"Eine Mannschaft für Europa"

Von Cliff Schmit
Ibrahimovic zelebriert einen seiner zahlreichen Treffer, die Mitspieler dackeln sichtlich erfreut hinterher
© getty

Paris Saint-Germain spielt eigentlich eine erfolgreiche Saison. Auf Meisterschaftskurs in der Ligue 1 besitzt man zudem noch alle Chancen auf das Triple, auch wenn der Gegner in der Champions League FC Barcelona (20.30 Uhr im LIVE-TICKER) heißt. Dass dem PSG dennoch niemand den ganz großen Wurf zutraut, hängt mit einer leicht auszurechnenden Offensive sowie einer ausbaufähigen Außendarstellung zusammen.

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Imposant parkt er vor dem altehrwürdigen Prinzenparkstadion und zieht die Blicke einiger interessierter Schaulustiger auf sich. 750.000 Euro teuer, über acht Tonnen schwer und ganz in den Vereinsfarben dunkelblau und rot gehalten, sticht an beiden Seiten zudem ein riesiger Schriftzug ins Auge: "Rêvons plus grand". Lasst uns größer träumen.

Dass auch im Inneren nur das Allerfeinste verarbeitet ist, versteht sich natürlich von selbst. Neben ultrabequemen Ledersitzen inklusive integrierter Bildschirme und Spielkonsolen findet man zudem eine hochmoderne Küche sowie einen überdimensionalen Glastisch mit eingraviertem Vereinslogo vor.

Obwohl es sich hierbei in der Tat lediglich um den neuen Mannschaftsbus des Paris Saint-Germain handelt, veranschaulicht selbst diese kleine Episode nur allzu gut, wie die Verantwortlichen an der Seine derzeit ticken: je teurer, je prunkvoller, desto besser.

Und ähnlich wie sich die Franzosen nun einen der teuersten Busse der Welt zugelegt haben - selbst der von Viertelfinalgegner Barcelona kostet nur eine halbe Million - so haben sich die Pariser auch in den vergangenen beiden Jahren auf dem Transfermarkt verhalten. Auf der Suche nach mehr Schein als Sein hatte das Vorgehen der Vereinsführung zweifelsohne etwas von einem neureichen Elefanten im Porzellanladen.

Kaufrausch seit 2011

Über 250 Millionen Euro hat der PSG seit 2011 unter der Leitung ihres finanzkräftigen katarischen Präsidenten Nasser Ghanim Al-Khelaïfi für mehr als 20 neue Spieler ausgegeben. Die Palette an Neuzugängen ist infolgedessen äußerst breit gefächert und liest sich teilweise wie eine bunt zusammengewürfelte Weltauswahl.

Von verheißungsvollen Talenten (Gameiro, Matuidi, Verratti), potenziellen Ausnahmespielern (Lucas, Pastore), über gestandene Profis (Alex, Lavezzi, Motta, Silva) bis hin zu aktuellen Superstars (Ibrahimovic) und alternden Superstars (Beckham) - der PSG-Kader vereint sämtliche Spielertypen aller Altersklassen, die Trainerfuchs Carlo Ancelotti so geordnet und erfolgreich wie nur möglich auf den Rasen zu zaubern hat.

Dass man bei dieser Art von Einkaufspolitik keine ernstzunehmende Vereins- beziehungsweise Spielphilosophie erkennen kann, steht in diesem Zusammenhang sicherlich außer Frage.

Die enormen Investitionen sind es auch, die das Meinungsbild der Öffentlichkeit bestimmen und eine positive Wahrnehmung des selbst in Frankreich äußerst umstrittenen PSG sehr schwierig gestalten. Wie ein riesiges Damoklesschwert schweben die astronomischen Summen über der französischen Hauptstadt.

Von der Mannschaft wird nichts anderes erwartet, als dass sie spektakulären Fußball zelebriert, die heimische Liga fast nebenbei dominiert und zudem noch in der Champions League für Furore sorgt.

Zu gut für den Ligaalltag?

