Dortmund: Die Probleme der Arbeiterklasse

Von Jochen Tittmar
Kevin Großkreutz und Sven Bender kämpfen aktuell um den Anschluss bei Borussia Dortmund
© Imago

Sven Bender und Kevin Großkreutz absolvierten im Vorjahr 31 bzw. 42 Saisonspiele für Doublesieger Borussia Dortmund. Aktuell - auch beim zweiten Gruppenspiel der Champions League beim englischen Meister Manchester City (20.30 Uhr im LIVE-TICKER) - stehen beide für ihren Kampfgeist berüchtigten Spieler aus unterschiedlichen Gründen nur in der zweiten Reihe beim BVB. Auf Dauer?

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Als Borussia Dortmund im österreichischen Kirchberg die Vorbereitung auf die neue Saison startete, hatte Trainer Jürgen Klopp aufgrund der pausierenden EM-Fahrer nur zwölf Profis mit an Bord. Sven Bender und Kevin Großkreutz gehörten in dieser Gruppe schon zu den prominentesten Angestellten.

Hinter Bender lagen zu diesem Zeitpunkt einige Monate, die die steile Kurve seines Karriereverlaufes erstmals begradigten. Eine unglaubliche Krankenakte, gefüllt mit einer Rippenprellung, einer Innenbanddehnung, einem Kieferbruch und Verletzungen an Sprunggelenk, Hüfte sowie Schulter, zwang den Coach in Absprache mit dem Defensivspezialisten dazu, seiner einstigen "Lebensversicherung" (Klopp) eine Pause für Körper und Geist zu verordnen.

Gündogans Auf-, Benders Abstieg

Just in jener Phase zeigte Bender-Stellvertreter Ilkay Gündogan an der Seite von Sebastian Kehl, dass er nach einiger Anlaufzeit doch in der Lage ist, die mannschaftstaktischen Abläufe auf der Sechserposition absolut zufriedenstellend umzusetzen.

Benders Pause geriet so länger als ursprünglich angedacht. Für Klopp bestand in der Crunchtime zum Ende der Vorsaison kein Grund, sein funktionierendes Team auf einer der wichtigsten Positionen umzubauen. Der 23-Jährige verpasste daher nicht nur das meisterschaftsentscheidende Spiel gegen den FC Bayern München, sondern stand auch beim Gewinn des Doubles in Berlin wenig später lediglich neun Minuten auf dem Feld.

Gündogans Leistungen hievten den Deutsch-Türken dann etwas überraschend in den EM-Kader der deutschen Nationalmannschaft. Bender hingegen schaffte es nicht bis nach Polen und die Ukraine.

Großkreutz zum Start mit Vorteilen

In Kirchberg begann für Bender also eine Art neuer Abschnitt. Der Urlaub und die vorangegangene Pause, wenn sie auch für seinen Geschmack zu lang ausfiel, taten ihm gut, die Akkus waren wieder voll. In den Laufeinheiten rannte Bender scheinbar mühelos vorne weg. Der Ehrgeiz, im Kampf um die Plätze ein frühes Ausrufezeichen zu setzen, lief ihm zu den Ohren hinaus.

Doch kurz bevor die heiße Phase im Duell um die Stammplätze mit dem Supercup-Spiel gegen die Bayern und dem Auftakt im DFB-Pokal eingeläutet wurde, diagnostizierten die Ärzte bei ihm einen beidseitigen Leistenbruch. Eine Operation war unumgänglich, die Aufholjagd futsch - vier Wochen Pause statt Länderspiel gegen Argentinien.

Kevin Großkreutz hatte damals, Anfang August, seinen Platz auf der linken Mittelfeldseite erneut erfolgreich verteidigt. Hohe Einsatzbereitschaft und seine Qualität im Gegenpressing schienen ausreichend, um den direkten Konkurrenten Ivan Perisic fürs Erste zu distanzieren - obwohl Großkreutz in einigen Testbegegnungen wenig überzeugende Leistungen bot.

