Der Schuss Anarchie

Thomas Müller erzielte in dieser CL-Saison sechs Tore
© getty

Thomas Müller spielt immer. Auch unter Pep Guardiola hat sich an dieser Behauptung beim FC Bayern kaum etwas geändert. Trotzdem haben zwei Auswechslungen des Nationalspielers zuletzt eine Debatte entfacht. Im Rückspiel des Champions-League-Halbfinals gegen den FC Barcelona (20.45 Uhr im LIVE-TICKER) wird Müller eine entscheidende Rolle zufallen.

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Am Samstag wollte Thomas Müller nichts sagen. Für die wartenden Journalisten in der Arena hatte er nur eine Bemerkung parat: "Heute keine Interviews oder sowas, nicht dass irgendwo wieder eine Lippenleserin daherkommt."

Es war die gewohnt launige Art, mit der Müller das Thema rund um seine angeblichen Aussagen nach seiner Auswechslung vergangenen Mittwoch in Barcelona aufgriff und gleichzeitig auch seine Sicht der Dinge transportierte. Es war ihm zuwider, dass ihm seine nachvollziehbare Unzufriedenheit derart vorgehalten wurde.

Am Montag musste Müller dann etwas sagen. Der FC Bayern hatte zur offiziellen Presskonferenz vor dem Rückspiel gegen Barca geladen und Müller neben Rafinha aufs Podium gesetzt. Bevor es losging, legte der Brasilianer noch schnell Hand an und zupfte Müller den Kragen seines Poloshirts zurecht, er sollte ja ordentlich aussehen.

"So funktioniert ja Journalismus"

Mediendirektor Markus Hörwick konfrontierte Müller in den einleitenden Fragen mit einem Satz von Barca-Trainer Luis Enrique ("Es sieht nicht gut aus für uns"), den Müller auch gleich für eine kleine Medienkritik nutzen konnte.

"Man merkt, dass du aus dem Pressebereich kommst", scherzte Müller. "Du nimmst kleine Zitate aus dem Zusammenhang und nutzt sie dann so, wie du sie brauchst. So funktioniert ja Journalismus." Müller ist ein schlauer Typ, der weiß, wie er in den Medien ankommt und der auch weiß, wie er sie steuern kann.

Worauf nicht nur die Medien am Dienstag warten, ist das oft zitierte Wunder. Eine historische Aufholjagd, die der FC Bayern braucht, um doch noch ins Finale der Champions League einzuziehen. "Wir wollen euch die Chance geben, dass ihr es als Wunder betiteln könnt", sagte Müller dazu.

Müller spielt immer

Dass Müller wieder in der Startelf stehen wird, darf als gesichert gelten. Der von Louis van Gaal geprägte Satz "Müller spielt immer" hat auch unter Pep Guardiola Gültigkeit. Müller kam in 30 von 32 möglichen Bundesligaspielen, in 9 von 11 möglichen CL-Spielen und in allen DFB-Pokalspielen zum Einsatz.

Mit Juan Bernat, Robert Lewandowski und Jerome Boateng haben wettbewerbsübergreifend nur drei Feldspieler mehr Einsatzzeit bekommen als Müller - dahinter folgt nebenbei bemerkt Mario Götze. Müllers Statistik liest sich ebenfalls blendend: 13 Tore und zehn Assists in der Liga, sechs Treffer und drei Vorlagen in der Königsklasse.

Zwei Auswechslungen von Müller gegen Borussia Dortmund sowie in Barcelona und ein paar kritische Äußerungen von TV-Experten haben gereicht, um das ohnehin schon unruhige Umfeld noch mehr in Wallung zur bringen - inklusive Lippenleserin.

Thomas Müllers CL-Statistiken in der Saison 2014/15

Auswechslungen? Kein Problem

Müller hat am Montag seine emotionale Reaktion im Camp Nou verteidigt. Er hat aber auch gesagt, dass er die Autorität des Trainers akzeptiere und keine Erklärung für eine Auswechslung brauche. "Sonst gibt es in den 50 Spielen einer Saison nur Theater." Guardiola habe oft genug bewiesen, dass er die richtigen Entscheidungen treffe.

Wie Guardiola seine Mannschaft ausrichten wird, scheint klar. Er wird nicht nochmal ein wildes Anstürmen durchwinken wie vor einem Jahr gegen Real Madrid. Der bloße Gedanke an Tore führe nicht zum Erfolg, die Treffer müssten das Resultat der Spielweise sein. Mit offenem Visier aber nicht dumm wollen die Bayern spielen, erklärte Müller.

Bayern wird wieder versuchen, dem FC Barcelona den Ball wegzunehmen und dabei nicht in Konter zu laufen. "Wir müssen die Mischung finden und besser angreifen", sagte Müller. "Aber wenn wir den Ball haben und mehr Spieler über außen kommen, werden wir mehr Torchancen bekommen."

"Es ist noch nicht vorbei"

Müller war es, der in Barcelona die beste Chance von Robert Lewandowski vorbreitete, weil er einmal mehr sein Gespür für die Situation und seine Geschicklichkeit im Zweikampf unter Beweis stellte.

Müller ist dieser Schuss Anarchie, den die Bayern immer gut gebrauchen können. Er ist ein Spieler, der Räume öffnet, selbst in die Tiefe geht und Zug zum Tor hat. Vor allem in Abwesenheit der Tempospieler Arjen Robben und Franck Ribery sind Müllers Offensivqualitäten enorm wichtig für die Münchner.

Dazu kommt, dass der 25-Jährige auf dem Platz mit großer Emotionalität vorangeht und seine Mitspieler motiviert. Er hat nach dem 0:3 sogar eine Art "Aufbruchstimmung" im Team ausgemacht. "Wir müssen etwas bewegen. Die Jungs wollen, der Trainer will. Es ist noch nicht vorbei."

Schließlich haben die Bayern auch in den Runden zuvor mit zwei hohen Siegen zuhause das Weiterkommen eingetütet: 7:0 gegen Schachtjor Donezk, 6:1 gegen den FC Porto. Zwar nannte auch Müller Barca ein anderes Kaliber, weshalb man nicht davon ausgehen könne, dass es so läuft wie gegen Porto. "Aber unser Ziel ist es und wir brauchen es."

Thomas Müller im Steckbrief

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