Scoring, boring Arsenal

Von Für SPOX in London: Andreas Lehner
Highbury - das ehemalige Zuhause des FC Arsenal zu besseren Zeiten
© Getty

Der FC Arsenal dominierte mit Manchester United zu Beginn des Jahrtausends die Premier League. Dann kamen die neureichen Teams von Chelsea und Manchester City. Seitdem hinken die Gunners hinterher, die Kritik an Manager Arsene Wenger wächst. Der bleibt seine Linie treu, braucht aber dringend Erfolge. Als Vorbild dient der Gegner Bayern München.

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Vergangenheit und Zukunft liegen sehr nah zusammen. Von der U-Bahnstation Arsenal sind es nur ein paar Meter die Straße Drayton Park hinunter, ehe man vor dem Emirates Stadium steht und damit in die Gegenwart und Zukunft des FC Arsenal blickt, während man das alte Highbury-Stadion hinter sich gelassen hat.

Wobei vom altwürdigen Highbury nur noch einige Grundelemente übrig geblieben sind. Der Verein hat nach dem Umzug in das mit über 60.000 Sitzplätzen zweitgrößte Stadion Englands Highbury nicht einfach abgerissen, sondern eine Wohnanlage daraus gemacht.

Das Besondere: Die Wohnungen sind zum Innenhof, wo früher das Spielfeld lag, dank einer Glasfront offen, die Fassaden des West und East Stands wurden ebenso wie die ursprüngliche Dachoptik erhalten.

Beim Betreten des Highbury Squares fühlt man sich noch immer wie in einem Stadion. Nur wo früher Thierry Henry seine beeindruckenden Sprints anzog oder Tony Adams mit Grätschen das Feld durchpflügte, sind heute Grünflächen und Holzbänke für die Bewohner angelegt.

Es ist ein hoch moderner Wohnkomplex mit vielen Glaselementen, der dem FC Arsenal gehört und der auch im Gegensatz steht zu den anderen Gebäuden rund herum, die mehr den Charme des Arbeiterviertels im Nordosten Londons repräsentieren.

Die Suche nach dem "Spirit of Highbury"

Mit 390 Millionen Pfund gibt der Klub die Kosten für den Bau des neuen Stadions an, das von Traditionalisten aufgrund des Sponsorennamens Ashburton Grove genannt wird, und in das Arsenal zur Saison 2006/2007 umgezogen ist.

Die Auseinandersetzung mit den Fans hat auch dazu geführt, dass der Verein seit 2009 die sogenannte "Arsenalisation" des Stadions vorantreibt.

Die Verbindung des Klubs mit seinen Traditionen und seiner Geschichte soll dadurch demonstriert werden. Rund um die Arena ist mittlerweile die Historie spürbar. Bilder und Statuen von Legenden, Gedenktafeln und Erinnerungen an die größten Erfolge sollen den "Spirit of Highbury" auch im Emirates wirken lassen.

Denn irgendetwas ist verloren gegangen beim Umzug aus dem engen, aber mit rund 38.000 Zuschauer fassenden viel zu kleinen Highbury ins Emirates. Den letzten Titel durfte Arsenal 2005 feiern, damals den FA-Cup. Die Titellosigkeit hat auch zu einer teilweisen Entfremdung zwischen Manager Arsene Wenger und den Fans gesorgt.

Ständige Kritik an Arsene Wenger

Der Franzose, der seit September 1996 im Amt ist, und mit Arsenal drei Meisterschaften (1998, 2002, 2004) und vier FA-Cups (1998, 2002, 2003, 2005) gewann, steht seit Monaten öffentlich in der Kritik.

"Spend some fucking money", ist ein Song, der immer wieder von den Arsenal-Anhängern intoniert wird, wenn sie die Transferpolitik Wengers kritisieren wollen. Dem 63-Jährigen haftet der Makel an, sich nur mit jungen, talentierten Spielern zu umgeben, um sie dann für viel Geld weiterzuverkaufen.

In diesem Sommer könnten es acht Jahre ohne Titel sein, die Champions League ist die einzig verbliebene Chance. Eine lange Zeit für einen Klub mit dem Selbstverständnis wie Arsenal. Man sollte aber nicht vergessen, dass Arsenal auch vor Wenger dürre Jahre hatte. Vor allem in den 70er und 80er Jahren waren Titel etwas Außergewöhnliches. Dem Team eilte der Ruf voraus, "boring, boring Arsenal" zu sein.

