Paris Saint-Germain: Diffus im Wandel

Von Jochen Tittmar
David Beckham kam in der Ligue 1 bislang 41 Minuten für Paris Saint-Germain zum Einsatz
© getty

Seit fast zwei Jahren ist die Neuausrichtung von Paris Saint-Germain in vollem Gange. Sportdirektor Leonardo sorgte zuletzt bei den katarischen Besitzern für Irritationen - sinnbildlich für die Zerrissenheit des Vereins. Obwohl das Team sportlich im Soll liegt, scheint es auch im kommenden Jahr wieder an essentiellen Stellen verändert zu werden.

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Wären Paris Saint-Germain und der FC Valencia vor sagen wir zehn Jahren aufeinander getroffen, die Vorzeichen wären dieselben gewesen wie nun im März 2013 vor dem Rückspiel im Achtelfinale der Champions League (20.30 Uhr im LIVE-TICKER). Allerdings genau andersrum.

Anfang des Jahrtausends gehörten die Ches zu den wohlhabendsten Klubs in Europa. Paris dagegen war eine graue Maus, die nichts mehr auf die Reihe bekam. Welten lagen zwischen beiden Klubs.

PSG seit zwei Jahren im Wandel

Bis auf den Aspekt, dass es beide Mannschaften in die Runde der letzten 16 der Königsklasse geschafft haben, besteht auch heute noch ein himmelschreiender Unterschied. Der rührt jedoch ausschließlich von den gegensätzlichen Finanzlagen beider Vereine her.

Während Valencias Kollaps vom neuen Mestalla-Stadion, das als Betonruine kahl in der Gegend herum steht, versinnbildlicht wird, blinkt und blitzt es beim PSG an allen Ecken und Enden.

Seit bald zwei Jahren steht die Qatar Sport Investment (QSI) nun dem Verein vor. Seither befindet sich der Klub in einem steten Wandel. Ein Wandel, der jede Faser des PSG betrifft und in nicht wenigen Fällen millionenschwer daher kommt. Dutzende Investitionen in hochkarätige Spieler und einen neuen Trainer stehen einer neuen Klientel an Zuschauern, üppigen Sponsorendeals oder einem veränderten Vereinswappen gegenüber.

Leonardos Äußerungen empören

Die großumfängliche Neuausrichtung des Hauptstadtklubs wirkt sich aber nicht nur vor der eigenen Haustür aus. Spielen die Pariser auswärts, ist die Hütte voll. Auch weil die Leute außerhalb von Paris voller Neid und Missgunst auf die Emporkömmlinge aus der Hauptstadt schauen.

Dazu trägt nicht nur das als unfair empfundene Investitionsgebahren bei, das ganz offensichtlich keine Grenzen zu kennen scheint und wohl selbst von der Einführung des Financial Fair Play nicht zu stoppen sein wird.

Zuletzt waren es auch die Äußerungen von Sportdirektor Leonardo, mit denen er Fußball-Frankreich gegen seinen Klub aufbrachte. Nach der 0:1-Pleite gegen den dezimierten Aufsteiger aus Reims, einem Verein mit einem knapp 15-fach geringeren Saisonetat, führte bereits Trainer Carlo Ancelotti den schlechten Zustand des Rasens als Hauptgrund für die überraschende Niederlage des Tabellenführers an.

Verwandlung des Klubs braucht Zeit

Leonardo setzte noch einen drauf, als er in die Mikrofone philosophierte, sein Ensemble sei "vielleicht eher für Europa gemacht, mit all seinem Talent, der Qualität der Pässe, und nicht für diese Art von Matches". Die Aussagen des Brasilianers, die nur innerhalb der Pariser Stadtgrenzen als nicht arrogant aufgenommen wurden, spiegeln eine gewisse innere Zerrissenheit des Klubs wider.

Zlatan Ibrahimovic im SPOX-Interview

Paris Saint-Germain unternimmt seit 22 Monaten alles, um sich im Schnellverfahren in die Riege europäischer Topklubs hinein zu drängeln und die dortige Konkurrenz baldmöglichst zu überholen. Doch wissen die Macher des neuen PSG natürlich auch, dass das Zuführen von Millionen an Petrodollars keinen Automatismus im sportlichen Bereich auslöst.

