer wieder auftretende Varianten heraus.

Variante 1: Die Flanke von rechts. Lange waren die Flanken von Dani Alves regelrecht Kult in Barcelona, der Brasilianer flankte ohne Abnehmer und ohne große Genauigkeit in die Mitte, Barcelona spekulierte auf zweite Bälle. Mit Luis Suarez ist nicht nur ein Abnehmer gefunden, auch die restliche Mannschaft hilft mit.

Mit dem oft in den Strafraum stoßenden Rakitic und mindestens zwei weiteren Spielern wird die Mitte mehrfach besetzt. Knapp jede dritte Flanke von Alves findet ihr Ziel, fast zehn Prozent mehr als noch in der letzten Saison.

Variante 2: Tempo über El Tridente. Barcelona bestraft Lücken zwischen Abwehr und Mittelfeld gnadenlos. Speziell wenn Messi es schafft, sich im Sechserraum von seinem Gegenspieler zu lösen und Tempo aufzunehmen, wird es nahezu immer gefährlich. Die Spieler kreuzen intelligent, es wird versucht, immer in einer Viererreihe die gegnerische Abwehr auseinanderzuziehen.

Suarez ist hier oft der Schlüssel zum Erfolg. Der Neuzugang löst sich individualtaktisch perfekt, setzt Körper wie Arme geschickt ein und ist ein steter Unruheherd mittig zwischen zwei Verteidigern, um die Zuordnung zu erschweren. Er weiß exakt, wann er starten muss und wann eine diagonale Bewegung Lücken schafft.

Die Offensive spielt in diesen Momenten ihre hohe Qualität aus. Egal ob Neymar, Messi oder Suarez - jeder Spieler kann eine Abwehr entblößen. Können sie Tempo aufnehmen und vom Flügel nach innen, bzw. sogar aus der Mitte heraus einen Gegenspieler aussuchen und andribbeln, sind sie kaum zu verteidigen.

Variante 3: Der simple Doppelpass. Durch die starre Formation in der Offensive hat Barcelona im Angriff stets eine Menge Anspielstationen und eine sehr gute Raumaufteilung. Dies entfaltet seine Wirkung besonders oft über links. Neymar soll das Dribbling suchen, Linksverteidiger Alba mit unterstützenden Läufen die Räume öffnen.

Der ballnahe Achter bietet sich für einen Doppelpass an, den Neymar spielt, nachdem er einen oder zwei Gegenspieler mit kurzem Ballhalten gebunden hat. Der ballferne Achter stößt in den Strafraum hinein, ebenso wie die beiden anderen Stürmer.

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Seite 5: Die neu entdeckte große Stärke

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