"So gut, dass du dir in die Hosen scheißt"

Von Jochen Tittmar
Isaac Cuenca gelang in dieser Saison der Durchbruch im Profiteam des FC Barcelona
© Getty

Isaac Cuenca ist beim FC Barcelona der Aufsteiger der Saison. Der 20-jährige Flügelspieler hat eine Vita vorzuweisen, die lange Zeit kaum einmal in dieselbe Richtung verlief. Nicht nur deswegen hat er bei Trainer Pep Guardiola nun einen Stein im Brett.

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In den wirklich wichtigen Spielen der letzten Jahre - und davon gab es beim FC Barcelona ja durchaus genügend - schafften es die Katalanen fast immer, ihre besten Pferde auf den Rasen zu schicken.

Davon ging Coach Pep Guardiola auch am Wochenende aus. Doch beim Clasico gegen Real Madrid, als Barca durch ein 1:2 die Meisterschaft in der Primera Division verspielte, "war es offenbar nicht so", wie Guardiola im Nachklapp eingestand. Er grübelte, ob er die Anfangsformation nicht hätte anders besetzen sollen.

Sein Nachdenken dürfte ihn die wenigen Tage bis zum Champions-League-Rückspiel gegen den FC Chelsea (20.30 Uhr im LIVE-TICKER) begleitet haben. Barca hat einen 0:1-Rückstand aufzuholen. Guardiola muss abwägen, wie er schweren Beinen und leeren Köpfen beikommt.

Cuenca: Schritt zurück nach vorne

Isaac Cuenca war am Wochenende kein Bestandteil von Guardiolas Kader. In den kommenden Wochen könnte der bald 21-Jährige jedoch ein Baustein werden, der dem Team zumindest in einigen Phasen die nötige Frische zurückbringt. Cuenca wird nachgesagt, sich beim Fußballspielen nur geringfügig Gedanken zu machen, was um ihn herum geschieht. Er könne sich ideal in eine Situation vertiefen.

Barcas Aufsteiger der Saison, der sich auch im Castrol EDGE Ranking, der Weltrangliste für Fußballspieler aus den fünf großen Ligen Europas, innerhalb von sechs Monaten kontinuierlich um 600 Plätze nach oben katapultiert hat, gehört zu den Profis, die besonderen Eindruck bei Guardiola hinterlassen haben.

Das liegt vor allem an Cuencas Vita, in der der gebürtige Katalane immer wieder gezwungen war, einen Schritt zurück zu machen, um letztlich ganz oben anzukommen.

Zu Beginn klassischer 10er

2002 tauschte er als 11-Jähriger das Trikot von Espanyol gegen jenes von Barca ein und stellte sich in der herausragenden Talentschmiede La Masia vor. Dort traf er bereits auf Spieler wie Martin Montoya oder Cristian Tello, mit denen er zehn Jahre später den Traum im Profiteam der Blaugrana lebt.

Im 3-4-3, das Barcas Jugendteams zu jener Zeit praktizierten, fungierte Cuenca als klassischer Zehner. Seine körperlichen Defizite waren jedoch offensichtlich, Cuenca galt trotz Stärken in der Ballbehandlung als zu schmächtig. Wenig später übernahm Josep Colomer das Amt des Jugendkoordinators und änderte das Spielsystem erst auf 4-2-3-1, später dann auf ein 4-3-3. Diese Neuerungen spülten Cuenca nach und nach auf die Bank. Es schien klar: Hier in Barcelona wird das nichts mehr für ihn.

Cuenca verließ La Masia als 14-Jähriger und es ist äußerst selten, dass ein Spieler, der es im ersten Anlauf nicht gepackt hat, dorthin noch einmal zurückkehrt. In seiner Geburtsstadt Reus verbrachte er die kommenden dreieinhalb Jahre und durfte dort das tun, was für einen jeden Spieler seines Alters unabkömmlich ist: Spielpraxis und Erfahrungen sammeln.

Cuenca zum Flügelstürmer umfunktioniert

Als es ihm gelang, im Alter von 16 Jahren in der ersten Mannschaft des CF Reus Deportiu in der 4. Liga zu debütieren, stand fest: Cuenca will es nochmal in La Masia versuchen.

