Wild Wild West

Von Daniel Reimann
Der FC Chelsea erzielte hohe Transferüberschüsse mit dem Wechsel ehemaliger Leihspieler
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Dem wirtschaftlichen Aspekt des Leihmodells kommt damit eine wesentliche Bedeutung zu. Aufgrund des Financial Fairplay ist Chelsea auf Einnahmen angewiesen. Doch im Vergleich zu anderen Top-Klubs haben die Blues in puncto Auslandsvermarktung noch Rückstand.

"Die Realität sieht so aus, dass die Vereine, die seit Jahren schon an mit einer größeren Fanbasis an der Spitze und mehr Einnahmen generieren, die großen Geldausgeber bleiben. Real, Barca, Bayern und Manchester United, all diese großen Teams haben da einen Vorteil", glaubt Jose Mourinho.

Will Chelsea aber in Zeiten des FFP auf dem Transfermarkt die offensive Strategie der letzten Jahre beibehalten, ist der Verein auch auf hohe Ablösen für seine Talente angewiesen. Mittlerweile leisten diese einen erheblichen Beitrag dazu. Der sportliche Verlust hielt sich dabei in Grenzen: Bei Chelsea hatte keiner der vier genannten eine wirklich vielversprechende Perspektive.

Courtois als Beispiel für den Best Case

Allerdings soll der finanzielle Aspekt - geht es nach den Chelsea-Verantwortlichen - nicht die primäre Rolle spielen. "Wir schicken unsere Spieler nicht weg, um die Kohle wieder einzutreiben. Wir schicken sie weg, weil wir sie spielen und sich weiterentwickeln sehen wollen", so Emenalo.

Mittlerweile beginnt sich Chelseas Leihmodell tatsächlich auch in sportlicher Hinsicht auszuzahlen. Thibaut Courtois wurde einst als 19-Jähriger für rund neun Millionen Euro geholt und direkt an Atletico weitergegeben - Leihgebühr und Gehalt inklusive. Drei Jahre später kehrte er im Sommer 2014 als einer der besten Torhüter Europas zurück und hat Petr Cech längst verdrängt.

Auch Nemanja Matic ist unter Mourinho unverzichtbar geworden, wenngleich er nicht den klassischen Leihspieler-Weg eingeschlagen hat. Nachdem er 2011 als Teil des David-Luiz-Deals an Benfica verkauft wurde, holten ihn die Blues vergangene Sommerpause zurück. Seitdem erhielten nur drei Spieler mehr Einsatzminuten als er.

Darüber hinaus zeigt ein Blick auf die Liste von Chelseas aktuell verliehenen Spielern: Es gibt noch einige Kandidaten, die eines Tages dem Verein entweder finanziell oder sportlich einen enormen Dienst erweisen könnten. Seien es Englands Top-Talente Lewis Baker und John Swift, die bereits bekannten Mohamed Salah und Marco van Ginkel oder sogar einer der Bundesliga-Legionäre (Romeu, Piazon).

Supertalente springen über die Klinge

Doch die Liste offenbart auch eine von diversen Schattenseiten des Geschäftsmodells. Denn Kakuta ist nicht der Einzige, dem einst eine große Karriere prophezeit wurde und der noch immer als Chelsea-Leihgabe auf der Suche nach dem Durchbruch durch Europa wandelt.

Josh McEachran, einst Englands große Nationalmannschaftshoffnung, kommt auf lediglich elf Einsätze für die Blues, deren Trikot er schon als Achtjähriger trug. Vitesse Arnheim ist mittlerweile seine fünfte Station als Leihspieler. Oder Ulises Davila, der vor vier Jahren für zwei Millionen aus Guadalajara geholt wurde und mittlerweile beim portugiesischen Abstiegskandidaten Setubal Spielpraxis sammelt.

Karriereverläufe wie der von Kakuta und Co. sind jedoch nur eine logische Konsequenz. Eine Zwangsläufigkeit der flächendeckenden Talent-Akquise. Jedes derart auf Masse ausgelegte Projekt produziert Ausschuss. Chelseas Methode ist es geworden, schlicht derart viele Supertalente zu verpflichten, dass es schon ein paar schaffen werden. Der Rest wird über das Ausleihmodell entweder sportlich oder finanziell wertvoller - oder springt über die Klinge des Fußballgeschäfts.

Moralisch und rechtlich bedenklich

Das System wirkt angesichts des Alters der Spieler und der Verführung, so früh schon bei einem Verein wie Chelsea zu unterschreiben (und entsprechendes Geld zu verdienen), bisweilen rücksichtslos. Der moralische Vorwurf falscher Versprechungen ist nur schwer von der Hand zu weisen. Auch das, was Christoph Kramer einst als Menschenhandel bezeichnet hatte, erhält bei Chelsea eine besondere Dimension. Wenngleich der Verein damit keineswegs alleine dasteht.

Gleichzeitig nimmt das System jedoch auch mit Blick auf die Regularien bedenkliche Züge an. Vitesse Arnheim gilt seit Jahren als Farmteam, zwischenzeitlich hatte Chelsea dort sechs Leihspieler geparkt. Die Verbindungen von Vereinsverantwortlichen sind augenscheinlich. Der Vorwurf wurde laut, Chelsea wolle eine Qualifikation Arnheims für die Champions League verhindern. Sogar der niederländische Verband nahm Ermittlungen auf.

Auch in England gibt es Kritik. Der "Guardian" bezeichnete Chelseas Methode unlängst als "Wild West of Football". Doch die Premier League will von Beschränkungen bei der Ausleihe von Spielern nichts wissen. "Es gibt derzeit keinen Grund zur Veränderung" der entsprechenden Regularien, verkündete ein Sprecher und verwies in Sachen internationale Leihgeschäfte auf die FIFA.

Und deren letzter Versuch, Chelsea in die Schranken zu weisen, endete bekanntermaßen mit einem Freispruch.

Seite 1: Chelsea und das Ausleihen als Geschäftsmodell

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