Im Schatten von La Decima

Von Kevin Niekamp
Jose Mourinho ist mit dem FC Chelsea einer der Favoriten, in der Gruppe sowieso
© getty

Mit dem FC Porto und Inter Mailand gewann Jose Mourinho die Champions League, mit dem FC Chelsea wollte dies in drei Anläufen nicht gelingen. Kaum war "The Special One" nicht mehr da, wanderte der Henkelpott jedoch an die Stamford Bridge. Mit dem Spiel gegen Schalke beginnt der nächste Anlauf.

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Der 19. Mai 2012 bleibt, so oft er auch erwähnt wird, ein ganz besonderer Tag in München und London. Aus Sicht des FC Bayern wurde das "Drama dahoam" schon oft genug betitelt, aus Sicht des FC Chelsea war es das exakte Gegenteil. Es war das vorläufige Ende einer langen Reise.

Der eigentliche Reiseleiter war da bereits nicht mehr an Bord: Jose Mourinho. Der Portugiese versuchte sein persönliches Triple, mit drei verschiedenen Vereinen die Champions League zu gewinnen, zu dieser Zeit in Madrid zu erreichen. Einer seiner unzähligen Nachfolger beim FC Chelsea, Roberto Di Matteo, schaffte das, was dem großen Meister verwehrt blieb und wofür Roman Abramowitsch über eine Milliarde Euro bereitgestellt hatte, den Gewinn der Champions League.

Doch im schnelllebigen Fußballgeschäft war auch di Matteo trotz des größten Triumphs der Vereinsgeschichte schnell wieder entlassen. Sein Nachfolger Rafa Benitez holte mit der Europa League zwar den nächsten internationalen Titel, hatte jedoch aufgrund seiner Liverpool-Vergangenheit von Beginn an keinen Kredit bei den Fans.

Übergangsjahr ohne Titel

Somit kehrte im letzten Sommer Mourinho aus Madrid zu seinem Herzensklub zurück. Aus "The Special One" wurde dann laut eigener Aussage "The Happy One".

Nach und nach baute er sich, wie schon zu Beginn seiner ersten Amtszeit 2004, sein Team zusammen. Vielversprechende Talente und teure Stars wie Kevin de Bruyne, Juan Mata oder Victor Moses, die seine Vorgänger nach und nach mitgebracht hatten, wurden der Reihe nach aussortiert.

Die Saison verlief auf den ersten Blick und für Chelsea-Verhältnisse mehr als dürftig. Selbst der ungeliebte Stadtrivalen Arsenal mit Mou-Dauerfeind Arsene Wenger holte mit dem FA-Cup einen Titel. Dass Real ausgerechnet in Jahr eins nach Mourinho "La Decima" gewann, halten ihm seine Kritiker ebenfalls vor.

Dabei lohnt sich ein genauerer Blick auf das erste Jahr von Mourinho, das laut eigener Aussage ein "Übergangsjahr" darstellte. Trotz zahlreicher Probleme beendete man die Runde auf dem dritten Platz, auf Spitzenreiter Manchester City fehlten nur vier Punkte. Zusätzlich war in der Champions League erst, oder aus Mourinho-Sicht schon wieder, im Halbfinale Schluss.

Neuaufbau im Winter

Bereits im Winter wurden mit Nemanja Matic, Mohammed Salah und Kurt Zouma die nächsten Transfers für das neue Mourinho-Team eingeleitet. Während Salah und Zouma als Back-ups und für die Zukunft gesehen werden, begann mit Matic der Neuaufbau der Zentrale.

Im diesjährigen Sommer gab man an der Stamford Bridge untypischerweise weniger Geld aus, als für Transfers eingenommen wurden, dennoch erhöhte sich die Qualität auf dem Papier. Mit Diego Costa und Cesc Fabregas schaffte es Mourinho, auf den beiden Schwachstellen der vergangenen Saison Spieler mit Weltklasseformat zu verpflichten. Fabregas stellt, nach dem Abgang von Frank Lampard, im Mittelfeld den neuen spielgestaltenden, aber gleichzeitig auch defensiv mitdenkenden Antreiber dar. "Ich sprach mit Mourinho, und er erzählte mir das, was ich hören wollte. Ich fühlte ein Wertschätzung und spürte, dass ich ein wichtiger Bestandteil von etwas Großem werden würde", so Fabregas.

