Ein Juwel zwischen den Fronten

Von Daniel Reimann
Der erst 16-jährige Alen Halilovic gilt schon jetzt als die größte Hoffnung von Dinamo Zagreb
© imago

Alen Halilovic hat in Kroatien einen unvergleichbaren Hype entfacht. Der Youngster von Dinamo Zagreb ruft neben unzähligen Top-Teams selbst Scheich Mansour persönlich auf den Plan. Doch seine noch junge Karriere wird begleitet von schmutzigen Streitereien um seine Zukunft.

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Sejad Halilovic macht einen selbstbewussten Eindruck, als er vor dem Stadion seines Lieblingsvereins abgelichtet wird. Er selbst hat hier lange gespielt, heute arbeitet er in der hiesigen Jugendakademie. "Ich weiß, dass er für die Nationalmannschaft von Bosnien-Herzegowina spielen will", tönt Halilovic, der selbst einst an der Seite von Sergej Barbarez und Hasan Salihamidzic das Trikot seines Heimatlandes getragen hat.

"Er", das ist sein Sohn, Alen. Alen steht daneben. Ein kleiner Bursche mit unschuldigen Kinderaugen, der seine blonden Locken unter einer Wollmütze vergräbt. Er ist der eigentliche Protagonist. Doch das Wort hat sein Vater.

"Es schmeichelt mir, dass ein solcher Klub Interesse zeigt", kommentiert Papa Sejad die Aufmerksamkeit von Real Madrid, die seinem Sohn jüngst zuteil wurde. "Doch ich glaube nicht, dass ihn solche Schlagzeilen belasten."

Der Betroffene selbst sagt nichts dazu. Der damals 13-Jährige Alen dürfte froh sein, dass sich Andere stellvertretend um seine Zukunft Gedanken machen.

"Nennt mich bloß nicht Messi"

Heute ist Alen 16, die Kinderaugen hat er immer noch. Doch mittlerweile scheint es, als gäbe es im kroatischen Fußball kaum etwas Wichtigeres als seine Zukunft. Alen Halilovic ist die größte Hoffnung eines Vereins, der auf bestem Wege ist, die unterirdische Bilanz der letzten Champions-League-Saison abermals zu unterbieten. Halilovic ist Dinamo Zagrebs Juwel.

Der offensive Mittelfeldspieler ist jüngster Profi und zugleich jüngster Torschütze der Liga-Geschichte und somit zwangsläufig Objekt eines unvergleichbaren Hypes. Seine außergewöhnliche Ballbehandlung kombiniert mit einem blitzartigen Antritt und vorbildlicher Schusstechnik sichert ihm waghalsige Vergleiche mit Luka Modric oder - wenn es mal nicht der berühmte Landsmann sein soll - gleich Lionel Messi.

Halilovic selbst ist die Sache unangenehm. "Nennt mich bloß nicht Messi", sagt er, als er auf sein großes Idol angesprochen wird. Doch die prominenten Vergleiche werden wohl kaum verhallen, ebenso wie das rege Interesse, das Halilovic bei Europas Top-Klubs geweckt hat.

Scheich Mansour zu Gast in Zagreb

Chelsea und United, Inter und Juventus, Barca und Real: Halilovic wurde längst mit sämtlichen Großkalibern des internationalen Fußballs in Verbindung gebracht. Madrid soll ihn bereits in jungen Jahren beobachtet haben, aus Mailand gab es angeblich schon ein zehn Millionen Euro schweres Angebot.

Doch die Krönung des außergewöhnlichen Wettrennens liefert ManCity. Angeblich reist diese Woche eine dreiköpfige City-Delegation nach Zagreb, um dem Verein ein entsprechendes Angebot für Halilovic zu unterbreiten. Zu dieser Delegation soll kein Geringerer als City-Besitzer Scheich Mansour gehören, der sich offenbar höchstpersönlich dem Projekt Halilovic annehmen will.

Der Youngster selbst vermeidet eindeutige Statements zu seiner Zukunft. Allerdings ließ er unlängst durchblicken, dass er irgendwann "in einer besseren Liga spielen möchte". Doch Halilovic weiß: "Dinamo wird entscheiden, was passiert." Oder präziser ausgedrückt: Zdrawko Mamic wird entscheiden, was passiert.

Familienunternehmen Dinamo: Mamics zwielichtige Methoden

Zdrawko Mamic ist auf dem Papier nur der Präsident von Dinamo. Doch in Wahrheit ist er viel mehr als das. Mamic ist einer der mächtigsten Männer im kroatischen Fußball. Er pflegt gute Kontakte zu Politik und Justiz, sein Einfluss reicht über den Fußballverband, wo er einen Vorstandssitz innehat.

Unter seiner Herrschaft wurde Dinamo zum Familienunternehmen: Sein Bruder Zoran ist Sportdirektor, seine Nichte Sanda leitet die Marketingabteilung und Sohn Mario hat viele wichtige ehemalige und aktuelle Dinamo-Spieler langfristig an seine Berateragentur, die ihm einst von Vater Zdrawko übertragen wurde, gebunden.

Abgesehen von diesem schwerwiegenden Interessenkonflikt, der durch den "Croatian Sports Act" von 2007 sogar faktisch verboten ist, ranken sich um Mamics Methoden auch viele grenzwertige bis gesetzeswidrige Geschichten.

Gleiches Schicksal wie Modric und Da Silva?

