"Für jeden Bayern-Spieler peinlich"

Von Interview: Benedikt Treuer
Jean-Marie Pfaff ist auch nach seiner Fußball-Karriere in Belgien noch ein TV-Star
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SPOX: Im Viertelfinale der Champions League kommt es nun zur Neuauflage des Duells mit Porto. Kann der Außenseiter die Bayern erneut ärgern?

Pfaff: Porto ist eine sehr strukturierte Mannschaft, die gut auf Ergebnis spielen kann. Sie wollen zwar mitspielen, stehen defensiv aber ebenso gut. Auch nach Standards sind sie wahnsinnig gefährlich. Der Verein hat sich in den letzten 20 Jahren riesig entwickelt. Man darf sie keineswegs unterschätzen. Wenn Bayern das Tempo aber hochhält und sie permanent unter Druck setzt, werden es die Portugiesen schwer haben. Sie haben es nicht gerne, wenn man sie in ihrem Ballbesitz stört. Wenn man sie aber spielen lässt, werden sie zu Chancen kommen. Dann kann sich 1987 wiederholen.

SPOX: Hat das Endspiel von damals heute überhaupt noch irgendeine Bedeutung?

Pfaff: Das Spiel selbst hat keine Relevanz mehr, zumal es ein Finale war. Wenn man Zweiter wird, spricht wenige Zeit später sowieso keiner mehr über dich. Rückblickend waren es aber genau solche Abende, die Bayern München groß gemacht haben. Man hat gesehen, wo es an Mentalität und Charakter noch fehlte und ist gestärkt daraus hervorgegangen. Die heutige Bayern-Mannschaft ist viel gefestigter. Die Spieler können auf mehreren Positionen eingesetzt werden und passen charakterlich und taktisch in das System.

SPOX: Wie schwer wiegen die Ausfälle von Robben und Alaba? Wird das Guardiola in dieser Saison noch Probleme bereiten?

Pfaff: Pep Guardiola kann das mit dem großen Kader auffangen. Bayern hat keine Ersatzspieler. Diejenigen, die mal auf der Bank sitzen, wären in jedem anderen Bundesliga-Team gesetzt. Die Psychologie im Team stimmt und jetzt ist auch Philipp Lahm zurück. Wenn er sich wieder vollständig eingefunden hat, wird das den Bayern noch einmal weiterhelfen. Alle Spieler, die bei Bayern in die erste Elf rücken, übernehmen die gleiche Verantwortung. Das macht diesen großen Klub aus.

SPOX: Ihr Landsmann Thibaut Courtois verpasste mit Chelsea das Viertelfinale - genauso wie alle anderen englischen Mannschaften. Hat die Premier League an Glanz verloren?

Pfaff: So ein Schluss ist zu schnell gezogen. Die englische Nationalmannschaft hatte einige Jahre keinen großen Erfolg mehr, was auch auf die Liga abgefärbt ist. Jetzt hat England wieder viele junge, talentierte Spieler, was sich in den nächsten Jahren bemerkbar machen wird. Außerdem wissen wir doch: Wenn bei einem Verein wie Chelsea der Erfolg ausbleibt, öffnet Abramowitsch im Sommer wieder das Portemonnaie und lässt Millionen für neue Spieler ausgeben.

SPOX: Ist das für Sie nachvollziehbar?

Pfaff: Die Investitionen, die heute bei den großen Klubs getätigt werden, sind Wahnsinn. Die Finanzen haben eine ganz andere Qualität erreicht. Da können kleine Vereine nicht mehr mitmachen. Man muss fast überlegen, die besten Vereine in eine eigene Liga mit acht Mannschaften zu stecken und sie ihren eigenen Wettbewerb ausspielen zu lassen. Fußball ist nicht mehr nur Fußball. Es ist ein Geschäft geworden.

SPOX: Eines, in dem auch Courtois heiß gehandelt wird. Ist er der moderne Jean-Marie Pfaff?

Pfaff: Nein. Es gibt nur einen Jean-Marie Pfaff (lacht). Courtois ist unbestritten ein guter Torwart. Thibaut ist aber noch jung und wird sich weiterentwickeln. Er hat bisher bei Vereinen gespielt, die in ihrer jeweiligen Liga zu den stärksten Vereinen gehörten. Da hatte er ohnehin nicht so viel zu tun. Es gibt einige Torhüter, die gut wirken, weil sie mit den Besten zusammenspielen. Wenn sie aber in einer schwächeren Mannschaft spielen, sieht man erst ihre eigentliche Stärke.

SPOX: Haben Sie ein Beispiel?

Pfaff: Iker Casillas. Er hatte das Glück, immer mit Weltklasse-Spielern auf dem Platz zu stehen. Wenn es bei Real aber mal nicht so gut lief, hat man gesehen, dass auch Casillas Schwächen hat.

SPOX: Und das befürchten Sie auch bei Courtois?

Pfaff: Ich finde nur, dass man in einer großen Mannschaft länger braucht, sich zu beweisen, als das in kleineren Vereinen der Fall ist. Qualitativ muss man bei Courtois noch abwarten. Manuel Neuer ist große Klasse. Courtois ist aktuell Klasse.

SPOX: Ein weiterer diskutierter Namen im belgischen Fußball ist aktuell Kevin de Bruyne. Wie nimmt man seine Entwicklung wahr?

Pfaff: Der Junge ist auf dem besten Weg, ein ganz Großer zu werden. Auch bei ihm muss man aber noch ein, zwei Jahre abwarten. Für ihn wäre das Beste, sich in Wolfsburg noch fertig zu entwickeln, bevor er wechselt. Wichtig ist, dass er gesund bleibt und sich nicht verletzt. Er steht aktuell für Wolfsburgs individuelle Klasse. Wenn er nicht mitspielt, fehlt es dem VfL an Kreativität.

SPOX: Hätte er auch bei den Bayern eine Chance? Bei Chelsea konnte er sich auf Dauer nicht durchsetzen.

Pfaff: Kevin de Bruyne kann überall spielen. Wenn die Zeit reif ist und Bayern mal wieder einen neuen Spieler braucht, könnten sie sich de Bruyne problemlos kaufen. Es muss nur ein Platz frei sein. Generell passt Kevin aber besser in die Bundesliga als beispielsweise nach England.

SPOX: Warum?

Pfaff: Der Fußball in Deutschland bezieht sich mehr auf die Mannschaft und den Charakter. De Bruyne ist ein Teamspieler, der gerne mit seinen Kollegen kombiniert und sehr mannschaftsdienlich agiert. In England ist der Fußball egoistischer.

Seite 1: Pfaff über ein Geschenk für den Papst und die Final-Blamage von '87

Seite 2: Pfaff über den FCB-Kader, Courtois und einen möglichen De-Bruyne-Wechsel

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