Supermacht in Alarmbereitschaft

Von Aus der Allianz Arena berichtet Andreas Lehner
Thomas Müller (r.) bejubelt seinen Treffer zum 2:0 der Bayern gegen Juventus
© getty

Das Wunschergebnis geholt und trotzdem leicht unzufrieden. Die Bayern sind auf dem besten Weg ins Halbfinale der Champions League. Das Achtelfinale gegen Arsenal dient als Warnung.

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Neun Tore durfte das Münchner Publikum am Samstag bejubeln. Fünf vor, vier nach der Halbzeit. Die Fans waren also in Übung. Und schon nach etwas mehr als 20 Sekunden durfte schon wieder geschrien, geklatscht und gefeiert werden. David Alaba bezwang mit seinem abgefälschten Distanzschuss Juventus-Schlussmann Gianluigi Buffon.

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Ein paar kühnen Optimisten in der Arena dürfte sicherlich der Gedanke einer Wiederholung des Schützenfestes durch den Kopf gegeistert sein. Diesmal stand aber nicht ein dilettierender HSV als Gegner auf dem Platz, sondern der aktuelle und wohl auch zukünftige Meister Italiens.

So endete das Spiel auch mit einem normalen Fußballergebnis, 2:0. Ein Wunschergebnis, wie Spieler und Verantwortliche hinterher unisono bestätigten. Trotzdem wurde nicht nur Bastian Schweinsteiger das Gefühl nicht los, "dass wir ein Tor mehr hätten machen müssen".

Arsenal noch im Kopf

Vor allem in der ersten Halbzeit ließen die Bayern noch einige ordentliche Chancen liegen, ehe Thomas Müller in der Schlussminute die vielleicht größte Möglichkeit des Spiels nicht verwerten konnte.

Müller selbst war es dann auch, der den verpassten Chancen sogar etwas Gutes abgewinnen konnte: "2:0 ist ganz gut, weil man vom Kopf her immer noch hellwach sein muss. Man darf sich keine Nachlässigkeiten erlauben wie noch vor drei Wochen gegen Arsenal."

Die Bayern durften dieses Champions-League-Viertelfinale auch deshalb bestreiten, weil der FC Arsenal im Achtelfinal-Rückspiel nicht die Klasse hatte, um unkonzentrierte Bayern trotz eines 1:3-Rückstands aus dem Hinspiel noch aus dem Wettbewerb zu nehmen.

Neuer fordert Cleverness und Coolness

Jetzt also wieder ein klarer Sieg im Hinspiel, wenn auch diesmal zuhause. Wieder feierte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge den Auftritt seiner Mannschaft als "das wahrscheinlich beste Champions-League-Spiel der Saison."

Alles genauso schon mal gehört, vor dem Emirates Stadion in London. Auch damals forderte Rummenigge Respekt und Seriosität fürs Rückspiel. "Die Champions League verzeiht keine Fehler", sagte er damals. Den gegen Arsenal hat sie dann doch mal ohne Folgen vorbei ziehen lassen.

Es darf bezweifelt werden, dass die Bayern einen Fehler zweimal machen. Noch dazu in dieser Champions-League-Saison, die ganz klar unter dem Motto "Wiedergutmachung" geführt wird. Wiedergutmachung für das verlorene Finale 2012. "Die richtige Einstellung, Cleverness und Coolness" forderte Manuel Neuer deshalb für die Partie in Turin.

Conte schwärmt von Bayern

Die Bayern können zum dritten Mal in vier Jahren das Halbfinale der Königsklasse erreichen. Sie sind auf einem Niveau angekommen, auf dem ihnen nur wenige Mannschaften das Wasser reichen können.

"Die Bayern haben gezeigt, dass sie zurecht neben Barca und Real zu den Top-Favoriten zählen", sagte auch Juve-Trainer Antonio Conte, der die Münchner noch einige Prozent besser sieht als im Vorjahr.

Ganz abgeschlossen hat er mit dem Duell selbstverständlich noch nicht, der rechte Glauben war ihm kurz nach dem Spiel aber nicht anzumerken. Bis zum Rückspiel dürfte sich das wieder gelegt haben. Conte ist ein Kämpfer, ein zäher Hund. Das war er schon als Spieler und hat er als Trainer auch auf seine Mannschaft übertragen.

Heynckes packt die Manndeckung aus

Gegen Bayern war sein Team bis auf die Anfangsviertelstunde aber klar unterlegen. "Wir hatten sicher nicht unseren besten Tag, aber die Bayern haben uns auch nicht ins Spiel kommen lassen", sagte Conte.

Der entscheidende Faktor war ein relativ einfacher, im modernen Fußball aber leicht verpönter Schachzug.

Doch Jupp Heynckes kennt ja auch noch die gute alte Zeit des Spiels und war sich für die Berufung verschiedener Kettenhunde nicht zu schade.

Die Bayern nahmen Juves Chefstrategen Andrea Pirlo über 90 Minuten in Manndeckung, zuerst Kroos, dann Müller oder Mario Mandzukic. "Er sollte sich nicht drehen dürfen und das Spiel vor sich haben", erklärte Müller.

Das gelang. Seine auffälligsten Szenen hatte Pirlo bei Standards, da durfte er auch nicht gedeckt werden.

Defensivarbeit entscheidend

Auch seine Nebenleute kamen nur schwer ins Spiel. "Unser Pressing hat Juve überhaupt nicht geschmeckt", befand Heynckes. Das heutzutage unkonventionelle 3-5-2 bereitete den Bayern kaum Schwierigkeiten. Juves Stürmer Fabio Quagliarella und Alessandro Matri hingen komplett in der Luft.

Das kollektive Defensivverhalten ist vielleicht der größte Unterschied und auch der größte Fortschritt im Vergleich zur Vorsaison. Wie sich Mandzukic und auch Franck Ribery und Arjen Robben im Spiel gegen den Ball engagieren, ist entscheidend für den Erfolg der Mannschaft.

Unter dem Eindruck dieser Stärke befand Conte: "Die Bayern sind eine Supermacht." Dass die Supermacht durch die Erfahrung Arsenal in Alarmbereitschaft versetzt ist, dürfte Juves Hoffnungen aufs Weiterkommen nicht beträchtlich steigen lassen.

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