Bender feiert Saisondebüt

Nun, rund zwei Monate später, sehen die Saisonbilanzen von Bender und Großkreutz vor dem Champions-League-Spiel bei Manchester City (20.30 Uhr im LIVE-TICKER) ziemlich mau aus. Beide sind nur Reservisten.

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Bender, dem bei seinem Eingriff in München Kunststoffnetze zur Verstärkung der Leisten eingesetzt wurden, gehört zwar seit dem 3. Spieltag wieder dem 18er-Kader an. Erst am Wochenende jedoch feierte er beim Kantersieg gegen Mönchengladbach ein 15-minütiges Saisondebüt, leitete durch eine gewohnt bissige Balleroberung aber den Treffer zum 5:0 ein.

Nach der Gegentorflut in den vorangegangenen Spielen gegen Hamburg und Frankfurt wurde der Ruf nach Bender erstmals wieder laut. Er wäre geeignet dafür, das fehlende Timing bei den Defensivbewegungen wieder herzustellen und als Abfangjäger vor einer zu oft bloßgestellten Viererkette zu fungieren.

Großkreutz: Nur zwei Startelfeinsätze

Doch für Klopp sind die Probleme im Umschaltverhalten auf Defensive kein grundlegendes Übel, das nun plötzlich aufpoppt. Seine Sichtweise: Fehlende Absicherung im Raum, auch bei eigenen Angriffen, machten es dem Gegner zuletzt möglich, ein paar entscheidende Meter zu gewinnen und dies mit gut getimten Pass- und Laufwegen sowie einer starken Chancenverwertung zu bestrafen. Um diese Abläufe zu verbessern, müsse aber nicht zwingend das Personal ausgetauscht werden.

Daher führt Klopp Bender erst langsam wieder an die Belastungen heran. Das ist auch das einzig Sinnvolle, da Bender im weiteren Saisonverlauf noch genügend Gelegenheiten bekommen wird, um sich in die erste Elf zu kämpfen. Gerade auswärts gegen spielstarke Gegner wie jene aus der Königsklasse wäre eine Doppelsechs mit den eher defensiv orientierten Kehl und Bender durchaus vorstellbar.

Großkreutz dagegen vermutete man nach den letzten beiden instabilen Auswärtsauftritten in der Bundesliga gegen Gladbach schon eher wieder auf der linken Seite. Auch, weil Marco Reus und Perisic an Elbe und Main keine Impulse setzen konnten. So steht der 24-Jährige aber bislang bei nur zwei Startelfeinsätzen, bei denen er zudem noch zu den schwächsten Dortmundern gehörte. Gegen Amsterdam und in Hamburg gab's dafür dann überhaupt keine Spielzeit.

Bender: "Stelle mich nicht gerne hinten an"

Sein Problem: Da Klopp keinen Anlass zu Personalrochaden sieht, hat Großkreutz in Reus, Mario Götze und Jakub Blaszczykowski drei Mitspieler vor der Nase, deren Offensivpotential es derzeit nicht erlaubt, sie aus der Startelf zu nehmen. Zumal die offensive Dreierreihe dank des wieder spielfitten und auf der Zehnerposition vorgesehenen Götze nun erstmals in dieser Saison zu stehen scheint.

Bender und Großkreutz akzeptieren ihre aktuelle Rolle. Glücklich sind sie damit freilich nicht. "Ich werde alles geben, um mich möglichst bald wieder dem Trainer zu empfehlen", sagt Bender. "Ich stelle mich nicht gerne hinten an."

Daran findet auch Großkreutz keinen Gefallen: "Egal, wo mich der Trainer hinstellt. Hauptsache, ich spiele. Ich möchte spielen, das wird auch der Trainer nicht übersehen haben. Wie er dann letztlich entscheidet, liegt bei ihm. Aber mit mir ist auf jeden Fall zu rechnen. Ich denke, dass der Coach weiß, wo meine Stärken liegen."

Die Ungeduld, die aus ihren Aussagen spricht, ist für Reservisten natürlich. Ein schweres Jahr droht den beiden dennoch.

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