"Der Schalker Weg ist alternativlos"

Horst Heldt ist seit Juli 2010 beim FC Schalke 04 als Manager im Amt
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SPOX: Der dichte Rahmenterminkalender und die hohe Belastung der Spieler werden praktisch von allen Seiten kritisiert. Dennoch hat man den Eindruck, diese Kritik verhalle ungehört, weil sich niemand wirklich zuständig fühlt. Täuscht dieser Eindruck?

Heldt: Ganz und gar nicht. Die Macht der Vereine ist begrenzt. Diejenigen, die Einfluss nehmen könnten, nehmen sich der Situation nur bedingt an, weil dort wieder andere politische Kräfte wirken. Vieles geht zu Lasten der Vereine, das lässt sich nicht mehr wegdiskutieren.

SPOX: Was muss also passieren, wer kann Einfluss nehmen?

Heldt: Europäisch gesehen müssten sich die starken Vereine zusammentun und gegen die FIFA und UEFA agieren. Das fordere ich nicht, aber es erscheint mir das einzig realistische Szenario. Viele kleinere Verbände finanzieren sich aber über die Länderspiele, so dass sich der Einfluss größerer Verbände wiederum in Grenzen hält. Fakt ist: Am Ende der Kette sind die Vereine die Leidtragenden.

SPOX: Hört sich ziemlich ausweglos an. Es müsste sich wohl der Fußball wieder zurückentwickeln.

Heldt: Tja, das ist nicht möglich. Damit hängen die Verletzungen und hohen Belastungen aber durchaus auch zusammen, keine Frage. Der Fußball ist noch dynamischer und athletischer geworden. Es ist erwiesen, dass man früher weniger gelaufen ist und weniger Sprints oder intensive Läufe abgespult hat. Das hat sich mehr oder weniger beinahe verdoppelt. Wenn man dann aber gefordert ist, dies im Dreitages-Rhythmus zu machen, macht der Körper das irgendwann nicht mehr mit.

SPOX: Eine Art Teufelskreis, an dem sich kurzfristig nichts ändern wird. Woran sich ebenfalls nichts ändern soll, ist, dass Schalke eingetragener Verein bleibt. Der FC Bayern und Borussia Dortmund haben sich strategische Partner ins Boot geholt und frisches Geld bekommen. Fürchten Sie um die Schalker Konkurrenzfähigkeit?

Heldt: Nein. Sehen Sie: Wir haben uns in den letzten drei Jahren in Vorstand und Aufsichtsrat der Aufgabe verschrieben, zwei große Ziele zu erreichen und ein drittes anzupacken. Das erste Ziel war, den Verein finanziell zu konsolidieren. Das ist gelungen, wir haben unsere Verbindlichkeiten um rund 70 Millionen Euro abbauen können. Gleichzeitig galt es, dabei den größtmöglichen Erfolg zu generieren. Mit den drei Teilnahmen in die Champions League hat das ebenfalls funktioniert.

SPOX: Welches ist Ziel drei?

Heldt: Mittelfristig in Steine zu investieren, um die Grundvoraussetzungen für die kommenden Jahre zu legen. Wir wollen ein Trainingsgelände, das den Anforderungen auch gerecht wird. Das packen wir in naher Zukunft an.

SPOX: Dennoch: Die Konkurrenz schläft nicht.

Heldt: Korrekt. Vereine wie der HSV oder wohl bald auch der VfB Stuttgart gliedern aus, andere haben schon strategische Partner. Das macht die Situation für uns, die wir ein e.V. sind und auch bleiben wollen, natürlich nicht leichter. Dennoch bleiben wir bei unserem Bestreben, unter diesen, unseren Voraussetzungen das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Das wird nicht einfach, aber wie beschrieben hat die jüngere Vergangenheit gezeigt, dass es durchaus möglich ist.

SPOX: Bei aller Konkurrenzsituation muss Schalke auch in den nächsten Jahren der Spagat gelingen, einerseits möglichst in der Champions League vertreten zu sein, andererseits die Verbindlichkeiten weiter abzubauen. Sähen Sie noch eine andere Möglichkeit?

Heldt: Nein, der Schalker Weg ist alternativlos. Aus dem gerade genannten Grund: Wir sehen uns als e.V. und wollen e.V. bleiben. Natürlich setzt man sich Rahmenbedingungen und tut sich leichter, wenn diese Leitplanken nicht zu eng gesteckt werden. Es ist auch ein Drahtseilakt, auf dem man sich befindet. Wir stehen weiterhin vor großen Herausforderungen, denen wir uns wie bislang stellen wollen.

