Harte Tage im November

Von Ben Barthmann
Oliver Kahn bewahrte die Bayern mit mehreren Paraden vor dem Ausscheiden
© getty

Am 6. Spieltag der Champions League können nach dem FC Bayern München noch drei weitere Vereine der Bundesliga ein Ticket für das Champions-League-Achtelfinale buchen. Vorausgesetzt die Geschichte wiederholt sich nicht.

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Die Champions-League-Saison 1999/2000 sollte eine Goldene für die Bundesliga werden. Nicht nur, dass die Bayern nach dem verlorenen Finale gegen Manchester United auf Revanche brannten. Mit Hertha BSC, Bayer Leverkusen und Borussia Dortmund hatten sich gleich drei weitere Vereine für die Gruppenphase qualifiziert.

Ein einziger Spieltag am 2. und 3. November sollte über das Schicksal aller vier Klubs entscheiden. Bis auf Bayer Leverkusen, dass auf einen Ausrutscher von Dynamo Kiew gegen Lazio Rom hoffen musste, hatte jeder Verein das Weiterkommen selbst in der Hand. Dennoch wurde schnell klar, dass die beiden Tage Anfang November kein Zuckerschlecken werden würden.

Denn am sechsten und letzten Spieltag sah es lange nicht so rosig aus, wie man es sich eigentlich erhofft hatte. Leverkusen hatte gegen Lazio Rom und Dynamo Kiew an den Spieltagen davor schon wichtige Punkte liegen gelassen, die Dortmunder kämpften mit den Folgen einer herben 0:3-Niederlage gegen Rosenborg BK. Die Berliner mussten zum Entscheidungsspiel nach London zum FC Chelsea, während die Bayern einen Sieg gegen die unangenehmen Schotten aus Glasgow benötigten.

Verzweiflung gegen Maribor

Den Anfang der entscheidenden Woche in der Champions League machte Bayer Leverkusen. Ein Sieg gegen NK Maribor hätte gereicht für die Qualifikation zur zweiten Gruppenphase. Doch ohne den gesperrten Toptorjäger Ulf Kirsten tat sich die Mannschaft von Christoph Daum gegen den Underdog sehr schwer.

So verfinsterte sich die Miene Kirstens auf der Ehrentribüne von Minute zu Minute. Gelbgesperrt musste der Schwatte zusehen, wie die Doppelspitze aus Oliver Neuville und Thomas Reichenberger nicht gelang, den Ball im Tor der Gäste unterzubringen. Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser brachte die Meinung der verzweifelten Fans anschließend auf den Punkt: "Ulf hätte wenigstens ein Tor geschossen."

Schützenhilfe von Lazio

So kosteten die Sperre von Kirsten, sowie die großen Verletzungssorgen rund um Michael Ballack, Ze Roberto und Robert Kovac, letztendlich den Einzug in die nächste Runde. Selbst die ausgestreckte Hand Lazios, die Dynamo Kiew trotz bereits erfolgreicher Qualifikation mit 0:1 besiegten, konnte die Werkself nicht ergreifen. "Lazio Rom hat uns eine Vorlage gegeben und wir haben sie nicht verwandelt", analysierte Wolfgang Holzhäuser.

Der BVB musste zeitgleich bei Boavista Porto ran. Ein Sieg war ebenso Pflicht, schließlich hatte man die ersten beiden Matchbälle für das Achtelfinale bereits vergeben. Zuhause gegen Rosenborg Trondheim verlor man mit 0:3, gegen Feyenoord Rotterdam gab es an gleicher Stelle nur ein 1:1. Der Konstellation der Gruppe war es zu verdanken, dass man überhaupt noch eine Chance am letzten Spieltag hatte.

Totenstille im Estadio do Bessa

Doch auch im letzten Spiel, weit ab vom heimischen Westfalenstadion, zeigten die Schwarz-Gelben eine enttäuschende Leistung. Vor einer geisterhaften Kulisse von etwa 3000 Zuschauern, die das Stadion kaum beschallen konnten, präsentierte sich die Borussia erneut schwach. Auch die Einwechslungen der Offensivkräfte Heiko Herrlich und Sergej Barbarez vermochten es nicht, die Mannschaft von Michael Skibbe aufzuwecken.

