Tote Ochsen pressen nicht

Bei den englischen Klubs läuft es derzeit nicht rund - Pep und Kloppo dürfen zufrieden sein
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Storm Trooper mit Dynamit in der Hose

"Das grundlegende Problem liegt schon am Spielertyp, den wir produzieren. Es sind die Früchte einer langen und hartnäckigen Anti-Moderne: Der fuchtelnde Mittelfeld-Storm-Trooper mit Dynamit in der Unterhose und einem Außenbord-Motor zwischen den Ohren. Der sich auftürmende Innenverteidiger-Schrank. Der Mittelstürmer vom Typ mittelalterlicher Belagerungsturm, den man auf seinen Platz gerollt hat, als Ziel für das bevorstehende Bombardement an flammenden Pfeilen, Ochsen-Kadavern, langen Einwürfen - und für Scharmützel am kurzen Pfosten."

Die englischen Medien sind alles andere als zimperlich im Umgang mit dem Fußball auf der Insel. Und der renommierte "Guardian"-Journalist Barney Ronay ist bei Weitem nicht der Einzige, der dem englischen Fußball unterstellt, sich in den letzten Jahren Entwicklungen und Neuerungen verschlossen zu haben - und deswegen ins Hintertreffen geraten zu sein.

"England hat schon zu Beginn die Isolation vorgezogen", schreibt Ronay über die Abschottung gegenüber Ideen von außen. "Zunächst war es irrelevant, dann störend - und mittlerweile beängstigend: Ausländer haben den englischen Fußball immer gestört, der sich die zaghaft heldenhafte Überzeugung bewahrt hat, dass dieser ganze Schnickschnack vorbeigehen wird. Dass die Leute nur Unfug treiben mit ihren weichen Hightech-Bällen, dem Passen und der Taktik."

Zweifelsohne sind es gerade die Verfehlungen im taktischen Bereich, die die Engländer im internationalen Vergleich zurückwerfen. Die Premier League an sich ist spektakulär, das Spiel dynamisch und intensiv. Die Defizite werden aber deutlich, wenn die individuell so gut besetzten Engländer im Vergleich mit den strukturierten und disziplinierten Spitzenteams vom Kontinent ihre Grenzen aufgezeigt bekommen. "Sie wissen nicht, wie man zusammenarbeitet. Es ist wenig Verständnis für das komplette Spiel da", holte erst kürzlich Uniteds Verteidiger-Legende Gary Neville im "Telegraph" zum Rundumschlag aus.

Als bestes Beispiel dient das mannschaftstaktische Verhalten, vor allem in der Arbeit gegen den Ball und dem (spärlich vorhandenen) Gegen-Pressing. Daten über Dinge wie Tacklings, abgefangene Bälle, Zweikämpfe oder Orte der Fouls zeigen die Unterscheide zwischen deutschen und englischen Teams auch in den Zahlen.

Nimmt man das erste Gruppenspiel des BVB gegen den FC Arsenal, mussten die Gunners am eigenen Leib die Effektivität des frühen Störens erfahren. 87,5 Prozent der BVB-Tacklings waren erfolgreich, von den acht direkten Ballverlusten für die Londoner, die daraus resultierten, fanden fünf noch in deren Hälfte statt. Zum Vergleich: Kein einziges Duell der Londoner (19, 57 Prozent Erfolgsquote) wurde in der Hälfte des BVB geführt.

Fünf von 24 abgefangenen Bällen waren die einzigen Defensiv-Aktionen Arsenals im Borussen-Territorium. Auch in Sachen Fouls machen sich die unterschiedlichen Ausrichtungen klar bemerkbar. Zwölf von 16 Vergehen Arsenals waren in der eigenen Hälfte, der BVB hatte am Ende zehn Vergehen auf dem Konto - sechs davon in Arsenals Hälfte, teilweise direkt am Strafraum.

16. September, Borussia Dortmund - FC Arsenal 2:0: Die Taktiktafel aus dem ersten Gruppenspiel mit Arsenals geführten Tacklings (grün), abgefangenen Bällen (blau) und Fouls (rot). Arsenals Spielrichtung von unten nach oben.

Die Münchner Bayern taten es dem BVB am Folgetag gegen den amtierenden englischen Meister Manchester City gleich. Während die Sky Blues in der Liga mit ihrer physischen Spielweise und der individuellen Klasse dominieren und in den letzten drei Jahren zwei Meistertitel einstrichen, waren sie gegen Peps Pressingmaschine in der Allianz Arena hilflos unterlegen.

Weder konnten die Citizens selbst Akzente in der frühen Arbeit gegen den Ball setzen (nur zwei von zehn Tacklings und einer von 14 abgefangenen Bällen in der FCB-Hälfte), noch kamen die Engländer mit dem frühen Stören der kompletten Mannschaft des deutschen Rekordmeisters zurecht. Der schnappte sich den Ballbesitz in genau der Hälfte der Fälle noch in der City-Hälfte wieder. Alleine in den letzten zwanzig Minuten, in denen die lange glücklosen Münchner auf den Sieg drängten, verlor City den Ball drei Mal direkt in der Gefahrenzone am eigenen Sechzehner.

Legt man in der Taktiktafel die Defensivaktionen beider Mannschaften direkt übereinander, ist gut zu erkennen, dass sich die Tacklings und abgefangenen Bälle der Bayern weiter über den Platz streuen und viel höher angesetzt sind als die der Citizens. Deren Aktionen spielen sich zu einem Großteil Mitte der eigenen Hälfte ab.

Das Argument, dieses Verhalten sei lediglich der erdrückenden Dominanz der Münchner geschuldet, kann dabei auch nur bedingt gelten. Schließlich führte City beispielsweise auch beim wenig ruhmhaften 2:2 gegen ZSKA Moskau nur zwei seiner 19 Attacken auf den Gegner in dessen Hälfte aus.

17. September, FC Bayern - Manchester City 1:0: Davon ausgehend, dass die Spielrichtung beider Teams von unten nach oben geht, ist die deutlich offensivere Ausrichtung der Bayern (weiß) gegenüber Manchesters (grau) zu erkennen. Gezeigt werden Tacklings (grün), abgefangene Bälle (blau) und Ballverluste (rot).

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Taktische Mängel: Storm Trooper mit Dynamit in der Hose

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