So soll Mamic als Privatperson bei allen Transfererlösen und Gehältern seiner Klienten groß mitkassieren, angeblich streicht er noch heute monatlich 20 Prozent von Luka Modrics Verdiensten bei Real Madrid ein.

Mamic selbst will von dem offensichtlichen Interessenkonflikt aufgrund der Funktion seines Sohnes nichts wissen. Als er im vergangenen Jahr von einem Journalisten auf diese Problematik angesprochen wurde, deckte er diesen mit wüsten Schimpftiraden und Drohungen ein.

Doch dass die genannten Zahlen nicht aus der Luft gegriffen sind, bewies der Fall von Eduardo da Silva, der zugleich zeigte, welche Methoden sich Mamic zu eigen macht. Der Brasilianer wurde vor Gericht gezerrt, weil er sich nach seinem Wechsel zu Arsenal im Jahr 2007 weigerte, die in einem Jahre zurückliegenden Spielervertrag vereinbarten Summen an seinen Ex-Mentor Mamic zu zahlen. Im Laufe des Prozesses wurde bekannt, dass Da Silva einst vertraglich dazu verpflichtet wurde, seine komplette Fußballer-Karriere lang 20 Prozent sämtlicher Einnahmen und Transfererlöse an Mamic abzutreten.

Halilovic unter Druck: Unterschrift oder Zwangspause

Auch im Fall Halilovic spielt Zdrawko Mamic eine wichtige Rolle. Vergangenen Sommer drängte er aus Angst vor Abwerbungsversuchen durch Real und Co. auf eine Vertragsunterzeichnung, um das größte Talent des eigenen Nachwuchses nicht kostenlos ziehen lassen und damit auch auf den eigenen Anteil der Ablöse verzichten zu müssen. Als dessen Vater Sejad jedoch zögerte und nicht zu entsprechenden Gesprächen bei Mamic erschien, wurde er vorübergehend von seinen Aufgaben in Dinamos Jugendakademie entbunden.

Um Halilovics Verbleib in Zagreb zu forcieren, wurde auch der damals 15-Jährige selbst unter Druck gesetzt. Sollte er das Vertragsangebot ablehnen, würde Dinamo von einer in den Regularien des Verbandes festgehaltenen Verordnung Gebrauch machen. Denn Artikel 7 / Absatz 3 des Reglementsbesagt, dass Jugendspieler unter 18, die das Angebot ihres Vereins ablehnen, innerhalb der nächsten zwei Jahre nicht zu einem anderen Erst- oder Zweitligaverein in Kroatien oder zu einem sonstigen Profi-Klub ins Ausland wechseln dürfen.

Halilovic wurde vor die Wahl gestellt: Entweder Unterschrift oder eine zweijährige Zwangspause.

Frühes Debüt und tolle Tore

Im Juni unterschrieb der mittlerweile 16-Jährige schließlich einen Vertrag bis 2017. Weil Halilovic noch minderjährig ist, läuft der Kontrakt formal nur bis 2014, wird dann aber um drei weitere Spielzeiten verlängert. Und Halilovic beteuerte: "Ich kann gar nicht beschreiben, wie glücklich ich bin. Dies ist der Moment, von dem ich immer geträumt habe."

Seitdem kassiert der 16-Jährige das Gehalt eines Profis und trainiert zudem mit der ersten Mannschaft. Mit seinem Debüt in Liga und Königsklasse sowie zwei großartigen Toren gegen Belupound Zadarunterstrich er sein Ausnahmetalent.

Doch obwohl sein Verbleib durch die Verlängerung (vorerst) geklärt wurde, reißen die Diskussionen um seine Zukunft nicht ab - im Gegenteil. Eine andere Thematik rückt immer stärker in den Fokus: Die Frage nach dem Nationalteam. Eine Frage, die ebenfalls mit jeder Menge Konfliktpotenzial verbunden ist.

Kroatien oder Bosnien? Halilovic zwischen den Fronten

Halilovic wurde zwar in Zagreb geboren, doch seine Eltern sind Bosnier. Somit könnte er für beide Nationen auflaufen. Dementsprechend entschlossen werben beide Verbände um die Dienste des begnadeten Nachwuchskickers. Zwar lief er bereits für diverse kroatische Jugendnationalteams auf, doch der Ruf aus dem Heimatland der Eltern wurde nicht leiser.

Sein Vater würde ihn lieber in dem Trikot sehen, das er selbst einst trug. Passend dazu erhielt Sohn Alen erst kürzlich eine Einladung nach Sarajevo zu einem "Kennenlerntreffen".

Für Dinamo ein Ärgernis: "Sie wollen ihn in die bosnische U 21 berufen, damit er dort zwei Spiele absolviert und somit auch rechtlich für Bosnien-Herzegowina spielen müsste. Als ob wir das nicht wüssten", wird Nachwuchsleiter Romeo Jozak bei "hrsport.de" zitiert. Denn der ist nicht nur bei Dinamo, sondern auch beim kroatischen Fußballverband im Bereich der Jugendförderung angestellt.

Um die durch kroatische und bosnische Medien immer neu befeuerten Diskussionen um seinen Schützling einzudämmen, preschte unlängst Halilovics Vater vor und stellte klar: "Wenn Alen erwachsen ist, wird er selbst entscheiden, für wen er spielt." Und vom Erwachsen-Sein ist der 16-Jährige mit den Kinderaugen noch ein gutes Stück entfernt.

Alen Halilovic im Steckbrief

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