Seine guten Leistungen in Reus beeindrucken die Barca-Verantwortlichen jedoch zunächst nicht. Erst als er sich dem für seine Jugendarbeit hochangesehenen CF Damm anschloss und sich in der Division de Honor Juvenil, Spaniens stärkster U-19-Liga, mit exzellenter Technik und schnellen Dribblings empfahl, bekam auch Barca Wind von der steten Weiterentwicklung des verlorenen Sohnes und holte den mittlerweile 18-Jährigen zurück nach Hause.

Garcia Pimienta, der in der Saison 2009/2010 das Juvenil A Team coachte, funktionierte Cuenca zum linken Flügelstürmer um, wo im 4-3-3 seine Schnelligkeit zum Tragen kam und die Mannschaft auch dank seiner acht Tore die Meisterschaft gewann. Cuenca schien endgültig in Barcelona angekommen. Doch Luis Enrique, aktueller Coach des AS Rom, hatte andere Pläne.

Luis Enrique plant ohne Cuenca

Da Cuenca aufgrund seines Alters nicht mehr im Juvenil A Team spielen durfte und Enrique als Trainer der zweiten Mannschaft keine Verwendung für ihn fand, verließ er Barcelona ein weiteres Mal. Doch das Jahr als Leihspieler beim CE Sabadell verhalf Cuenca dazu, sich in der körperlich robusten 3. Liga nun auch den physischen Schliff zu holen. Er half in 24 Startelfeinsätzen (4 Tore) mit, dass die Arlequinats eine 18-jährige Durststrecke beendeten und in die 2. Liga aufstiegen.

Eine diese Partien in Sabadell sah auch Pep Guardiola. Er verlangte, dass Cuenca das Leihgeschäft beende und zum Sommer 2011 zurück zu Barca komme. Seitdem kennt Cuenca nur eine Richtung - steil nach oben.

Guardiola hatte in der Vorbereitung zur aktuellen Spielzeit einige Verletzte zu beklagen, also nahm er Cuenca mit ins Camp in die USA. "Wenn ein Spieler Barca zwei Mal verlässt und es erneut versucht, muss man ihn im Auge behalten", begründete Guardiola.

"Wir sind glücklich mit ihm"

Der Trainer war von Cuencas Auftritten dermaßen angetan, dass er ihn fortan in der ersten Mannschaft behielt und immer wieder, auch in der Champions League, einsetzte.

21 Pflichtspiele in Liga und Königsklasse, 13 davon von Beginn an (2 Tore), hat Cuenca bislang für Barca absolviert. "Wir sind glücklich mit ihm. Bei ihm weiß man immer, was man bekommt", sagt Guardiola heute.

Leistung sichtbar machen: Die Entstehung des Castrol EDGE Rankings

Was Guardiola bekommt, das ist Cuencas Fähigkeit, nicht nur auf beiden Flügeln gleichermaßen einsetzbar zu sein, sondern auch an der Außenlinie zu kleben, um das Spielfeld zu vergrößern und durch das Herausziehen seiner Gegenspieler aus der Zentrale jene Korridore entstehen zu lassen, die beispielsweise für die Kunst eines Lionel Messi notwendig sind.

"So gut, dass du dir in die Hosen scheißt"

Cuenca scheint Barcelonas Spielidee insofern begriffen zu haben, dass er auch ohne Spielgerät am Fuß die richtigen Laufwege einhält. "Nur wenige Spieler positionieren sich ohne Ballbesitz so gut wie Cuenca", lobt der Coach.

Zu Beginn des Jahres hat Cuenca die neue Wertschätzung auch in Schriftform erhalten. Er setzte seine Unterschrift unter einen bis 2015 datierten Profivertrag. Cuenca hat sich seinen Platz im wohl besten Team der Welt über die Jahre hart erarbeitet. Verändert hat ihn der blitzschnelle Aufstieg jedoch nicht: "Der einzige Unterschied in meinem Alltag ist, dass ich in größeren Stadien mit mehr Zuschauern spiele und mich nun die Leute auf der Straße erkennen. Aber mein Leben hat sich nicht verändert."

Ob Cuenca nun auch am Dienstag gegen die Blues eine tragende Rolle spielen darf, ist unerheblich. Klar ist bereits jetzt, dass Guardiola auch in Zukunft verstärkt auf ihn setzen wird. Denn: "Cuenca mag für Mädchen nicht attraktiv sein, aber er ist so gut, dass du dir in die Hosen scheißt."

Isaac Cuenca im Steckbrief

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