Die gewünschte Verwandlung des Klubs braucht wie allerorts Zeit, sie kommt aber oft zu diffus daher, so dass das im Fußball seltene Gut in Paris noch nicht seine volle Wirkung entfalten konnte.

Ancelotti: "Das ist nicht mein Team"

Schon vor Saisonstart kursierten innerhalb der Vereinsführung unterschiedliche Aussagen darüber, ob denn nun das Hauptaugenmerk auf die Champions League oder den erstmaligen Gewinn der Meisterschaft seit 1994 zu legen sei. Am besten beides auf einmal, dürfte intern zumindest die Hoffnung gelautet haben.

"Paris St.-Germain wird ein Team wie Manchester United, eine Top-Mannschaft in Europa. Ich weiß nicht, wie lange es dauern wird. Wir wollen es so schnell wie möglich erreichen, aber es ist nicht einfach, ein Team mit gekauften Spielern aufzubauen. Man kauft sie, aber du musst sie zusammenbringen und das braucht Zeit. Das ist nicht mein Team. Es ist die Mannschaft des Besitzers, wie ich es auch bei Chelsea sagte. Ich dachte, es wäre einfacher. Aber nach einem Jahr kann ich sagen, es ist sehr schwierig, hier die Meisterschaft zu gewinnen", sagt Trainer Ancelotti.

Das Problem: Alles andere als die Meisterschaft wäre für Paris eine Katastrophe - angesichts eines 300-Millionen-Euro-Budgets für Spieler, deren individuelle Qualität innerhalb der Liga schlicht und ergreifend unerreicht ist. Das ist enorm viel Geld, beinahe elf Teams der Ligue 1 planen eine solche Summe zusammengenommen für ihre Mannschaften ein.

Leonardos beunruhigende Kommunikation

Leonardo behauptete gar: "Wir haben eine Mannschaft geschaffen, die in der Champions League spielen soll, nicht in der Meisterschaft."

Damit zog er Volkes Zorn auf sich und sorgte auch für Irritationen innerhalb der Scheich-Familie. Die nämlich reagierte überrascht auf dessen Ansichten. Eine beunruhigende Kommunikation attestierte ihm ein in französischen Medien zitierter enger Freund von Klubboss Nasser Al-Khelaifi, auch das Ansehen Katars würde unter solchen Ausführungen leiden.

Doch wenn man nun einmal auf die nackten Zahlen blickt und dabei den Drang der Investorengruppe, die gesteckten Ziele im Eiltempo zu erreichen, beiseitelässt, liegt der PSG in dieser Saison voll auf Kurs. In Meisterschaft und Pokal bildet man das Zünglein an der Waage, das CL-Viertelfinale liegt nach dem 2:1-Hinspielerfolg in Spanien in Reichweite und - für die Fan-Seele nicht unwichtig - Erzrivale Marseille wurde in vier Begegnungen dreimal klar besiegt.

Folgen Mourinho und CR7 auf Ibra und Becks?

Auch die Marketingstrategie ging auf: Zlatan Ibrahimovic ist der blitzlichtumwitterte Starspieler, die Verpflichtung von David Beckham ein Beweis dafür, dass das Projekt der QSI weltweit ernst genommen wird. Auch die teuren Youngster Marco Verratti und Lucas Moura sind dabei, sich prächtig zu entwickeln.

Es ist allerdings ungewiss - und genau da besteht das Dilemma des Vereins -, ob sich das angehäufte Personal nun in dieser Zusammensetzung zu einer homogenen Einheit zusammenschweißen darf. Und ob man es überhaupt lässt. Cristiano Ronaldo, Wayne Rooney oder Samir Nasri sind nur drei Beispiele von Spielern, die im Sommer nach Paris gelockt werden sollen. In Jose Mourinho möchte man zudem den Trainer mit dem weltweit höchsten Glamourfaktor in seinen Reihen wissen.

"Der Fürst beharrt darauf, dass Mourinho und Ronaldo im nächsten Jahr zu PSG kommen. Es heißt jetzt oder nie, wenn sie nach Paris wollen", soll ein Mitglied der Scheich-Entourage bereits bestätigt haben.

Was das heißt, bleibt für den Moment offen. Das Ende des über Monate beharrlichen Baggerns an Ibra und Becks ist bekannt. Eines scheint zumindest sicher: Der Wandel von Paris Saint-Germain scheint keinen Stillstand zu kennen.

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