SPOX: Wenn Sie den Vorsprung der Bayern und die Dortmunder Entwicklung zur deutschen Nummer zwei sehen, die finanziellen Schwergewichte aus Leverkusen, Wolfsburg und bald Leipzig noch dazu nehmen, welcher Anspruch ist dann für Schalke in den nächsten Jahren überhaupt realistisch?

Heldt: Das erklärte Ziel für die Zukunft habe ich gerade eben beschrieben (lacht). Wir wollen versuchen, diese Begebenheiten aufrecht zu erhalten. Es wäre falsch, sich von dem zu verabschieden, wovon wir in der Vergangenheit gelebt haben. Wir haben uns die Ziele in der aktuellen Konstellation gesetzt und wollen sie auch in dieser Konstellation angehen. Andererseits muss auch wirklich jedem bewusst sein, dass sich andere Vereine andere Voraussetzungen schaffen, die dadurch die Möglichkeit besitzen können, in der einen oder anderen Situation freier zu agieren.

SPOX: Keller meinte in seinem Interview auch, dass sich kaum ein Verein in Deutschland einen solchen Erfolgsdruck auferlege wie Schalke. Passt Understatement nicht zur Marke S04?

Heldt: Uns würde es doch niemand abnehmen, wenn wir nach dreimaliger Qualifikation für die Königsklasse plötzlich Platz sechs als Ziel ausgeben. Das glaubt doch niemand. Selbst die eigenen Spieler würden das als lächerlich empfinden.

SPOX: Borussia Mönchengladbach ist in letzter Zeit mit Understatement gut gefahren.

Heldt: Unsere Historie der letzten Jahre ist doch aber eine ganz andere. Wir waren in den letzten zehn Jahren neun Mal international vertreten und haben uns vielleicht auch durch den Druck, den wir uns selbst auferlegen, zu den Top 10 in Europa gemausert. Wir hätten es als zweiter deutscher Verein überhaupt fast geschafft, in Topf 1 der Champions-League-Auslosung zu kommen. Die ambitionierten Ziele, die wir uns gesteckt haben, tragen also durchaus ihre Früchte. Klar, man konnte und kann immer besser agieren. Man vergisst aber viel zu oft unsere Erfolgsgeschichte der vergangenen Jahre.

SPOX: Dass das Thema Meistertitel zuletzt aber mehr hemmte als motivierte, hat Clemens Tönnies kürzlich eingestanden. Pflichten Sie ihm bei?

Heldt: Ja. 2001 und 2007 haben wir zwei Mal intensiv an der Schale gekratzt. Wenn man das aber aus der aktuellen Warte heraus analysiert, dann scheint man damals zu einem gewissen Zeitpunkt mit der Last des Drucks nicht zurechtgekommen zu sein. Das ist rückblickend von mir zwar einfach gesagt, denn ich war nicht dabei und brauche auch nicht so zu tun, als wüsste ich es besser.

SPOX: Aber?

Heldt: Natürlich haben diese beiden Episoden bei uns dafür gesorgt zu sagen, dass wir den Druck der unbedingten Meisterschaft aus den Köpfen der Leute kriegen müssen. Gleichzeitig dürfen wir aber auch nicht den Fehler machen, uns kleiner zu machen als wir sind. Wir dürfen den Traum vom Titel nicht verlieren, müssen uns aber realistisch sowie zeitgemäß einschätzen. In diesem Spannungsfeld bewegt man sich als ambitionierter und zweitgrößter Verein Deutschlands.

SPOX: Wer glauben Sie, wird der nächste Überraschungsmeister der Bundesliga?

Heldt: (überlegt lange) Dieses Jahr wird es keinen Überraschungsmeister geben. Um sagen zu können, was die nächsten Jahre passiert, dafür reicht mein Bauchgefühl nicht aus. Ich bin aber überzeugt, dass es auch weiterhin Überraschungsmeister geben wird.

Seite 1: Heldt über Bayerns Dominanz, Entschleunigung bei S04 und 30-Mann-Kader

Seite 2: Heldt über Belastungsprobleme, den S04-Weg und das Thema Meisterschaft

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