Das Phlegma als ständiger Begleiter

Von Max Schöngen
Dimitar Berbatov trifft am Dienstag mit Monaco auf seinen Ex-Klub
© getty

Genial auf der einen, phlegmatisch und faul auf der anderen Seite. Die Meinungen über Dimitar Berbatov gingen bereits zu seinen Anfangszeiten bei Bayer Leverkusen weit auseinander. Am Dienstag trifft er auf seinen Ex-Klub (20.45 Uhr im LIVE-TICKER), der ihm einst zu seinem Sprung in die Premier League verhalf, bevor es ihn nun nach Monaco verschlagen hat. Die Gegensätze haben den Bulgaren dabei bis zum heutigen Tag verfolgt.

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Beim Torjubel sein Trikot auszuziehen ist schon seit vielen Jahren verboten und wird in der Regel mit einer Gelben Karte geahndet. Die meisten, wahrscheinlich sogar alle Spieler wissen das. Hin und wieder kommt es dennoch vor, dass diese Regel missachtet wird und sich ein Spieler seines Oberteils entledigt.

Meist hat dies auch einen besonderen Grund, unter dem Trikot kommt ein Shirt mit einer Aufschrift zum Vorschein, einer Botschaft, die die ganze Welt erfahren soll, etwas sehr wichtiges, immerhin wird billigend eine Verwarnung in Kauf genommen, den Unmut des Trainers inklusive.

Auch Dimitar Berbatov weiß um diese Regel und auch dem Bulgaren waren die Konsequenzen vor rund eineinhalb Jahren, damals im Trikot des FC Fulham, relativ egal. Nach seinem Treffer zum 1:0 gegen den FC Southampton folgte die Botschaft an die Welt: "Bleibt ruhig und gebt mir einfach den Ball", so die Übersetzung der Aufschrift, die mehr als Anweisung in Richtung der eigenen Mitspieler denn als wichtige Botschaft zu verstehen war.

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Die Kontroverse Berbatov

Kopfschütteln auf der einen Seite, Schmunzeln auf der anderen Seite - die Reaktionen waren zweigeteilt, so zweigeteilt wie auch die Meinungen im Allgemeinen über den Bulgaren schon immer waren. Nicht viele Spieler haben auf der Insel in den vergangenen Jahren ähnlich polarisiert wie er.

Eine Kontroverse, die Berbatov stets zu befeuern wusste. Weisheiten wie "Gute Qualität erfordert nicht viel Einsatz" würden in Spanien und in Deutschland für Aufregung sorgen, in England kommt solch eine Ansicht einem Skandal gleich, dort wo dem vielzitierten Typus des Kampfschweins gerne mal ein Denkmal gebaut wird.

So gar kein Schwatter

Dem gegenüber steht die andere Seite des Bulgaren, die Seite eines Spielers mit herausragenden Fähigkeiten. An seiner Qualität gezweifelt wurde selten, bereits zu seinen Anfängen bei Bayer Leverkusen war das so. 2001 wechselte er, damals im Alter von 20 Jahren, von Sofia nach Leverkusen.

Gesegnet mit außergewöhnlichen Fähigkeiten am Ball, einer hohen Spielintelligenz, mit Abschlussstärke - eben mit so ziemlich allem, was es braucht, um ein Großer zu werden - galt er als eines der aussichtsreichsten Sturmtalente Europas. Bei seiner Ankunft in Leverkusen wurde in ihm bereits der Nachfolger von Ulf Kirsten gesehen, ein fataler Irrtum, wie sich spätestens nach seinen ersten Auftritten herausstellen sollte.

Mit dem Schwatten Kirsten, dieser robusten Kampfmaschine, diesem mannschaftsdienlichen Arbeitstier, der immer auf Hochtouren lief, hatte der Bulgare schon damals absolut nichts gemein. Phlegmatisch, gelangweilt, egoistisch waren schon eher Attribute, die auf ihn zutrafen.

Toppmöllers Arschtritt

Nach einem halben Jahr der Eingewöhnung folgte jedoch der erste Glücksfall in der noch jungen Karriere. Klaus Toppmöller wurde als neuer Trainer bei Bayer vorgestellt und erkannte nicht nur Berbatovs herausragende Qualitäten, sondern erreichte ihn auch auf einer menschlichen Ebene. "Er hat einen Arschtritt gebraucht", erinnerte sich Toppmöller später an die ersten Begegnungen, in denen er den Angreifer aus dessen persönlicher Komfortzone hervorholte.

Gleichzeitig aber nahm er ihm auch den Druck, im Schatten damaliger Bayer-Stars wie Michael Ballack, Ze Roberto und Bernd Schneider gab er ihm die Möglichkeit, sich zu entwickeln. Toppmöller und Berbatov, das passte, wie der Angreifer später auch feststellte. Als der Trainer 2002 entlassen wurde, weinte der Bulgare, eine Reaktion, die so gar nicht typisch ist für ihn, Emotionen sind eben nicht das Seine.

Unter dem neuen Trainer Klaus Augenthaler nahm die Entwicklung ihren Lauf. Berbatov zeigte das, was man von ihm erwartete, wurde zum absoluten Stammspieler und avancierte in den folgenden drei Jahren zu einem der besten Scorer der Bundesliga. "Uns war klar, dass wir ihn nicht mehr lange werden halten können", beschrieb Rudi Völler die Situation. Dass es den Bulgaren nach England verschlug, überraschte ob seiner Spielweise aber dennoch ein wenig, noch viel mehr aber überraschte er dort mit seinen Leistungen.