Die Pariser selbst sind an dieser offensiven Außendarstellung auch nicht ganz unschuldig, wie die Aussagen von Sportdirektor Leonardo Anfang März dieses Jahres beweisen. Nach einer peinlichen 0:1-Auswärtsniederlage bei Abstiegskandidat Reims, versuchte der brasilianische Weltmeister von 1994 die Pleite eher am holprigen Geläuf in der Champagne als am eigenen spielerischen Versagen festzumachen.

Zudem äußerte der 43-Jährige ernsthafte Bedenken, ob Ibrahimovic und Co. überhaupt für den rauen Ligaalltag bestimmt seien: "Wir haben vielleicht nur eine Mannschaft für Europa, die von ihrem Talent, ihrer Qualität im Passspiel lebt. Die Jungs müssen noch lernen solche Spiele für sich zu entscheiden."

Dass die Pariser bei all den individuellen Schönspielern vielleicht gar nicht über die richtige Teamchemie, geschweige denn Hierarchie verfügen, daran wollte Leonardo an diesem Märzabend verständlicherweise nicht denken. Es wäre nämlich eine Bankrotterklärung an seine eigene Einkaufspolitik gewesen.

In der Tat tut sich der PSG besonders gegen robuste und laufstarke Gegner schwer, die eher Fußball kämpfen als spielen. Auf diese Art und Weise setzte es in der laufenden Spielzeit bereits weitere Niederlagen gegen Sochaux, Nice und Rennes.

Dass es dennoch recht souverän nach 1986 und 1994 zum dritten Meisterschaftstitel der Vereinsgeschichte langen sollte, liegt eher an der Unbeständigkeit der Verfolger um Marseille und Lyon als an der eigenen spielerischen Erhabenheit.

Matuidi: "Sind mehr als im Soll"

Die Defensive um den italienischen Torwart Salvatore Sirigu und Rekordtransfer Thiago Silva macht mit 20 Gegentreffern dabei einen einigermaßen soliden Eindruck. Auch das defensive Mittelfeld ist mit den jungen Blaise Matuidi und Marco Verratti gut aufgestellt.

Matuidi, eine der positiven Überraschungen der bisherigen Spielzeit und neben Linksverteidiger Christophe Jallet einziger französischer Stammspieler bei den Parisern, weiß den vielen kritischen Stimmen auch etwas Positives abzugewinnen: "Die negativen Schlagzeilen sind in der Hinsicht hilfreich, als dass sie uns anzuspornen. Die Mannschaft weiß, dass sie mehr als im Soll liegt und eine richtig gute Saison spielt. Wir können noch immer das Triple holen. Der größte Fehler war, dass jeder uns bereits vor der Saison als Übermannschaft angesehen hat. Aber im Fußball klappt das nicht von heute auf morgen. Man muss sich stets beweisen."

Abhängigkeit von Ibrahimovic

Der Schuh drückt bei den Parisern jedoch vor allem im oft ideenlosen Angriffsspiel, das weiterhin viel zu stark auf die Geniestreiche von Stürmerstar Zlatan Ibrahimovic zugeschnitten ist. Wie alarmierend die Abhängigkeit vom schwedischen Ausnahmekönner ist, wird vor allem bei einem Blick auf die Statistiken in der Ligue 1 deutlich.

Mit 25 Treffern führt Ibrahimovic nicht nur die nationale, sondern auch die interne Torjägerliste mit weitem Abstand an. Joker Kevin Gameiro folgt auf Rang zwei mit überschaubaren sechs Toren. Kein weiterer Spieler hat mehr als drei Tore erzielt.

Da trifft es sich gut, dass der Argentinier Ezequiel Lavezzi in der bisherigen Champions-League-Saison einen Lauf hat und bereits fünf Tore erzielen konnte. Auffallend ist jedoch, dass die Pariser sich, trotz ihrer sicherlich vorhandenen spielerischen Klasse, lieber als Kontermannschaft verstehen und dem Gegner gerne das Feld überlassen.

Diese Taktik könnte gegen den FC Barcelona allerdings gehörig nach hinten losgehen. Vielleicht tritt der PSG im Viertelfinale aber auch endlich den Beweis an, dass er wirklich eine Mannschaft für Europa ist und nicht nur das Spielzeug von Al-Khelaïfi.

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