Wenger hat mit seiner Philosophie die Erfolge zurückgebracht und das Team zu "scoring, scoring Arsenal" gewandelt. Die Gunners dominierten gemeinsam mit Manchester United die Premier League bis der FC Chelsea und Manchester City gesponsert von Oligarchen- und Scheich-Millionen diese Vorherrschaft beendeten.

Die Wenger-Mannschaften der letzten Jahre liegen irgendwo zwischen ihren Vorgängern. Es gibt offensive Galaspiele mit vielen Toren, aber auch Nullnummern gegen Abstiegskandidaten. "Boring, scoring Arsenal" sozusagen.

FC Arsenal ein profitables Unternehmen

Auf der anderen Seite ist Arsenal ein höchst profitables Unternehmen. In Wengers Amtszeit hat der Klub nur einmal Verlust gemacht (2002). Im Geschäftsjahr 2011/2012 erwirtschaftet Arsenal einen Gewinn von 36,6 Millionen Pfund vor Steuern. Getoppt wurde dieses Ergebnis sogar 2010 (55,9 Millionen Pfund) und 2009 (45,5 Millionen Pfund).

Die Transfereinnahmen für Emmanuel Adebayor, Cesc Fabregas oder Samir Nasri spielen dabei natürlich eine große Rolle, aber auch die Einnahmen durch Wohnungsverkäufe und Mieteinnahmen im Highbury Square, der seit 2010 komplett abbezahlt ist, machen sich gut in der Bilanz. Durch diese Politik stand Arsenal 2012 "nur" noch bei einer Nettoverschuldung von 98,8 Millionen Pfund - hauptsächlich Lasten aus dem Stadionbau.

Exorbitant hoch erscheinen bei Betrachtung des Kaders dagegen die Personalkosten. 143 Millionen Pfund zahlte der FC Arsenal seinen Angestellten im vergangenen Jahr. Das sind in etwa 166 Millionen Euro. Und damit ungefähr genauso viel wie der FC Bayern ausgibt (165,6 Millionen Euro).

Der FC Bayern als Vorbild

"Wir können und werden unseren eigenen Weg zum Erfolg gehen", sagt Arsenals Vorstandsvorsitzender Ivan Gazidis. Als Vorbild könnte da auch der FC Bayern dienen.

Die Münchner, die seit jeher dem einfachen kaufmännischen Prinzip von "Nicht mehr ausgeben, als man einnimmt" nachgehen und trotzdem international mit den Besten mithalten können, haben nach ihrem Champions-League-Sieg Anfang des Jahrtausends international ebenfalls eine Talsohle durschritten. Der Stadionbau wirkte sich auch hier auf die Zusammenstellung der Mannschaft aus.

Der FC Bayern gehört schon jetzt zu den gesündesten Vereinen der Welt und wenn die Arena in voraussichtlich fünf Jahren abbezahlt ist, hat der Verein laut Präsident Uli Hoeneß "25 Millionen Euro pro Jahr, um sie in die Mannschaft zu investieren".

Diese Rechnung dürfte im Großen und Ganzen auch für Arsenal gelten. Dazu kommt die Einführung der Schuldenbremse und der Gehaltsobergrenze in der Premier League, die weitere Emporkömmlinge wie den FC Chelsea oder Manchester City zukünftig verhindern dürften. Solide wirtschaftende Vereine könnten profitieren.

Wenger läuft die Zeit davon

Die Vertragsverlängerung von Theo Walcott bis 2016 war ein erstes Signal, dass Wenger nicht mehr gewillt ist, seine Leistungs- und Hoffnungsträger abzugeben.

Trotzdem bleibt das Verhältnis zwischen Trainer und Fans angespannt. Das Aus im FA-Cup hat den Druck zusätzlich erhöht. Am Dienstag wehrte sich Wenger vehement gegen Vorwürfe, er würde den Pokal nicht ernstnehmen und auch gegen eine Meldung über eine angebliche Vertragsverlängerung um zwei Jahre bis 2016. Wengers Begründung für seine Beschwerde: Diese Nachricht würde die Fans nur noch weiter gegen ihn aufbringen.

Als der FC Arsenal seine Pläne für ein neues Stadion bekannt gab, nannte Wenger diesen Schritt damals eine "Notwendigkeit". "Das neue Stadion wird uns dabei helfen, einer der größten Klubs der Welt zu werden." Aktuell stellt sich die Frage, ob Wenger dann noch ein Teil dieses Klubs sein wird.

Der FC Arsenal im Steckbrief