Bester Neuzugang der PL

Obwohl ihm wegen seines phlegmatischen Auftretens und seiner offen zur Schau gestellten Überheblichkeit auf der Insel vom ersten Tag an mit Argwohn begegnet wurde, war er bei den Spurs einer der positiven Überraschungen der Saison und wurde am Ende sogar zum besten Neuzugang der Premier League gewählt.

Im damaligen Trainer Martin Jol hatte er eine Vaterfigur gefunden. Einen, der ihm das nötige Vertrauen schenkte, der sich der Schwächen aber vor allem auch der Stärken seines Schützlings bewusst war, wie 2012 deutlich wurde, als der Niederländer den Angreifer erneut verpflichtete, dieses Mal als Trainer des FC Fulham.

"Was will man? Einen Spieler ohne Qualität, der hart arbeitet? Oder einen Spieler mit Qualität, der hoffentlich hart arbeitet", so Jol - ein Satz, der für sich steht.

Zwischen den Stationen Tottenham und Fulham lag ohne Zweifel die erfolgreichste Zeit in der Karriere des Bulgaren, gleichzeitig aber wohl auch die schmerzvollste.

Mit Rekordablöse zu ManUnited

Sir Alex Ferguson hatte ihn 2008 zum damals amtierenden Champions-League-Sieger Manchester United geholt und sah in ihm "einen der aufregendsten Stürmer der Welt", was gleichzeitig auch als Rechtfertigung für die damalige Rekordablöse von 38 Millionen Euro verstanden werden sollte.

Berbatov stand damals vor der schier unlösbaren Aufgabe, eine Offensivreihe um Cristiano Ronaldo und Wayne Rooney zu bereichern, der damals einzigartige Tempofußball der Red Devils passte ohnehin so gar nicht zu seiner Spielweise.

"Berbatov ist nicht langsam, er beeilt sich nur nicht", schrieb einst der "Guardian" über das oftmals träge und behäbig wirkende Agieren des feinen Technikers. Hinzu kam auch die ständige Konfrontation mit der hohen Ablöse, die United für ihn auf den Tisch geblättert hatte, eine Last, die zu Beginn schwer auf seinen Schultern lag.

Nach anfänglichen Schwierigkeiten wusste er sich jedoch auch dort zu etablieren und seinen Platz im System von Sir Alex zu finden. Vor allem in der Saison 2010/11 schien ihn nichts und niemand aufhalten zu können. Einem historischen Hattrick gegen Liverpool folgten fünf Treffer in einem Spiel gegen die Blackburn Rovers, kein Ausländer in der Premier League hatte zuvor mehr Tore in einer Partie erzielt.

Die finale Ausbootung

Am Ende der Saison wurde er zusammen mit Carlos Tevez Torschützenkönig, wenige Wochen später folgte die größte Enttäuschung seiner Karriere.

Im Champions-League-Finale gegen den FC Barcelona wurde der frischgekürte Torschützenkönig nicht mal in den Kader der Red Devils berufen, ein Schlag ins Gesicht des Bulgaren, auch die Erklärung des Trainers, er hätte ihn an diesem Tag nicht brauchen können, klang mehr als dürftig.

Man mag sich nicht vorstellen, wie andere Spieler, die soeben Torschützenkönig in der heimischen Liga geworden sind, auf eine derartige Demontage reagieren würden, bei Berbatov aber wartete man vergebens auf einen öffentlichen Wutausbruch. Emotionen in der Öffentlichkeit sind eben nicht sein Ding. In jedem Fall war es der Anfang vom Ende in Manchester, ein Jahr später folgte der Wechsel zu Fulham und zu Jol, 15 Ligatreffer gelangen ihm dort in der folgenden Saison.

Neue Rolle bei Monaco

Zu Beginn des Jahres führte ihn sein Weg zum AS Monaco, die dortige Verwendung stand vom ersten Tag an fest. Nach der schweren Verletzung von Radamel Falcao sollte er den Kolumbianer ersetzen, nicht mehr und nicht weniger. Eine Situation, die er schon zu Beginn seiner Karriere kennengelernt hatte.

Bereits im ersten halben Jahr gelangen ihm sechs Treffer, fünf weitere bereitete er vor. Keine schlechte Bilanz und wohl auch der Beweis dafür, dass seiner Spielweise die französische Liga entgegenkommt. Im April wurde der 33-Jährige ligaweit zum Spieler des Monats gewählt, im Mai folgte die Vertragsverlängerung bei den Monegassen.

Nach dem Weggang der bisherigen Stars James Rodriguez und Falcao kommt ihm zu dieser Saison eine noch zentralere Rolle im System des neuen Trainers Leonardo Jardim zu - und das nicht nur auf dem Platz.

Nach dem schwachen Saisonstart war es zuletzt ausgerechnet der Bulgare, der sich öffentlich vor den Trainer stellte und diesen stütze, indem er um Geduld bat. Er wolle seine Erfahrung mit einbringen, den jungen talentierten Spielern Ratschläge geben, sie fördern, so der 33-Jährige, helfen, wie auch ihm zu Beginn seiner Karriere geholfen wurde. Damals, im Dress von Bayer, die Mannschaft, auf die er am Dienstag . acht Jahre nach einem Weggang - trifft.

Dimitar Berbatov im Steckbrief

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