Manchmal braucht's krumme Dinger

Ab in die Kurve: Kevin Großkreutz nach seinem Siegtor für den BVB in Marseille
© getty

Dortmund setzt in Marseille den Achtelfinaleinzug mehrmals fahrlässig aufs Spiel. Doch dann verlor Großkreutz im richtigen Augenblick das Gleichgewicht. Und im Moment des Triumphs dachte man sogar an den Erzrivalen.

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Mitte der ersten Halbzeit wurde Jürgen Klopp Opfer einer unanständigen Art der versuchten Gegner-Irritation. Immer wieder traf ein grüner Laserpointer-Strahl den BVB-Coach im Gesicht, versandt von einem ausgesprochen witzigen und einfallsreichen Marseille-Fan. Laserpointer-Attacken sind so albern wie ausgelutscht; in Marseille feierte der grüne Strahl am Mittwochabend eine kleine Renaissance.

Klopp ließ sich jedoch nichts anmerken, offensichtlich hatte er die Lichtspiele vor seinen Augen gar nicht mal registriert. Klopps Aufmerksamkeit war in dieser Phase aber auch besonders gefragt.

Seine Mannschaft hatte nach starkem Beginn und dem Führungstor durch Robert Lewandowski (4.) den Faden verloren, verursacht durch ein in doppelter Hinsicht dämliches Standard-Gegentor.

Torhüter Robert Weidenfeller hatte am Ball vorbeigefaustet, so als hätte ihn ein Laserpointer irritiert. Torschütze Diawara stand obendrein klar im Abseits.

Viel richtig gemacht - und viel falsch

Es war nur eine Szene von vielen, in denen der BVB seine Zukunft in der Champions League fahrlässig aufs Spiel setzte. So ein Gegentor kann man ja verkraften, zumal Dortmund ab der 34. Minute (Gelb-Rot für Payet) Überzahl hatte.

Wenn man allerdings derart viele qualitativ hochwertige Torchancen am Fließband vergibt, die meisten aus purer Leichtfertigkeit, darf man schon mal nervös werden. "Bei uns geht es in der Champions League wohl ohne Malaga-Effekt nicht", sagte Klopp, der das passende Fazit zog: "Wir haben alles richtig gemacht - und am Ende doch so viel falsch."

Lewandowski, Reus, Mkhitaryan, Blaszczykowski - sie alle ließen Großchancen liegen, mitunter wurde nicht mal das leere Tor getroffen.

Vor allem Lewandowski musste sich hinterher ein paar Gehässigkeiten gefallen lassen. "Ich habe Robert gesagt, wie groß und breit so ein Tor ist. Aber es ist ja alles gut gegangen. Und Robert macht ja auch 99 von 100 solcher Chancen rein", sagte Nuri Sahin.

"Wir hätten uns das nicht verziehen"

Der BVB spazierte lange Zeit am Abgrund; ein Schritt über die Klippe wäre angesichts einer nicht reibungslos verlaufenen Hinrunde schwer zu verdauen gewesen. "Wir hätten uns das nicht verziehen, wenn wir nach diesem Spiel ausgeschieden wären", merkte Weidenfeller an.

Dass es nicht so weit kam, hat Borussia Dortmund dem krummen Schuss von Kevin Großkreutz zu verdanken. "Ich habe schon ewig nicht mehr getroffen, und dann war es auch noch so ein wichtiges Tor. Ich bin beim Schuss weggerutscht, aber der Ball ist zum Glück perfekt reingegangen."

"Wir haben so ein gewürgtes Ding diesmal gebraucht", sagte Klopp, dem nach dem Ausfall von Sven Bender nichts anderes übrig blieb, als Youngster Marian Sarr in der Innenverteidigung zum ersten Champions-League-Einsatz zu verhelfen.

Der 18-Jährige erhielt den Vorzug vor Koray Günter; beide hatte Klopp im Training getestet. Sarr hiterließ einen unaufgeregten Eindruck, im Spielaufbau wagte er auch mal den riskanten halbhohen Ball auf den Flügel. Laut OPTA gewann Sarr 50 Prozent seiner Zweikämpfe und kam mit nur einem Foul aus.

"Er hat das außergewöhnlich gut gemacht. Ich bin froh, dass er gezogen hat. Das ist ja nicht leicht. Er ist ein außergewöhnlich guter Kicker", sagte Klopp.

Gegner im Achtelfinale? Egal

Zwölf Punkte holte der BVB in der Gruppe F, genauso viele wie Arsenal und der SSC Neapel. Weil die Italiener im Dreiervergleich am schlechtesten abschneiden, müssen sie in die Europa League.

"Es ist schon brutal, mit zwölf Punkten auszuscheiden", sagte Klopp, "glücklicherweise sind wir nicht die Leidtragenden." Zum Vergleich: Galatasaray reichten sieben, Zenit St. Petersburg gar nur sechs Punkte für einen Platz im Achtelfinale der Königsklasse.

Dort trifft der BVB als Gruppensieger im Februar und März 2014 entweder auf den AC Milan, Manchester City, Zenit, Galatasaray oder Olympiakos Piräus.

"Wen wir am Montag zugelost bekommen, interessiert mich herzlich wenig. Die Jungs haben sich jetzt erst mal ein Bierchen an der Hotelbar verdient. Und in den Bundesligaspielen gegen Hoffenheim und Hertha werden wir bis zur Winterpause noch richtig gefordert werden. Das interessiert mich mehr, als unser Gegner im Achtelfinale", so Klopp.

Sportdirektor Michael Zorc dachte im Moment des Triumphs sogar an den Erzrivalen: "Ich finde es großartig, dass sich alle vier deutschen Mannschaften fürs Achtelfinale qualifiziert haben." Das gab es in der Geschichte der Champions League noch nie. Und alles nur, weil Kevin Großkreutz im entscheidenden Moment das Gleichgewicht verlor.

Olympique Marseille - Borussia Dortmund: Statistik zum Spiel

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