"Ich war nie ein ichbezogener Spieler"

Kehl übernimmt auch in schwierigen Momenten wie nach dem CL-Finale 2013 Verantwortung
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SPOX: Wie viel seines wahren Ichs steckt in einem Fußballer, der vor der Kamera über das letzte Spiel spricht?

Kehl: Das hängt immer von der Situation und auch dem Thema ab. Wenn ich vier Tore geschossen habe und im Anschluss eher flapsig angesprochen werde, kann man auch viel leichter mal mit einem Spruch antworten. Fühlt man sich nach einer Roten Karte benachteiligt und wird dazu befragt, offenbart man wohl eher nicht das wahre Ich. Natürlich ist man ein Stück weit lockerer und damit natürlicher, wenn die Kamera nicht draufhält und man sich innerhalb eines Freundes- oder Bekanntenkreises bewegt, von dem man nicht bewertet wird, weil jeder weiß, wie man tickt. Man versucht natürlich, diese Lockerheit auch in der Öffentlichkeit so gut es geht zu bewahren. Dass das vielleicht nicht jedem gelingen mag, halte ich aber für allzu menschlich.

SPOX: Sie sind mit 33 Jahren nun in einem Alter, das in der Regel nicht mehr weit vom Karriereende entfernt ist. Während der aktiven Zeit als Fußballer durchlebt man relativ monotone Abläufe, die aber auch eine gewisse Struktur in das Leben bringen können. Wie gefährlich kann das für die "Zeit danach" sein?

Kehl: Man ist als Fußballer in der Tat ziemlich durchgetaktet und strukturiert, so dass man innerhalb des beruflichen Bereichs wenig selbst organisieren muss. Wenn man sich bewusst dafür entscheidet, sein Leben noch eigenständiger zu gestalten oder vielleicht bereits Familie hat, beginnt sich das in der Regel im privaten Bereich schon während der Karriere zu verändern. Es ist ein Reifeprozess, sich diese Selbstorganisation zu erlernen. Endet die Karriere, hängt es natürlich auch davon ab, wie man vor diesem Zeitpunkt damit umgegangen ist. Habe ich mich bereits während meiner aktiven Zeit damit beschäftigt, dass es zu Ende gehen könnte und sich dann manche Dinge verändern?

SPOX: Welche Dinge meinen Sie genau?

Kehl: Es kommen Abläufe auf die Tagesordnung, die eigentlich ganz normal sind, aber einem aktiven Fußballer zu einem Großteil abgenommen werden. Ein Arzttermin wird beispielsweise nicht mehr vom Physiotherapeuten vereinbart, sondern man muss selbst den Hörer in die Hand nehmen und das in Eigenregie regeln. Deshalb kann ich mir schon vorstellen, dass einige Probleme bekommen könnten, sich im "normalen" Alltag zu Recht zu finden und sich dann nach dieser Struktur sehnen - erst recht, wenn das Karriereende abrupt kommen sollte.

SPOX: Könnten manche durch die vorgegebene Struktur in die Gefahr geraten, auf längere Sicht zu unselbständig zu werden?

Kehl: Ich bin der Meinung, dass man das nicht pauschal beantworten kann. Es wird auf die Charaktereigenschaften jedes Einzelnen ankommen und ist gewissermaßen auch eine Erziehungsfrage.

SPOX: Sehen Sie für sich persönlich eine Gefahr?

Kehl: Nein, ich halte das nicht für problematisch, da ich zu einer relativ großen Eigenständigkeit erzogen worden bin. Ich komme aus einem Hotelgewerbe und habe dort gelernt, wie schwer es ist, sich einen vernünftigen Lebensunterhalt zu erarbeiten. Mittlerweile bin ich Vater von zwei Kindern, beschäftige mich mit vielfältigen Themen und treffe Menschen, die in unterschiedlichen Bereichen und nicht nur dem Fußball zu Hause sind. Das bereichert mein Leben, weil ich es zusätzlich zu meiner eigenen Sichtweise auf eine ganz andere Art und Weise kennenlernen kann. Trotz der exponierten Gehaltsstruktur und des Aufenthalts innerhalb des Fußballgeschäfts behalte ich so meinen ganz normalen Blick auf das Leben.

SPOX: Haben Sie bislang irgendwelche Maßnahmen ergriffen, was die Zeit nach der Karriere angeht?

Kehl: Ich beschäftige mich mit mehreren Themen, die ich aber derzeit nicht unbedingt kommunizieren möchte. Ich versuche, nicht blauäugig gen Karriereende zu steuern und mich darauf vorzubereiten. Wer das nicht tut, hat ein Stück weit verpasst, diese Chance zu nutzen.

Seite 1: Kehl über Führungsqualitäten und das Selbstbewusstsein der Jungen