Sokratis: Die Regel missachtet

Sokratis Papastathopoulos absolvierte bislang 34 Pflichtspiele (1 Tor) für Borussia Dortmund
© getty

Von Robert Lewandowski über Ilkay Gündogan bis Henrikh Mkhitaryan: Bei Borussia Dortmund tun sich Neuzugänge in ihrem ersten Jahr beim BVB meist schwer. Nicht so Innenverteidiger Sokratis Papastathopoulos. Der Grieche fügt dem Spiel der Borussia eine wichtige Komponente hinzu - und hat damit glänzende Perspektiven.

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Irgendwie war es bereits im Sommer vorhersehbar. BVB-Trainer Jürgen Klopp zerrte während des Trainingslagers im schweizerischen Bad Ragaz Sokratis am Ärmel über den Platz, gestikulierte wild und redete auf den Griechen ein. Der guckte wie immer: neutral.

Damals war die Frage offen, wer aufgrund der Verletzungspause von Lukasz Piszczek neuer Dortmunder Rechtsverteidiger wird. Kevin Großkreutz und eben Sokratis trugen das Duell aus und nachdem Klopp Großkreutz bereits einige Male getestet hatte, war nun Sokratis an der Reihe.

Der Neuzugang von Werder Bremen hatte an den Abläufen auf der Außenverteidigerposition zu knabbern, das sah man auch am Abend im Testspiel gegen den FC Luzern. Sokratis stand einige Male schlecht im Raum, sein Offensivdrang war spärlich. Es wunderte daher niemanden, dass Großkreutz letztlich das Rennen machte.

"Papa war immer komplett in der Spur"

Dass dies auch für Sokratis selbst die sinnvollere Lösung war, zeigt sich seit mehreren Wochen. Der 25-Jährige, der zunächst bei Leverkusen im Wort stand und es sich nach der Dortmunder Offerte zum Ärger der Bayer-Verantwortlichen dann doch noch anders überlegte, liefert souverän und verlässlich seine Arbeit ab.

Dabei war zunächst wie schon bei Felipe Santana auch für Sokratis der Weg in die erste Elf schwer. "Es wäre vor der Saison vermessen gewesen, zu sagen, dass wir mit Mats Hummels und Neven Subotic die Innenverteidigung auseinanderreißen, die es ins Champions-League-Finale geschafft hat", sagt Sportdirektor Michael Zorc. So standen in den ersten zwölf Bundesligaspielen dann auch nur vier Partien von Anfang an (drei Einwechslungen) auf Sokratis' Arbeitsnachweis.

Innerhalb von elf Tagen veränderten die langwierigen Verletzungen von Subotic und Hummels seine Perspektive dann aber schlagartig. Auf einmal war der griechische Nationalspieler der einzige noch spielfähige Innenverteidiger und damit plötzlich Stammspieler auf Zeit. "Papa war immer komplett in der Spur", sagte Klopp über die Phase, in der Sokratis noch draußen saß.

Konkurrenz für Sven Bender

Seit der Partie gegen Bayern München Ende November verpasste er bis auf das Auswärtsspiel in Hoffenheim, als er aufgrund einer gegen Leverkusen erhaltenen Gelb-Roten-Karte aussetzen musste, keine Begegnung mehr.

Sokratis' OPTA-Bundesliga-Statistiken der Saison 2013/2014

Und anders als bei Offensivspielern wie Robert Lewandowski, Ilkay Gündogan, Ivan Perisic oder aktuell Henrikh Mkhitaryan missachtet er bis auf wenige Ausnahmen die "Regel", wonach sich Neuzugänge im ersten Jahr in Dortmund schwer tun. Sokratis knüpft an seine Leistungen aus Bremen an, die ihn für die Borussia überhaupt erst interessant machten. Mehr noch: Der Grieche erweitert das Defensivspiel des BVB um die Facetten Robustheit und gesunde Härte.

Seine resolute Zweikampfführung setzt Reizpunkte. Er ist ein Spieler, der im ersten Impuls fast ausschließlich über den Willen kommt. Diese Eigenschaften vereinte bislang nur Sven Bender auf sich, passenderweise Sokratis' Zimmerkollege in Bad Ragaz.

Sokratis: Schwächen im Spielaufbau

In manchen Szenen erinnert Sokratis an einen Verteidiger der alten Schule und genießt wohl auch deshalb in Dortmund bereits jetzt große Sympathien. Er schert sich nicht darum, ob eine Grätsche durch effizienteres Stellungsspiel vermeidbar sein könnte - er grätscht einfach.

Kommt ein noch so abwegiges Luftduell auf ihn zu - Sokratis springt einfach mit hoch. Das muss zwangsläufig nicht ständig die richtige Lösung sein, doch ist Sokratis immerhin niemals zögerlich in seinen Aktionen - eine Vorgehensweise, die einige seiner Offensivkollegen auf der Suche nach dem richtigen Moment für den Torabschluss auch öfter beherzigen könnten.

Wenn alles nach Plan läuft, steigt Subotic in der Sommerpause wieder ins Mannschaftstraining ein. Sokratis, der sich nun in der ersten Elf fest gebissen hat, dürfte dann einen relativ komfortablen Vorsprung besitzen.

Was Stärken und Schwächen angehen, sind sich Sokratis und Subotic relativ nah. Beide sind nicht dafür vorgesehen, den ersten Ball aus der Viererkette heraus zu spielen. Sein holpriges Aufbauspiel muss Sokratis noch dringend begradigen. Oftmals setzt er mit seinen hölzernen Zuspielen die Kollegen der höheren Linie bereits bei der Ballannahme unter Druck oder startet kurze Sololäufe bis in die gegnerische Hälfte, denen eine Kopf-durch-die-Wand-Mentalität zugrunde liegt.

Mit Stromberg-Kopie zum Internet-Kult

Die mangelnde Abgeklärtheit mit Ball am Fuß sieht auch Klopp, der Sokratis' Spiel eine "extreme Emotionalität" bescheinigt, noch problematisch: "Papa muss lernen, in den entscheidenden Momenten die Ruhe zu bewahren. In defensiv-taktischen Abläufen ist Ruhe ein guter Ratgeber."

Außerhalb des Spielfelds hat der 45-malige Nationalspieler seine Gefühlszustände aber vollkommen im Griff. Als ruhigen, angenehmen Zeitgenossen beschreiben ihn seine Mitspieler, der aufgrund der emotionalen Diskrepanz zwischen seinem Dasein als Mensch und als Spieler im Kollegenkreis bereits ein kleines bisschen Kultstatus genießt.

Auch wenn es etwas überzeichnet sein mag: Der Privatmensch Sokratis scheint kaum eine Regung zu zeigen, ein öffentliches Lächeln ist selten. Auf seinem offiziellen Spielerfoto ist ihm zumindest der Versuch anzusehen.

Nach mehr Arbeit als Freude sah es bei Sokratis auch im Videoclip aus, den Borussia Dortmund vorvergangenes Wochenende online stellte. Ob er will oder nicht - nach fast 200.000 Aufrufen ist Sokratis nun auch im Internet bereits Kult.

Sokratis Papastathopoulos: Daten und Statistiken