Ein mitgereister Fan äußerte sich stellvertretend für die enttäuschten Borussen: "Teilweise fragt man sich, ob die Gestalten in Gelb-Schwarz wirklich Fußballer sind oder ob man versehentlich am Drehort von 'Zombie 2000' gelandet ist." Das vorzeitige Aus in der Champions League war der Anfang vom Ende einer verkorksten Saison, die letztlich mit Platz elf in der Liga und dem Aus im UEFA-Cup-Achtelfinale endete.

Während der 2. November für die deutschen Klubs noch rabenschwarz verlaufen war, wollten die Münchner es am darauffolgenden Tag besser machen. Ein einfacher Sieg im heimischen Olympiastadion gegen die Glasgow Rangers, die bisher vor allem in der Heimat in Erscheinung getreten waren, schien machbar.

Das Meisterstück von Kahn

Dennoch tat sich der deutsche Rekordmeister schwer. Die Schotten erarbeiteten sich viele Chancen, gerieten letztlich aber durch einen verwandelten Foulelfmeter von Thomas Strunz in Rückstand. Anschließend brach die Zeit des Oliver Kahn an. Gleich mit mehreren Glanzparaden hielt er den Bayern-Kasten sauber und ließ sich auch von schlampigen Zuspielen unter Druck nicht aus der Ruhe bringen.

In der 40. Minute hielt das Stadion dann aber doch kollektiv den Atem an. Die Gäste kamen über die linke Seite in den Strafraum, Rod Wallace löste sich geschickt in den Rückraum und zog noch aus der Drehung ab. Ein Unentschieden und der Traum der Bayern vom Achtelfinale wäre vorbei gewesen. Doch erneut war Kahn zur Stelle und zeigte eine der besten Paraden seiner Laufbahn, als er den Ball mit der rechten Hand entgegen der Laufrichtung an Latte und Pfosten lenkte und letztendlich so dem FC Bayern das Ticket in die Zwischenrunde festhielt.

Giunti schockt die Hauptstadt

Währenddessen musste die Hertha an die Stamford Bridge zum nicht minder schwer zu besiegenden FC Chelsea. Dieser hatte nach fünf Spieltagen bereits den ersten Tabellenplatz gesichert und galt mit seinem 5-2-3-System international als harter Gegner. Dennoch rechneten sich die Berliner durchaus Chancen aus, wurden aber für ihre offensive Herangehensweise schnell bestraft.

Eine 2:0-Führung der Londoner zur Pause, sowie das Unentschieden zwischen dem AC Milan und Galatasaray in Istanbul schien eine bisher gut verlaufene Gruppenphase zu Nichte zu machen. Spätestens als die Meldung des Tores von Federico Giunti zur 2:1-Führung Milans an der Stamford Bridge die Runde machte, fand man sich im Lager der Berliner bereits mit dem UEFA-Cup ab.

Last-Minute-Rettung aus der Türkei

Doch Galatasaray zeigte plötzlich das, was sie bisher in nahezu allen Spielen der Gruppenphase hatten vermissen lassen. Hakan Sükür traf in der 86. Minute zum 2:2, das Spiel war wieder offen und der AC Milan in der Pflicht. Nun wurde es hektisch, Alberto Zaccheroni brachte Oliver Bierhoff und wollte sichtlich einen Sieg erzwingen, immerhin musste man gewinnen, um an der Hertha vorbeizuziehen. Schließlich verlor aber Luigi Sala die Nerven und ries Sükür im Strafraum um. Der folgende Elfmeter saß, die Hertha zog trotz einer 0:2-Niederlage ins Achtelfinale ein.

Es war das Ende eines fast zum Kollektivschaden verkommenen Spieltages für die deutschen Klubs. Ein Schock, der nicht als Weckruf diente. Die Hertha verabschiedete sich aus der folgenden Zwischenphase mit zwei Punkten aus sechs Spielen, der BVB musste im Achtelfinale des UEFA-Cups seine Segel streichen. Bayer Leverkusen gab sich bereits im Sechzehntelfinale Udinese Calcio geschlagen. Der FC Bayern trug derweil die deutsche Fahne alleine in der Champions League bis ins Halbfinale, scheiterte dort aber an Real Madrid.

Seit der Saison 1999/2000 konnte die Bundesliga keine vier Mannschaften mehr in der Champions League stellen - bis zu Beginn der laufenden Saison. Ein Weiterkommen aller vier deutschen Mannschaften war selten so nah zu greifen wie 1999. Und 2013.

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