Die Offensive bekam einen komplett neuen Anstrich. Fernando Torres, Demba Ba und Samuel Eto verließen den Verein. Mit keinem der drei wurde Mourinho in der abgelaufenen Saison so richtig warm. "Ich habe keinen richtigen Stürmer", betonte er immer wieder. Die Alters-Diskussionen um den Kameruner waren nur die Spitze des Eisbergs. Auch der nach seiner Leihe vom FC Everton zurückgekehrte Romelu Lukukau fand in den Planungen keine Verwendung.

Gewinner des Sommers

Mit Loic Remy wurde eine klare Nummer zwei hinter Diego Costa verpflichtet, der einen anderen Spielertypen darstellt und sowohl alleine als auch mit einem Nebenmann agieren kann.

Bei der Rückkehr von Didier Drogba hingegen überwiegt der emotionale und zukunftsorientierte Teil und weniger der sportliche Mehrwert. Der 36-jährige Ivorer soll die Leaderrolle von Frank Lampard übernehmen und den Blues nach seinem Karriereende in einer Trainerfunktion erhalten bleiben. Ein Schachzug, der auf Mourinhos Konto geht und nur bei seinem Standing vertret- und darstellbar ist.

Viele ehemalige PL-Spieler, die bei den verschiedensten englischen Medien arbeiten, bezeichneten die Blues als die Gewinner des Transfermarktes. "Wir haben die Mannschaft, die wir haben wollten. Wir sagen nicht, dass sie perfekt ist oder, dass sie die beste ist, denn das kann kein Trainer sagen. Aber ich liebe diesen Kader. Es ist der Kader für die Saison und er bietet große Möglichkeiten in den nächsten fünf bis zehn Jahren mit diesen fantastischen jungen Spielern", so ein sichtlich begeisterter Mourinho.

Zusätzlich zu den Neuverpflichtungen kehrte ein ausgeliehener Spieler nach London zurück. Thibaut Courtois ist der einzig Verblieben aus der jungen belgischen Generation im blauen Trikot. Mit dem 22-Jährigen und Petr Cech verfügt Mourinho über gleich zwei der besten Keeper der Welt. Die Vertragsverlängerung Courtois vor wenigen Tagen war ein weiteres Zeichen für die Zukunft der Blues.

Leichte Gruppe ernst nehmen

Bereits in den ersten Spielen unterstrichen die Blues ihre nationalen Titelambitionen. Im Gegensatz zur Konkurrenz aus Manchester, Liverpool und den anderen Teilen Londons, blieben die Blues an den ersten vier Spieltagen ohne Niederlage und führen die Tabelle nach dem 6:3-Spektakel im Goodison Park und dem Sieg im "Topspiel" gegen Swansea an.

Die Gruppe mit Schalke, Sporting und Maribor sollte keine Probleme darstellen und alles andere als der Gruppensieg wäre eine dicke Überraschung. Nach der Auslosung verriet Geschäftsführer David Barnard, dass der Portugiese mit der Auslosung zufrieden sei. "Er schrieb mir, dass ihm die Gruppe gefällt. Er wollte nicht mit den anderen englischen Teams tauschen. " Auf die leichte Schulter nehmen will der Coach die Sache jedoch nicht: "Auf dem Papier schaut es nicht so schwer aus. Auf dem Papier! Letztlich spielen wir gegen ein deutsches Team. Deutsche Teams sind immer schwer. Sie sind Weltmeister und haben eine gute Liga. Nur weil wir sie im letzten Jahr zwei Mal geschlagen haben, heißt es nicht, dass wir sie auch in diesem Jahr zweimal besiegen. "

Das Überstehen der Gruppenphase ist ohnehin nicht die Zielvorgabe. Es soll höher hinausgehen. Die Endstation Halbfinale kennt Mourinho zur Genüge. Er will seinen Kritikern beweisen, dass sie unrecht haben. Vor allem will er aber eins: Den FC Chelsea an der Spitze Europas sehen - mit ihm an der Seitenlinie.

Der FC Chelsea in der Übersicht